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Kolonkarzinom: Dauer der adjuvanten Chemotherapie

Zusammenfassung: In einer prospektiv gepoolten Analyse von 6 randomisierten kontrollierten Studien bei Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III konnte in der Gesamtpopulation die Nicht-Unterlegenheit einer 3-monatigen vs. 6-monatigen adjuvanten Chemotherapie nach dem FOLFOX- oder CAPOX-Schema für das krankheitsfreie Überleben nicht gezeigt werden. Das zuvor definierte Kriterium der Nicht-Unterlegenheit erfüllten in explorativen Analysen jedoch Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko (drei oder weniger befallene Lymphknoten, keine Tumorpenetration in das viszerale Peritoneum oder benachbarte Organe). Die Verkürzung der Therapie reduzierte die Toxizität, vor allem die Neurotoxizität. Patienten mit einem hohen Rezidivrisiko sollten weiterhin über 6 Monate behandelt werden. Bei Patienten mit einem niedrigen Risiko kann angesichts der verringerten Toxizität eine kürzere Behandlung über 3 Monate erwogen werden.

Bei Patienten mit vollständig (R0-) reseziertem Kolonkarzinom verfolgt eine postoperative (adjuvante) Chemotherapie das Ziel, Mikrometastasen zu eliminieren. Voraussetzung für die Entscheidung zur adjuvanten Therapie ist die pathohistologische Stadienbestimmung (1), insbesondere des pN-Status (Zahl der befallenen Lymphknoten), die anhand der Untersuchung von 12 oder mehr regionären Lymphknoten erfolgen sollte. Für Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III (mit Lymphknotenmetastasierung) wurde bereits im Jahr 1990 in einer konsentierten Stellungnahme des National Cancer Institute in den USA die Empfehlung für eine adjuvante Chemotherapie ausgesprochen (2). Seitdem konnte in zahlreichen randomisierten kontrollierten Studien (RCT) ein signifikanter Überlebensvorteil durch eine adjuvante Chemotherapie nachgewiesen werden. Dagegen wird der Nutzen bei Patienten im Stadium II (ohne Lymphknotenmetastasierung) weiterhin kontrovers diskutiert (1).

Basis der adjuvanten Chemotherapie ist 5-Fluorouracil (5-FU) in Kombination mit Folinsäure, das bei unter 70-jährigen Patienten in Kombination mit Oxaliplatin eingesetzt werden sollte (1). Als Therapieschemata empfohlen werden eine Kombination aus 5-FU/Folinsäure/Oxaliplatin (FOLFOX), die es in verschiedenen Varianten gibt, und CAPOX, in dem 5-FU/Folinsäure durch das oral verfügbare Prodrug Capecitabin ersetzt wird. Monoklonale Antikörper (z.B. Bevacizumab) oder Irinotecan sollen in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinoms nicht eingesetzt werden (1). Die Gabe von Oxaliplatin zusätzlich zu 5-FU und Folinsäure hat zu einem verbesserten Gesamtüberleben geführt (1; vgl. 3). Als wichtige neurologische Nebenwirkung von Oxaliplatin tritt allerdings bei bis zu 95% aller behandelten Patienten eine periphere Neuropathie auf, die durch Dysästhesien und/oder Parästhesien der Extremitäten charakterisiert ist und bei einigen Patienten noch lange nach Ende der Behandlung anhält (4). Die Schwere und Dauer der Neuropathie ist vor allem abhängig von der kumulativ applizierten Dosis von Oxaliplatin.

Um die optimale Dauer der adjuvanten Chemotherapie bei Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III zu untersuchen, wurde 2006 eine internationale, aus Klinikern und Statistikern bestehende Arbeitsgruppe etabliert – die „International Duration Evaluation of Adjuvant Therapy (IDEA) collaboration“ (3). Ziel dieser Arbeitsgruppe war es, durch eine gepoolte Analyse von 6 randomisierten Phase-III-Studien mit Patienten im Stadium III eines Kolonkarzinoms, die Nicht-Unterlegenheit einer 3-monatigen vs. 6-monatigen adjuvanten Chemotherapie entsprechend dem FOLFOX- oder CAPOX-Schema zu zeigen (3). Die Studie wurde ausschließlich durch öffentliche Gelder des National Cancer Institute und Institutionen anderer Länder finanziert.

