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Acetylcystein bei idiopathischer Lungenfibrose? Die IFIGENIA-Studie

Zur Prophylaxe von Exazerbationen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung wird Acetylcystein (ACC) empfohlen (1, 2), ist aber umstritten. Auch in einem ganz anderen Bereich wird es angewandt, ohne dass ein abschließendes Urteil möglich ist: zur Prophylaxe der Röntgenkontrastmittel-Nephropathie (3). Nun ist ACC zur Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose eingesetzt worden (4).

Man geht davon aus, dass bei der chronischen Entzündung, die der idiopathischen Lungenfibrose zu Grunde liegt, auch die Verminderung an Antioxidanzien eine Rolle spielt. ACC spielt bei der Bildung von Glutathion eine Rolle, das ein bedeutendes Antioxidans ist. Bei Fibrose ist seine Konzentration in der Lunge vermindert.

Daher untersuchte die IFIGENIA-Studie (4) multizentrisch, randomisiert, plazebokontrolliert, doppeltblind 12 Monate lang die Wirkung von dreimal 600 mg ACC/d. 20 der 23 Autoren hatten wirtschaftliche Verbindungen zum Sponsor Zambon oder waren dessen Angestellte. Die Standardtherapie bestand aus Prednison plus Azathioprin. 182 Patienten mit gesicherter Diagnose (CT Lunge und/oder Lungenbiopsie) wurden randomisiert und 155 behandelt. 27 stimmten der Behandlung nicht zu. Nur 57 Patienten aus der ACC- und 51 aus der Plazebo-Gruppe schlossen die Behandlung ab. Ausgewertet wurden Letalität, pulmonale Diffusionskapazität für CO und Vitalkapazität. Neun Patienten starben in der Verum- und elf in der Plazebo-Gruppe (nicht signifikant). Die Diffusionskapazität verschlechterte sich signifikant geringer in der Verum- als in der Plazebo-Gruppe (Unterschied: 0,75 mmol/Minute und Kilopascal; p = 0,003). Auch die Verschlechterung der Vitalkapazität war in der Verum-Gruppe signifikant geringer (absoluter Unterschied 0,18 l; p = 0,02).

G.W. Hunninghake stellt in einem Editorial in derselben Nummer des N. Engl. J. Med. (5) die klinische Bedeutung der signifikant positiven Ergebnisse in Frage. Andere (sekundäre) Endpunkte, z.B. Atemnot, waren zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Er weist auch darauf hin, dass auffällig viele Patienten randomisiert und nicht behandelt wurden oder während der Behandlungsphase ausschieden. Die American/European Thoracic Society empfiehlt zur Behandlung der Lungenfibrose Prednison und Azathioprin. So wurden auch die Patienten der IFIGENIA-Studie behandelt. Hunninghake hält es für möglich, dass diese Substanzen – obwohl sie empfohlen werden – mehr unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) als Wirkungen haben und dass ACC als Antioxidans möglicherweise nicht die Erkrankung selbst, sondern die UAW der Basistherapie günstig beeinflusst hat!

Fazit: Auch die idiopathische Lungenfibrose ist für ACC keine überzeugende Indikation. Viele Fragen bleiben offen. Die Arbeit ist ein weiteres typisches Beispiel dafür, dass nicht alles in die Praxis umgesetzt werden sollte, was mit großem Aufwand untersucht und mit positivem Ergebnis in viel zitierten Zeitschriften veröffentlicht wird.

Literatur

  1. AMB 2003, 37, 17.
  2. AMB 2001, 35, 62a.
  3. Durham, J.D., et al.: Kidney Int. 2002, 62, 2202; s.a. AMB 2004, 38, 2.
  4. Demedts, M., et al. (IFIGENIA = Idiopathic pulmonary Fibrosis International Group Exploring N-Acetylcysteine I Annual): N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2229.
  5. Hunninghake, G.W.: N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2285.