Artikel herunterladen

AII-trans-Retinoinsäure und Zytostatika in der Induktions- und Erhaltungstherapie der akuten Promyelozytenleukämie

Auf die Wirksamkeit von AII-Trans-Retinoinsäure (ATRA = Tretinoin) in der Behandlung der Promyelozytenleukämie (APL) und der mit der APL häufig einhergehenden Koagulopathie sind wir zuletzt im vergangenen Jahr anläßlich der Publikation der amerikanischen Intergroup-Studie eingegangen (vgl. AMB 1998, 32, 5b; s.a. AMB 1992, 26, 111). In dieser Studie konnte gezeigt werden, daß die Gabe von ATRA als Induktions- und Erhaltungstherapie zusammen mit einer konsolidierenden Chemotherapie die Prognose von Patienten mit APL im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verbessert. Ziel der kürzlich publizierten großen europäischen Studie unter Leitung französischer Hämatologen war es, durch eine Kombination von ATRA und Zytostatika sowohl in der Induktions- als auch in der Erhaltungstherapie die Rezidivrate bei APL weiter zu senken (Fenaux, P., et al.: Blood 1999, 94, 1192). Verglichen wurden verschiedene Therapiestrategien in der Induktions (ATRA gefolgt von Chemotherapie = ATRA → CT versus ATRA plus Chemotherapie = ATRA + CT) und Erhaltungstherapie. Patienten < 65 Jahre mit Leukozytenzahlen ≤ 5,0/nl wurden nach Randomisierung entweder mit ATRA (45 mg/ m2/d bis zum Erreichen einer kompletten Remission) und anschließender Chemotherapie mit Daunorubicin plus Cytarabin (ATRA à CT) oder mit ATRA + CT behandelt. Patienten mit Leukozytenwerten > 5,0/nl und Patienten > 65 Jahre wurden nicht randomisiert und erhielten ATRA + CT Nach Erreichen einer kompletten Remission wurden 2 Zyklen einer Konsolidierungstherapie mit Daunorubicin sowie konventionell bzw. höher dosiertem Cytarabin verabreicht. Patienten, die nach Durchführung der Konsolidierungstherapie noch in kompletter Remission waren, erhielten nach erneuter Randomisierung keine weitere Therapie, intermittierend ATRA, kontinuierlich eine niedrig dosierte Chemotherapie mit Mercaptopurin plus Methotrexat oder ATRA plus niedrig dosierte Chemotherapie für jeweils 2 Jahre. Primäre Endpunkte dieser Studie waren für den Vergleich von ATRA à CT versus ATRA + CT in der Induktionstherapie das ereignisfreie Überleben und für den Vergleich der verschiedenen Strategien in der Erhaltungstherapie die Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs, die ab dem Zeitpunkt der zweiten Randomisierung gerechnet wurde. Die wichtigen Ergebnisse dieser Studie zum Vergleich der beiden Induktionstherapien sind in Tab. 1 zusammengefaßt. Die Rezidivrate nach 2 Jahren war bei Patienten, die ATRA + CT erhalten hatten, signifikant niedriger als nach ATRA à CT. Die Rate der kompletten Remission und des ereignisfreien Überlebens unterschieden sich bei beiden lnduktionstherapien nicht signifikant.

Das gefürchtete ATRA-Syndrom, gekennzeichnet durch Fieber, Gewichtszunahme, Störung der respiratorischen Funktion, Lungeninfiltrate, Pleura- oder Perikardergüsse, Hypotension und Nierenversagen trat bei 64 Patienten (15%) während der Induktionstherapie auf, von denen 5 an den Folgen des ATRA-Syndroms starben. Das ereignisfreie Überleben nach 2 Jahren war für ältere Patienten (> 65 Jahre) und Patienten mit initialen Leukozytenzahlen > 5,0/nl signifikant ungünstiger (67% bzw. 69%) im Vergleich zu den randomisierten Patienten (80%). Der Vergleich der verschiedenen Strategien in der Erhaltungstherapie ergab, daß die Zahl der Rezidive durch eine kontinuierliche Gabe niedrig dosierter Zytostatika (15 versus 41 ohne Chemotherapie) und intermittierende Gabe von ATRA (21 versus 35 ohne ATRA) signifikant gesenkt werden kqnnte. Die besten Ergebnisse (6 Rezidive, ereignis-reies Überleben nach 2 Jahren: 93%) konnten durch eine kombinierte Erhaltungstherapie (Zytostatika plus ATRA) erzielt werden.

Fazit: Durch die Kombination von ATRA und Chemotherapie werden bei Patienten mit APL hohe Remissionsraten (> 90%) erzielt. Die frühzeitige Kombination von ATRA mit Chemotherapie sowie die kombinierte Gabe einer niedrig dosierten Chemotherapie mit ATRA in der Erhaltungstherapie können das Rezidivrisiko bei dieser Erkrankung senken. Diese Ergebnisse unterstreichen die zumindest additive Wirksamkeit beider Therapiemaßnahmen. Die langfristigen Auswirkungen dieser Therapiestrategien auf das Überleben von Patienten mit APL müssen jedoch noch abgewartet werden.

Abbildung 1999-86a-1.gif