Artikel herunterladen

Albumininfusionen sind bei dekompensierter Leberzirrhose und unkompliziertem Ascites hilfreich

In Europa sterben jährlich etwa 170.000 Menschen an den Folgen einer Leberzirrhose (1). Ascites, gastrointestinale Blutungen aus Ösophagusvarizen, hepatische Enzephalopathie und Ikterus sind die typischen Symptome einer dekompensierten Leberzirrhose. Das mediane Überleben in diesem Krankheitsstadium beträgt ca. 2 Jahre. In dieser Zeit kommt es immer wieder zu kostenintensiven stationären Aufenthalten (2), häufigen Komplikationen wie spontan bakterieller Peritonitis oder hepatorenalem Syndrom, und die Lebensqualität ist stark eingeschränkt. Wiederholte Ascitespunktionen sind eine rein symptomatische Therapie und bringen den Patienten meistens nur eine vorübergehende körperliche Entlastung.

Pathogenetisch führt bei Leberzirrhose eine periphere Vasodilatation und eine intravasale Hypovolämie zu einer hormonal gesteuerten renalen Natrium- und Wasserrückresorption, die die Ascitesbildung unterhält (3). In der Vergangenheit wurde durch eine intravenöse Substitution von Humanalbumin (HA) immer wieder versucht, den kolloidosmotischen Druck im Serum zu erhöhen, um die Ascitesbildung zu vermindern bzw. hinauszuzögern. Jedoch ist ein nachhaltiger Effekt von Albumininfusionen auf die Ascitesbildung bisher nicht überzeugend belegt (4). So verringerte eine Substitution von 25 g HA/Woche über ein Jahr, gefolgt von 25 g/2 Wochen über 2 Jahre, jeweils in Kombination mit einer diuretischen Therapie, unter Studienbedingungen zwar die Ascitesmenge und die Notwendigkeit stationärer Aufenthalte, verlängerte aber nicht das Überleben (5). Nur in einer kleinen (n = 100) monozentrischen randomisierten, unverblindeten Studie mit einem Beobachtungszeitraum von insgesamt 84 Monaten fand sich nach erstmalig aufgetretenem Aszites unter wiederholten HA-Infusionen ein Überlebensvorteil (6).

In einer multizentrischen, randomisierten, kontrollierten, unverblindeten Studie mit dem Akronym ANSWER wurden jetzt Ergebnisse einer Langzeitsubstitution von HA bei dekompensierter Leberzirrhose mitgeteilt (7). Die Studie wurde von der Italian Medicine Agency finanziert, eine unabhängige Institution, die dem italienischen Gesundheitsministerium unterstellt ist, und angeblich keinen Einfluss auf Studiendesign, Datenanalyse und Auswertung hatte.

Insgesamt wurden 440 Erwachsene mit Leberzirrhose und unkompliziertem Ascites eingeschlossen. Alle erhielten Furosemid ≥ 25 mg/d und einen Aldosteronantagonisten (nicht angegeben welcher, aber wohl Spironolacton ≥ 200 mg/d; Standardtherapie = ST). Die medikamentöse Therapie war seit 4 Tagen zuvor nicht geändert worden. Ausschlusskriterien waren zurückliegende Ascitesrezidive, Implantation eines transjugulär intrahepatisch portosystemischen Shunts (TIPS), Leberzellkarzinom, Lebertransplantation, fortbestehender Alkoholkonsum, extrahepatisches Organversagen oder andere Komplikationen einer Leberzirrhose sowie eine Albuminsubstitution innerhalb der letzten 4 Wochen. In einem 1:1 randomisierten Studiendesign erhielten die Patienten entweder die ST oder ST plus HA. Die Patienten stimmten in demografischen, klinischen und Labordaten weitgehend überein. Es wurden 4 Gruppen gebildet nach den Kriterien Parazentese in den letzten vier Wochen (ja bzw. nein) sowie Serum-Natrium ≤ 135 mmol/l oder ≥ 135 mmol/l. HA wurde in Form von 50 ml einer 20%igen Lösung verabreicht, insgesamt 40 g zweimal wöchentlich in den ersten zwei Wochen, gefolgt von einmal wöchentlich 40 g über insgesamt 18 Monate. Die Patienten wurden einmal wöchentlich körperlich untersucht, einschließlich Laborkontrollen und einer Einschätzung ihrer Lebensqualität nach dem VAS- (Visuelle Analogskala) und EQ-5D-Fragebogen (vgl. 11). Abbruchkriterien waren TIPS, Lebertransplantation sowie die Notwendigkeit von ≥ 3 Parazentesen pro Monat.

Primärer Studienendpunkt war die Gesamtletalität nach 18 Monaten. Sekundäre Endpunkte waren u.a. die Zahl therapeutischer Aszitespunktionen, die kumulative Diuretikadosis, spontanes Auftreten einer bakteriellen Peritonitis, Niereninsuffizienz mit Anstieg des Kreatinins > 1,5 mg/dl, gastrointestinale Blutungen, Lebensqualität, Zahl und Dauer stationärer Aufenthalte.

Ergebnisse: In der Intention-to-treat-Analyse wurden 436 Patienten ausgewertet, 213 mit ST (Kontrollgruppe; 70% Männer; mittleres Alter: 61,4 ± 10,9 Jahre) und 218 mit ST plus HA (Interventionsgruppe; 67% Männer; mittleres Alter: 61,0 ± 11,4 Jahre). Insgesamt 41 Patienten in der Kontroll- bzw. 42 in der Interventionsgruppe beendeten die Nachbeobachtung nicht, so dass letztlich 348 Patienten (172/176) in die Endauswertung eingingen. Die mittlere Serum-Albuminkonzentration stieg durch die HA-Gaben von 3,1 g/dl zu Beginn auf 4 g/dl innerhalb von 1-2 Monaten an (p < 0,0001).

