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Kosten/Nutzen-Analyse zur Gabe rekombinanter hämatopoetischer Wachstumsfaktoren bei myelodysplastischen Syndromen

Anämien sowie häufig notwendige Bluttransfusionen mit der Folge einer sekundären Hämochromatose sind wichtige klinische Probleme bei Patienten mit myelodysplastischen Syndromen (MDS). In verschiedenen Studien sprach die Anämie bei solchen Patienten auf die Behandlung mit rekombinantem Erythropoietin (rhEPO) nur bei 10-20% an. In einigen Studien wurde jedoch über ein besseres Ansprechen der Anämie (bei ca. 40% der Patienten) nach Gabe von rhEPO plus Granulozyten-Kolonien stimulierendem Faktor (G-CSF) berichtetet und daraus ein synergistischer Effekt der beiden hämatopoetischen Wachstumsfaktoren in vivo abgeleitet (1-3). Besonders Patienten mit refraktärer Anämie mit Ringsideroblasten (RARS) scheinen von dieser Kombinationstherapie zu profitieren (2). Transfusionsbedarf (< 2 Erythrozytenkonzentrate/Monat) und EPO-Konzentration im Serum (≤ 500 U/l) wurden als prädiktive Faktoren beschrieben, die mit einem besseren Ansprechen auf rhEPO plus G-CSF assoziiert sind (3).

Prospektive randomisierte klinische Studien zu den Kosten einer derartigen Kombinationstherapie und zum Einfluß auf die „Lebensqualität” wurden bisher nicht durchgeführt. In einer französischen multizentrischen randomisierten Studie (4) wurde deshalb die Gabe von rhEPO plus G-CSF bei Patienten mit MDS verglichen mit einer ausschließlich supportiven Therapie (Ziel: Hb-Wert > 8 g/dl, ggf. Eisen-Chelat-Bildner). Eingeschlossen wurden insgesamt 60 Patienten mit (a) refraktärer Anämie (RA), RARS oder refraktärer Anämie mit Exzeß an Blasten (RAEB, Blasten < 10% im Knochenmark); (b) Hb-Werten < 10 g/dl oder Transfusion von mindestens zwei Erythroztenkonzentraten in den vorausgegangenen zwei Monaten sowie (c) Serum-EPO Konzentrationen ≤ 500 IU/l. Die Patienten erhielten im Arm A rhEPO plus G-CSF sc. (20000 IU Epoetin alfa = Erypo® bzw. 105 µg Lenograstim = Granocyte®, jeweils dreimal/Woche) und im Arm B eine supportive Behandlung. Patienten, die auf die Behandlung in Arm A nach 12 Wochen ansprachen, wurde rhEPO für weitere 40 Wochen verabreicht. Primärer Endpunkt der Studie war das hämatologische Ansprechen nach 12 Wochen (Anstieg des Hb-Werts, Änderungen im Transfusionsbedarf), sekundäre Endpunkte waren die direkten Kosten und der Einfluß der Therapie auf die „Lebensqualität” während der einjährigen Studienperiode. 24 der 30 Patienten in Arm A und 26 der 30 Patienten in Arm B konnten hinsichtlich des hämatologischen Ansprechens nach 12 Wochen ausgewertet werden. Dabei zeigten 10 von 24 Patienten (42%) in Arm A und keiner von 26 Patienten in Arm B ein hämatologisches Ansprechen (Hb-Anstieg auf ≥ 11,5 g/dl). Die Ansprechraten, bezogen auf die unterschiedlichen Subtypen des MDS, betrugen 50% (RA), 46% (RARS) und 20% (RAEB). Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten unter der Behandlung mit rhEPO plus G-CSF nicht auf. Basierend auf einer „Intention-to-treat”-Analyse der einjährigen Studiendauer lagen die mittleren direkten Kosten/Patient (z.B. Transfusionen, Arzneimittel, Krankenhausaufenthalte) in Arm A bei 26723 EUR und in Arm B bei 8746 EUR, wobei dieser Unterschied im wesentlichen durch die Arzneimittelkosten (19121 EUR in Arm A verglichen mit 0 EUR in Arm B) verursacht wurde. Da nur wenige Patienten rhEPO allein oder in Kombination mit G-CSF über die vorgesehene Behandlungsdauer von 52 Wochen erhielten, fand sich kein signifikanter Unterschied in den Transfusionskosten zwischen Arm A und B. Bei Studienbeginn füllten mehr als 90% der Patienten den Fragebogen zur „Lebensqualität” aus. Im Verlauf der Studie nahm dieser Prozentsatz deutlich ab und nur 50% (Arm A) bzw. 67% (Arm B) machten nach 52 Wochen noch Angaben dazu. Ein signifikanter Einfluß der Behandlung mit rhEPO plus G-CSF auf die „Lebensqualität” war nicht erkennbar.

Fazit: Eine randomisierte Studie bei Patienten mit Niedrigrisiko-MDS zeigte bei etwa 40% der Patienten ein hämatologisches Ansprechen auf die Kombinationstherapie mit rhEPO plus G-CSF. Erstmals in dieser Studie, an allerdings kleinen Patientenzahlen, durchgeführte Kosten/Nutzen-Analysen ergaben, daß die Behandlung mit rhEPO plus G-CSF etwa drei- bis viermal teurer ist als die supportive Behandlung und zu keiner signifikanten Verbesserung der „Lebensqualität” führt. Die Indikation zu einer „Off-Label”-Behandlung mit rhEPO plus G-CSF bei Patienten mit MDS muß sich deshalb an prädiktiven Faktoren für das hämatologische Ansprechen (z.B. Serum-EPO-Konzentration, Transfusionsbedarf) orientieren und bei fehlender Wirksamkeit spätestens nach 3-4 Monaten beendet werden.

Literatur

  1. Hellström-Lindberg, E., et al.: Brit. J. Haematol 1995, 89, 67.
  2. Hellström-Lindberg, E., et al.: Blood 1998, 92, 68.
  3. Hellström-Lindberg, E., et al.: Brit. J. Haematol. 2003, 120, 1037.
  4. Casadevall, N., et al.: Blood 2004, 104, 321.