Mit der Publikation der ersten prospektiv randomisierten Studie zur Hochdosis-Chemotherapie (HDC) beim Mammakarzinom wurde Werner Bezwoda 1995 schlagartig international bekannt (1). Die Glaubwürdigkeit seiner im einflußreichen Journal of Clinical Oncology publizierten Studie stand dabei aber von Anfang an in Zweifel. Neben vielen Ungereimtheiten im Detail störten sich viele Onkologen vor allem daran, daß bei Bezwodas Studie die Standarddosis-Chemotherapie (SDC) zu unerwartet schlechten, die HDC dagegen zu unglaubhaft guten Ergebnissen führte. Seine Daten standen damit im klaren Widerspruch zur klinischen Erfahrung und zur seriösen Fachliteratur (2).
Anderen war die Veröffentlichung Bezwodas – trotz dieser Fragwürdigkeiten – sehr willkommen, da sie den Nutzen der HDC beim metastasierten Mammakarzinom endlich durch eine scheinbar sauber randomisierte Studie zu belegen schien. Aus diesem bei genauerer Betrachtung eher fragwürdigen Grund wurde Bezwoda zu einem der meist zitierten onkologischen Autoren der letzten Jahre und von der pharmazeutischen Industrie häufig als „Opinion leader“ zu Satellitensymposien eingeladen.
Den Höhepunkt seiner Bekanntheit erreichte Bezwoda 1999 auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO), auf der er eine zweite Studie, diesmal zur adjuvanten HDC beim Mammakarzinom, vorstellte (3). Auch diese Arbeit unterschied sich in wichtigen Aspekten von anderen Studien zum Thema: sie zeigte (wieder) fast als einzige einen Vorteil für die HDC, benutzte als einzige eine sogenannte „Upfront“-HDC ohne vorangegangene SDC, wurde als einzige monozentrisch durchgeführt und als einzige nur von einem Autor gezeichnet. Anders als 1995 hatte Bezwoda aber 1999 die privilegierte Rolle des Pioniers verloren, so daß seine Ergebnisse erstmals mit großen, sauber randomisierten multizentrischen Studien verglichen werden konnten. Angesichts des Widerspruchs zwischen seinen positiven und den negativen Ergebnissen der anderen HDC-Studien (vgl. AMB 1999, 33, 82) entschloß man sich daher im amerikanischen National Cancer Institute (NCI), die Studie vor Ort von Experten auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Die erschütternden Ergebnisse dieses „On-site review“ sind im Lancet nachzulesen und dokumentieren einen der wichtigsten Fälle von Wissenschaftsbetrug in der Geschichte der klinischen Onkologie (4-6). Die offensichtlich manipulierten Studien Bezwodas haben nun jeden Anspruch auf Glaubwürdigkeit verspielt und sind damit endlich jener Instrumentalisierung für medizinpolitische und wirtschaftliche Zwecke entzogen, für die sie – entgegen allen seit jeher bestehenden Bedenken – allzu lange benutzt wurden.
Die Aufdeckung dieser Affäre bietet aber zugleich eine Chance, aus der Diskussion um die HDC beim Mammakarzinom einige, längst fällige wissenschaftspolitische Konsequenzen zu ziehen. Zunächst sollten jene Studien, die auf Bezwodas Protokollen aufbauen, revidiert oder geschlossen werden (6). Neue Studien erscheinen zudem nicht gerechtfertigt, solange die Ergebnisse laufender größerer kontrollierter Studien nicht verfügbar sind (6). Mit dem Verlust eines ihrer wichtigsten Protagonisten steht dabei zuletzt auch die Rolle der HDC beim Mammakarzinom insgesamt mehr denn je in Frage (vgl. AMB 2000, 34, 15). Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche – nicht auf die HDC oder Onkologie beschränkte – Frage, wie das interne und externe Review-System für klinische Studien und ihre Publikation verbessert werden kann (5-7). Denn Bezwoda hat in der klinischen Onkologie offenbar sowohl seine Kollegen vor Ort als auch externe Gutachter bei renommierten Fachzeitschriften jahrelang mit großem Erfolg hinters Licht geführt. Erforderlich sind eine deutliche Aufwertung des internen Reviews durch kompetenter besetzte Ethikkommissionen im deutschen bzw. im englischen Sprachraum (Institutional review boards = IRB) und des externen Reviews durch Stichproben-„Audits“ sowie durch obligate Vorlage zumindest der wesentlichen Teile der Studienprotokolle, Originaldaten und Einverständniserklärungen. Auch über die Forderung, monozentrische Studien nur noch dann öffentlich zu fördern oder zur Publikation zu akzeptieren, wenn eine nach standardisierten Regeln vorgehende externe Begutachtung erfolgt ist, sollte nachgedacht werden (5).
Literatur
1. Bezwoda, W.R., et al.: J. Clin. Oncol. 1995, 13, 2483.
2. Eddy, D.M.: J. Clin. Oncol. 1992, 10, 657.
3. Bezwoda, W.R.: Proc. Am. Soc. Clin. Oncol. 1999, 18, 2a (Abstract #4).
4. Weiss, R.B.: Lancet 2000, 355, 999.
5. Horton, R.: Lancet 2000, 355, 942.
6. Bergh, J.: Lancet 2000, 355, 944.
7. Richter, E.A.: Dt. Ärzteblatt 2000, 97, B-649.