In der Interventionsgruppe starben 38 von 218, in der Kontrollgruppe 46 von 213 Patienten. Das Gesamtüberleben während der 18 Monate war signifikant höher in der Interventionsgruppe (Kaplan-Meier-Berechnung: 77% versus 66% (p = 0,028). Dies entspricht einer Reduktion der Letalitäts-Hazard-Ratio von 38% (HR: 0,62; CI: 0,40-0,95).

In einer multivariaten Analyse ergab sich, dass höheres Lebensalter, eine Leberzirrhose viraler Genese, ein hohes Child-Pugh-Stadium (vgl. 9) und ein hoher End-stage Liver Disease Score (= MELD; vgl. 10), der eine Hyponatriämie mitberücksichtigt, unabhängige Prädiktoren für die Gesamtletalität waren. Die HA-Substitution war der einzige unabhängige protektive Faktor hinsichtlich einer Reduktion der Letalität, mit einer NNT von 7, um einen Todesfall über 18 Monate zu verhindern (CI: 5-19). Lebertransplantationen und TIPS-Anlagen waren in beiden Gruppen etwa gleich häufig.

Während der Beobachtungszeit waren unter ST plus HA nur halb so oft Paracentesen erforderlich wie unter ST (HR: 0,48). Im Durchschnitt wurden mit jeder Paracentese etwa 5,5 l (ST) bzw. 5,7 l (ST plus HA) entfernt. Die kumulative Diuretikadosis war in beiden Armen annähernd gleich. Die HA-Gabe senkte die kumulative Inzidenz des Endpunkts „≥ 3 Paracentesen/Monat“ um 67% (HR: 0,33; CI: 0,19-0,58; p < 0,0001). Patienten mit HA-Gaben entwickelten auch seltener eine spontane bakterielle Peritonitis (HR: 0,33; p < 0,001) oder andere Infektionen (HR: 0,70; p 0,005), eine Niereninsuffizienz (HR: 0,50; p < 0,001) oder ein hepatorenales Syndrom Typ 1 (HR: 0,39; p = 0,004). Unter HA waren auch hepatische Enzephalopathien (HR: 0,48; p < 0,001) und Hyponatriämien (< 130 mmol/l) seltener (HR: 0,51; p < 0,001). Gastrointestinale Blutungen aus Ösophagusvarizen, möglicherweise als Folge des erhöhten Blutvolumens waren nicht häufiger. Hämorrhoidalblutungen und Blutungen bei hypertensiver Gastropathie führten – nicht signifikant – häufiger zu stationären Aufenthalten und waren ohne Einfluss auf das Überleben.

Die Lebensqualität wurde nach dem EQ-5D Utility Index ermittelt. Sie blieb im Interventionsarm konstant, während sie in der Kontrollgruppe abfiel. Stationäre Aufnahmen waren im Interventionsarm auch seltener (10,7 versus 19,4; HR: 0,55; p < 0,0001) .

Die Langzeittherapie mit HA ist teuer, und es gibt Lieferschwierigkeiten. Für das Jahr 2018 können die pharmazeutischen Hersteller lt. Qualitätsberichten in der Hämotherapie nur 80% der von den Apotheken angemeldeten Menge HA beliefern. Der höhere finanzielle Aufwand muss gegen eingesparte Kosten durch weniger stationäre Aufenthalte, weniger Komplikationen sowie eine verbesserte Lebensqualität aufgewogen werden. In der soeben erschienenen Leitlinie der European Association for the Study of the Liver (EASL) wurde eine HA-Substitution (8 g pro Liter Ascitespunktat) bei Patienten mit therapierefraktärem Ascites als Therapieempfehlung verankert (8; höchster Evidenzlevel und höchster Empfehlungsgrad).

Fazit: Die Ergebnisse der aktuellen ANSWER-Studie belegen Vorteile einer Langzeittherapie mit Humanalbumin-Infusionen bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose. Sie reduzieren Komplikationen und verlängern das Leben.

Literatur

  1. Blachier, M., et al.: J. Hepatol. 2013, 58, 593. Link zur Quelle
  2. D’Amigo, G., et al.: J. Hepatol. 2006, 44, 217. Link zur Quelle
  3. Schrier, R.W., et al.: Hepatology 1988, 8, 1151. Link zur Quelle
  4. Wilkinson, P., und Sherlock, S.: Lancet 1962, 2, 1125. Link zur Quelle
  5. Gentilini, P., et al.: J. Hepatol. 1999, 30, 639. Link zur Quelle
  6. Romanelli, R.G., et al.: World J. Gastroenterol. 2006, 12, 1403. Link zur Quelle
  7. Caraceni, P., et al. (ANSWER = Albumin for the treatmeNt of aScites in patients With hEpatic ciRrhosis): Lancet 2018, 391, 2417. Link zur Quelle
  8. EASL Panel: J. Hepatol. 2018, 69, 406. Link zur Quelle
  9. https://www.mdcalc.com/child-pugh-score-cirrhosis-mortality Link zur Quelle
  10. https://www.mayoclinic.org/ medical-professionals/model-end- stage-liver-disease Link zur Quelle
  11. https://euroqol.org/… Link zur Quelle