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Acetylsalicylsäure oder niedermolekulares Heparin zur Prophylaxe von Thrombosen nach Frakturen im Bereich der Extremitäten? [CME]

Lungenarterienembolien sind ein bekanntes Risiko nach Traumen, speziell auch nach Frakturen [1], [2], [3], [4]. Derzeit wird die Injektion von niedermolekularem Heparin als Thromboseprophylaxe bei Patienten nach Frakturen empfohlen, besonders, um tödliche Embolien zu verhindern [5], [6], [7], [8]. Es gibt jedoch keine Studien zur prophylaktischen Wirksamkeit im direkten Vergleich von Heparin mit Acetylsalicylsäure (ASS), das preisgünstiger und zudem oral einzunehmen ist. Nach neueren Studien und Metaanalysen gibt es Hinweise, dass auch ASS als Thromboseprophylaxe bei Patienten, die einen Gelenkersatz erhalten haben, geeignet sein könnte [9], [10], [11], [12]. Eine größere Studie mit direktem Vergleich gab es bisher nicht. Nun wurde eine solche Studie vorgelegt mit dem Akronym PREVENT CLOT [13].

Methodik: In diese pragmatische, multizentrische, randomisierte Nichtunterlegenheits-Studie (13) wurden an 21 Traumazentren in den USA Patienten eingeschlossen, die älter als 18 Jahre waren, eine Fraktur einer Extremität bzw. der Schulter erlitten hatten und deshalb operiert werden mussten, sowie Patienten mit Beckenfraktur bzw. Fraktur des Acetabulums, die primär konservativ behandelt wurden. Die Patienten wurden randomisiert in eine Gruppe mit niedermolekularem Heparin (NH; meist Enoxaparin 30 mg subkutan zweimal/d) und in eine Gruppe mit zweimal 81 mg ASS oral, also Dosierungen, die bei uns unüblich sind. Die Risiken für Embolien waren in beiden Gruppen in etwa gleich. Die Therapie wurde nach dem Eingriff begonnen und bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus in gleicher Weise fortgeführt. Nach der Entlassung wurde die Therapie je nach Protokoll des jeweiligen Krankenhauses fortgeführt. Der primäre Endpunkt der Studie war Tod jedweder Ursache nach 90 Tagen. Sekundäre Endpunkte waren nicht-tödliche Lungenarterienembolien, tiefe Beinvenenthrombosen und Blutungskomplikationen. Die Studie wurde mit staatlichen Mitteln gefördert („Patient-Centered Outcomes Research Institute award“).

Ergebnisse: Insgesamt wurden 12.211 Patienten (62% Männer) in die Studie eingeschlossen; davon erhielten 6.101 ASS und 6.110 NH. Die Patienten waren im Median 44,6 ± 17,8 Jahre alt; 0,7% hatten in der Vorgeschichte eine Thromboembolie und 2,5% eine Krebserkrankung. Im Median erhielten die Patienten die Thromboseprophylaxe 8,8 ± 10,6 Tage im Krankenhaus und im Median noch weitere 21 Tage nach Entlassung. Todesfälle innerhalb von 90 Tagen nach dem Eingriff gab es 47 (0,78%) in der ASS-Gruppe und 45 (0,73%) in der NH-Gruppe (Differenz: 0,05 Prozentpunkte; 96,2%-Konfidenzintervall = CI: -0,27 bis 0,38; p < 0,001 für die Nichtunterlegenheitsgrenze von 0,75 Prozentpunkten). Tiefe Beinvenenthrombosen traten (nach „intention to treat“) mit ASS bei 151 und mit NH bei 103 Teilnehmern auf. Die absolute Risikodifferenz betrug 0,8% (2,51% vs. 1,71%; CI: 0,28-1,31). Die Inzidenz der Lungenarterienembolie betrug 1,49%, je 90 Ereignisse in beiden Gruppen. Die mediane Dauer bis zum Eintreten der Lungenembolie betrug 7 Tage nach der Intervention.

Blutungsereignisse wurden in beiden Armen gleich häufig beobachtet. Die 90-Tage Wahrscheinlichkeit für eine Blutung betrug 13,72 und 14,27% (Differenz -0,54%; CI: -1,78 bis 0,69). Schwere Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.

In dem begleitenden Kommentar zu diesem Artikel wird die Studie gelobt und erwähnt, dass nun die Leitlinien überarbeitet werden müssten [14]. Zu den etwas häufigeren tiefen Beinvenenthrombosen unter ASS wird bemerkt, dass diese meist kein schwerwiegendes Problem sind, aber dass daraus postthrombotische Syndrome mit Schwellungen und Schmerzen entstehen können. Trotzdem sieht der Kommentator anhand der Ergebnisse wegen einfacherer Einnahme und niedrigerer Behandlungskosten einen Vorteil für die Thromboseprophylaxe mit ASS in dieser Indikation [14].

Fazit

Jüngere Patienten, die wegen einer Fraktur im Bereich der Extremitäten operativ versorgt werden mussten oder mit Becken- oder Acetabulumfraktur erhielten eine Thromboseprophylaxe im Krankenhaus entweder mit niedermolekularem Heparin (subkutan zweimal täglich) oder ASS (oral zweimal täglich). Unter Weiterführung einer Thromboseprophylaxe nach Standard des jeweiligen Krankenhauses zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von Todesfällen oder Lungenarterienembolien nach 90 Tagen.

Literatur

  1. Barrera, L.M., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2013, 3, CD008303. (Link zur Quelle)
  2. Geerts, W.H., et al.: N .Engl. J. Med. 1994, 331, 1601. (Link zur Quelle)
  3. Knudson, M.M., et al.: Ann. Surg. 2004, 240, 490. (Link zur Quelle)
  4. Haut, E.R., et al. (NTDB = National Trauma Data Bank): J. Trauma 2009, 66, 994. (Link zur Quelle)
  5. Falck-Ytter, Y., et al.: Chest 2012, 141 (2Suppl.), e278S. (Link zur Quelle)
  6. Sagi, H.C., et al.: J. Orthop. Trauma 2015, 29, e355. n (Link zur Quelle)
  7. Rogers, F.B., et al. (EAST = Eastern Association for the Surgery of Trauma): J. Trauma 2002, 53, 142. (Link zur Quelle)
  8. Guyatt, G.H., et al.: Chest 2012, 141 Suppl., 7S. (Link zur Quelle)
  9. Anderson, D.R., et al. (EPCAT II = Extended venous thromboembolism Prophylaxis Comparing rivaroxaban to Aspirin following Total hip and knee arthroplasty): N. Engl. J. Med. 2018, 378, 699. (Link zur Quelle)
  10. Anderson, D.R., et al.: Ann. Intern. Med. 2013, 158, 800. (Link zur Quelle)
  11. Pulmonary Embolism Prevention (PEP) trial: Lancet 2000, 355, 1295. (Link zur Quelle)
  12. Drescher, F.S., et al.: J. Hosp. Med. 2014, 9, 579. (Link zur Quelle)
  13. Major Extremity Trauma Research Consortium = METRC (PREVENT CLOT = PREVENTion of CLot in Orthopaedic Trauma): N. Engl. J. Med. 2023, 388, 203. (Link zur Quelle)
  14. Costa, M.: N. Engl. J. Med. 2023, 388, 274. (Link zur Quelle)