Der primäre Endpunkt der Analyse war das krankheitsfreie Überleben (Disease free survival = DFS) nach 3 Jahren – definiert als Zeitraum von der Diagnose bis zum Auftreten des ersten Rezidivs, Diagnose eines sekundären kolorektalen Karzinoms oder Tod (unabhängig von der Ursache). Als Nicht-Unterlegenheit wurde festgelegt, dass die obere Grenze des 95%-Konfidenzintervalls (CI) der Hazard Ratio (HR) 1,12 nicht übersteigt. An den 6 Studien nahmen insgesamt 12.834 Patienten in 12 Ländern Europas, Asiens und Nordamerikas teil, die randomisiert über 3 oder 6 Monate behandelt wurden. Das durchschnittliche Alter der Patienten lag bei 64 Jahren, 56% waren Männer. Die mediane Nachbeobachtung betrug 41,8 Monate. Ungefähr 40% der Patienten erhielten CAPOX.

In der Gesamtgruppe der Patienten war die Rate des DFS nach der 3-monatigen Chemotherapie fast identisch mit der nach 6-monatiger Chemotherapie (74,6% vs. 75,5%; HR: 1,07; CI: 1,00-1,15). Die Nicht-Unterlegenheit der kürzeren Chemotherapie konnte für die Gesamtpopulation dennoch nicht gezeigt werden. Geplante Subgruppenanalysen ergaben eine Nicht-Unterlegenheit der 3-monatigen Chemotherapie für das CAPOX-Schema (HR: 0,95; CI: 0,85-1,06), aber nicht für das FOLFOX-Schema (HR: 1,16; CI: 1,06-1,26). Dieses Ergebnis kam für die Autoren unerwartet. Da keine Randomisierung hinsichtlich der beiden Therapieschemata (FOLFOX vs. CAPOX) erfolgte, kann jedoch nicht sicher beurteilt werden, ob eine dieser beiden Behandlungen überlegen ist.

In einer explorativen Analyse beider Schemata bei Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko (T1-3, N1-Stadium) war die 3-monatige Therapie der 6-monatigen Therapie nicht unterlegen (DFS: 83,1% vs. 83,3%; HR: 1,01; CI: 0,90-1,12). Bei Patienten mit weiter fortgeschrittenen Karzinomen (T4 und/oder N2) war die längere Therapie signifikant überlegen (DFS: 64,4% vs. 62,7%; HR: 1,12; CI: 1,03-1,23; p = 0,01 für Überlegenheit).

Unabhängig vom Therapieschema kam es unter der längeren Chemotherapie erwartungsgemäß häufiger zu Nebenwirkungen. In einem begleitenden Editorial betont R.L. Schilsky, dass eine klinisch relevante Neurotoxizität nach 6 Monaten Therapie bei 45% der Patienten auftrat, dagegen nur bei 15% nach 3 Monaten (5). Auch andere Nebenwirkungen, darunter Diarrhö, Neutropenie, Thrombozytopenie, Übelkeit, Mukositis und das Hand-Fuß-Syndrom wurden unter der kürzeren Therapie seltener dokumentiert. Eine weitere Optimierung der adjuvanten Chemotherapie erfordert aus Sicht von R.L. Schilsky neben besseren Markern für die Voraussage des Rezidivrisikos vor allem wirksamere und weniger toxische Chemotherapien (5).

Die Analyse der IDEA Arbeitsgruppe hat einige Einschränkungen: So gab es beispielsweise in den analysierten, recht heterogenen Studien kein standardisiertes Procedere zur Nachbeobachtung. Auch wurde nicht geprüft, wie sich eine Beendigung von Oxaliplatin nach 3 Monaten bei Fortführung der Fluoropyrimidin-Therapie auswirkt – ein in der adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms häufig praktiziertes Vorgehen. Daten zum Gesamtüberleben liegen noch nicht vor.

Literatur

  1. http://www.awmf.org/… Link zur Quelle
  2. NIH consensus conference: JAMA 1990, 264, 1444. Link zur Quelle
  3. Grothey, A., et al.: N. Engl. J. Med. 2018, 378, 1177. Link zur Quelle
  4. Fresenius Kabi: Fachinformation Oxaliplatin Kabi 5 mg/ml. Stand Februar 2017.
  5. Schilsky, R.L.: N. Engl. J. Med. 2018, 378, 1242. Link zur Quelle