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Die Erwartungen der Patienten beeinflussen das ärztliche Verhalten

Zu diesem Thema erschienen zwei Untersuchungen im Brit. Med. J. (1, 2). In einer randomisierten Studie (1) wurden 636 Patienten in fünf großen Allgemeinpraxen vor der ärztlichen Untersuchung gebeten, in einen Fragebogen (FB 1) einzutragen, welche Probleme sie mit dem Arzt besprechen wollten. In einem anderen Fragebogen (FB 2) wurden Symptome einer Depression aufgeführt und gefragt, ob und wie weit der betreffende Patient darunter zu leiden habe. Nach der Konsultation beim Arzt wurde von den Patienten nachgetragen: Alter, Familienstand, Kinderzahl, Beruf, allgemeiner Gesundheitszustand und Zufriedenheit mit der Konsultation. Im Rahmen der Randomisierung erhielt je ein Viertel der Patienten den FB 1 oder den FB 2, FB 1 plus FB 2 oder keinen FB. Vermutlich lasen die Ärzte die Fragebögen vor der Konsultation. Die Ärzte trugen die Dauer der Konsultation ein, was sie untersucht und verordnet hatten, wohin sie überwiesen hatten, ob sie glaubten, der Patient sei depressiv, ob sie glaubten, ihre Untersuchungen und Verordnungen wären medizinisch indiziert gewesen und in wie weit sie sich zu ihren Maßnahmen von den Patienten gedrängt gefühlt hätten.

Die FB steigerten erheblich die Zufriedenheit der Patienten mit der ärztlichen Konsultation, weil die Maßnahmen präziser angesetzt werden konnten. Die Konsultationszeit verlängerte sich nicht durch die FB. Die Zahl der Untersuchungen, Verordnungen und Überweisungen nahm aber etwas zu. Depression wurde durch die FB-Vorbereitung nicht häufiger diagnostiziert.

Eine zweite Untersuchung (2) wurde offenbar in den gleichen fünf Praxen an 847 Patienten durchgeführt. Hier wurde vor der Konsultation gefragt, ob Untersuchung, Verordnung oder Überweisung erwartet wurde und nach der Konsultation, ob sie insgesamt hilfreich gewesen sei. Es ist nicht klar, ob in dieser Studie die Ärzte die ausgefüllten FB vor der Konsultation lasen. Die Ärzte dokumentierten, was sie getan hatten, ob sie glaubten, daß die Maßnahmen medizinisch indiziert gewesen seien und wie sehr der Patient die Maßnahmen gewünscht habe.

„Medizinische Notwendigkeit” hatte nach multivariater, statistischer Analyse den größten Einfluß auf das, was in der Praxis geschah. Immerhin dachten die Ärzte, daß 15% der körperlichen Untersuchungen, 19% der Verschreibungen und 22% der Überweisungen und sogar 46% der technischen Untersuchungen unnötig gewesen seien. Verantwortlich dafür waren weniger die Wünsche der Patienten, als das, was die Ärzte dafür hielten. Die von den Ärzten empfundene Erwartungshaltung der Patienten war größer als die tatsächliche Erwartung der Patienten.

Fazit: Mit Faltblättern und Fragebögen kann man das Praxisgeschehen – quantitativ erfaßbar – effektiver gestalten und zur Zufriedenheit der Patienten beitragen. Die Erwartungshaltung der Patienten nimmt Einfluß auf das Praxisgeschehen, wird aber, nach den Ergebnissen dieser Studie, von den Ärzten überschätzt. Die besprochenen Studien quantifizieren den Einfluß, den Patienten auf Grund ihrer Vorinformationen auf den Verlauf der ärztlichen Behandlung nehmen können und unterstreichen damit die Bedeutung der unabhängigen Patienteninformation.

Literatur

  1. Little, P., et al.: Brit. Med. J. 2004, 328, 441.
  2. Little, P., et al.: Brit. Med. J. 2004, 328, 444.