Thionamide (Thiamazol, Carbimazol, Propylthiouracil) sind seit Jahrzehnten die wichtigsten Medikamente zur Behandlung der Hyperthyreose. Bei Hyperthyreose durch ein autonomes Schilddrüsen-Adenom oder eine multifokale Autonomie sollte a priori oder nach einer Kurzzeitbehandlung mit Thyreostatika eine Radiojodtherapie (RJX) durchgeführt werden. Bei Basedow-Hyperthyreose infolge einer Stimulierung der Schilddrüse durch TSH-Rezeptor-Antikörper (immunogene Hyperthyreose) wird in Deutschland meist zunächst für mehrere Monate mit Thionamiden behandelt. Rezidiviert oder persistiert die Hyperthyreose nach einem oder zwei Behandlungszyklen, dann wird den Patienten meist eine „definitive” Therapie (Strumektomie bei deutlich vergrößerter Schilddrüse oder RJX bei kleiner oder vergrößerter Schilddrüse) empfohlen.
Vor einer RJX sollte bei schwerer Hyperthyreose grundsätzlich mit Thyreostatika behandelt werden, da die RJX erst verzögert wirkt. Die Frage, ob eine bis unmittelbar vor und nach RJX durchgeführte thyreostatische Therapie deren Ergebnis infrage stellt, konnte bisher nicht klar beantwortet werden.
Mit einem systematischen Review versuchten M.A. Walter et al. aus Basel (Schweiz) und anderen Zentren in verschiedenen Ländern (1) die Frage zu klären, ob eine thyreostatische Therapie in den beiden Wochen vor und nach RJX deren Ergebnis beeinflusst. Im Schrifttum von 1952 bis 2006 wurden 14 Studien gefunden, in denen RJX-Ergebnisse bei Hyperthyreose-Patienten mit und ohne Thionamid-Therapie in dem genannten Zeitraum verglichen worden waren. Neun Studien betrafen nur Patienten mit immunogener Hyperthyreose (Morbus Basedow), während in fünf Studien offenbar auch Patienten mit Schilddrüsen-Autonomie eingeschlossen worden waren. Die Beobachtungszeit nach RJX musste mindestens sechs Monate betragen. Die applizierten RJ-Dosen bewegten sich zwischen 158 und 585 Mega-Bequerel (MBq). In einigen Studien wurde die RJ-Dosis dem zuvor getesteten RJ-Uptake der Schilddrüse angepasst, in anderen nicht.
Insgesamt ergab sich eine etwas reduzierte Erfolgsrate der RJX (Beseitigung der Hyperthyreose), wenn die Patienten vor, während oder nach der RJX Thyreostatika eingenommen hatten. Auf der anderen Seite war das Risiko der mit Thyreostatika vor, während oder nach RJX behandelten Patienten, im jeweiligen Beobachtungszeitraum eine Hypothyreose zu entwickeln, im Vergleich mit nicht behandelten deutlich reduziert. Es versteht sich von selbst, dass die Aussagen zur Schilddrüsenfunktion erst längere Zeit nach Absetzen der Thyreostatika möglich waren. Bei mit Thyreostatika weiter behandelten Patienten stiegen unmittelbar nach der RJX die Schilddrüsenhormone im Blut weniger stark an, und etwas seltener als ohne Therapie trat neues Vorhofflimmern bei diesen Patienten auf. Eine unterschiedliche Bewertung der thyreostatischen Therapie mit Thiamazol oder Propylthiouracil oder einer RJX mit fester oder dem RJ-Uptake der Schilddrüse angepasster RJ-Dosierung ergab sich in dieser Studie nicht.
Aus den Befunden können folgende Empfehlungen abgeleitet werden: Patienten mit einer klinisch ausgeprägten Hyperthyreose, besonders ältere Patienten mit kardialen Problemen, sollten vor einer geplanten RJX durch Thyreostatika euthyreot oder nahezu euthyreot gemacht werden. In der Woche vor und nach Applikation der RJX sollte, wenn klinisch vertretbar, die thyreostatische Therapie ausgesetzt werden. Danach kann sie, wenn erforderlich, wieder begonnen werden bis die Patienten euthyreot sind. Bei Patienten nach RJX müssen über mehrere Jahre die Schilddrüsenhormone und das TSH gemessen werden, da auch noch mehrere Jahre nach RJX eine substitutionsbedürftige Hypothyreose eintreten kann. Insofern wurde in dem hier besprochenen Review-Artikel die Zahl der Hypothyreosen nach RJX in allen Behandlungsgruppen sicher unterschätzt, da auch Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von nur sechs Monaten eingeschlossen wurden.
Fazit: Die thyreostatische Behandlung einer Hyperthyreose unmittelbar vor, während und nach einer Radiojodtherapie (RJX) mit Thionamiden reduziert etwas den Erfolg der RJX, führt aber auch zu einer geringeren Rate früher Hypothyreosen nach RJX. Wenn klinisch vertretbar, sollte eine thyreostatische Therapie eine Woche vor der geplanten RJX unterbrochen und, wenn nötig, erst eine Woche nach RJX wieder aufgenommen werden.
Literatur
- Walter, M.A., et al.: BMJ 2007, 334, 514. Link zur Quelle