In einer früheren Ausgabe haben wir über einen günstigen Einfluß von Azetylsalizylsäure (ASS) auf den Verlauf der Präeklampsie berichtet (AMB 1993, 27, 41). In späteren Untersuchungen (CLASP-Studie: Lancet 1994, 343, 619; s.a. AMB 1994, 28, 94) erwies sich ASS bei Präeklampsie jedoch weniger wirksam als zunächst erwartet. Bei der Präeklampsie kommt es zu ausgedehnten Schäden der Gefäßendothelien mit verminderter Produktion vasodilatierender Prostaglandine und vermehrter Aktivierung von Thrombozyten, die das vasokonstriktive Thromboxan A2 sowie Serotonin ausschütten. Der Effekt von Thromboxan läßt sich durch ASS verhindern, nicht jedoch der vasokonstriktive Effekt von Serotonin, vermittelt durch vaskuläre Serotonin-2-Rezeptoren. Vor diesem Hintergrund führten D.W. Steyn und H.J. Odendaal (Lancet 1997, 350, 1267) aus Südafrika eine Studie an Schwangeren mit relativ hohem Blutdruck (konstant über 80 mm Hg diastolisch) in der 12. bis 20. Schwangerschaftswoche durch. 138 solcher Frauen, die z.T. in früheren Schwangerschaften schon Präeklampsien, Fehlgeburten und Totgeburten erlebt hatten, wurden in eine Studie eingeschlossen, in der die eine Hälfte nur 75 mg ASS/d, die andere Gruppe ASS plus Ketanserin einnahmen. Ketanserin (20 bis 40 mg/d) ist ein Serotonin-2-Rezeptor-Antagonist mit zusätzlicher Alpha-1-Rezeptor-blockierender Wirkung.
Endpunkte dieser Untersuchung waren die Zahl der Patientinnen, die eine Präeklampsie entwickelten (diastolischer Blutdruck ständig über 90 mm Hg plus Proteinurie über 300 mg/d) sowie der perinatale Fruchttod.
Das Ergebnis der Studie ist ermutigend. Von den 69 nur mit ASS behandelten Frauen entwickelten 13 eine Präeklampsie, und 6 verloren ihre Kinder. Von den 69 Frauen, die ASS plus Ketanserin nahmen, entwickelten nur 2 eine Präeklampsie, und nur einmal kam es zum perinatalen Fruchttod. Da Ketanserin auch bei Nichtschwangeren als Antihypertensivum eingesetzt werden kann, bleibt es unklar; ob die günstige Wirkung von Ketanserin auf den antihypertensiven Effekt oder auf den Serotonin-2-Rezeptor-Antagonismus im Kapillarendothel zurückzuführen ist. Ketanserin, ein Produkt der belgischen Firma Janssen, ist in Deutschland noch nicht im Handel.
Fazit: Die Verhinderung einer Präeklampsie bei hierzu prädestinierten Frauen ist bisher nicht sicher möglich. Die prophylaktische Behandlung von Frauen mit relativ hohem diastolischem Blutdruck vor der 20. Schwangerschaftswoche mit ASS plus Ketanserin zeigte in dieser Studie zur Verhinderung der Präeklampsie und des perinatalen Fruchttodes eine signifikante Wirksamkeit.