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Der klinische Stellenwert von Rituximab in der Behandlung der Chronischen lymphatischen Leukämie der B-Zell-Reihe

Rituximab (MabThera®) ist ein unkonjugierter, chimärer, gegen das auf B-Lymphozyten exprimierte CD20-Antigen gerichteter monoklonaler Antikörper (1). Er ist bisher ausschließlich in unkontrollierten klinischen Studien bei Patienten mit Chronischer lymphatischer Leukämie der B-Zell-Reihe (B-CLL) untersucht worden. Die Therapieergebnisse mit einer Rituximab-Monotherapie bei Patienten mit resistenter bzw. rezidivierter B-CLL waren enttäuschend (Ansprechraten < 20%). Eine eindeutige Korrelation zwischen Abnahme der zirkulierenden Leukämiezellen nach Gabe des Antikörpers und Besserung klinischer Symptome bzw. Rückgang von Lymphadenopathie und/oder Splenomegalie war häufig nicht feststellbar (2, 3). Diese Ergebnisse konnten durch Dosiseskalation bzw. häufigere Gabe von Rituximab etwas verbessert werden (4, 5). Grund für die unbefriedigende Wirksamkeit von Rituximab in der Monotherapie der B-CLL ist insbesondere die im Vergleich zu anderen reifen B-Zell-Neoplasien schwache Expression von CD20 auf den Leukämiezellen und die daraus resultierende verminderte Komplement-abhängige Zytotoxizität, ein wichtiger Wirkungsmechanismus von Rituximab (6).

Inzwischen liegen auch Phase-II-Studien bei unbehandelten Patienten mit B-CLL im Stadium Rai III/IV bzw. I/II und Zeichen für Krankheitsprogress vor, in denen Wirksamkeit und Toxizität einer gleichzeitigen Gabe von Fludarabin (Fludara®) plus Rituximab bzw. einer sequentiellen Gabe von Fludarabin gefolgt von Rituximab untersucht wurden (7, 8). In diesen Studien konnten bessere Ansprechraten als nach der Monotherapie mit Rituximab bei vorbehandelten Patienten gezeigt werden, wobei allerdings die Toxizität dieser Therapiestrategien (insbesondere Myelosuppression, Infusions-assoziierte unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Rituximab, opportunistische Infektionen) deutlich höher war als nach Gabe von z.B. Chlorambucil (Leukeran®).

Vergleichende Studien, die die Wirksamkeit einer Kombination von Rituximab plus Purin-Analoga (z.B. Fludarabin oder Cladribin = Leustatin®) mit einer Purin-Analogon-Monotherapie verglichen haben, liegen bis heute leider nicht vor. Vor diesem Hintergrund ist eine kürzlich publizierte retrospektive Auswertung von zwei Studien der „Cancer and Leukemia Group B” (CALGB) von Interesse, in der jeweils in der primären Therapie der B-CLL Wirksamkeit und Toxizität von Fludarabin mit Chlorambucil (CALGB 9011) bzw. von einer gleichzeitigen mit einer sequentiellen Gabe von Fludarabin und Rituximab (CALGB 9712) verglichen wurden (9). Über die Ergebnisse dieser beiden Phase-III- (10) bzw. Phase-II-Studien (8) der CALGB haben wir unsere Leser ausführlich informiert (11, 12). Im Rahmen der retrospektiven Auswertung wurden die Therapieergebnisse von 104 Patienten mit gleichzeitiger bzw. sequentieller Gabe von Fludarabin und Rituximab (CALGB 9712) und 178 Patienten mit Fludarabin-Monotherapie (CALGB 9011) miteinander verglichen. Einschlusskriterien und klinische Merkmale der eingeschlossenen Patienten waren in beiden Studien etwa gleich. Aufgrund der unterschiedlichen Rekrutierungszeitpunkte (CALGB 9011: 1990-1994, CALGB 9712: 1997-1999) ist die mediane Beobachtungsdauer in beiden Studien deutlich unterschiedlich und deshalb derzeit nur ein Vergleich des progressfreien Überlebens bzw. Gesamtüberlebens nach zwei Jahren möglich. Insgesamt ergab dieser retrospektive Vergleich eine Überlegenheit von Fludarabin plus gleichzeitiger bzw. sequentieller Gabe von Rituximab hinsichtlich Ansprechraten (84% vs. 63%; p = 0,0003), progressfreiem Überleben (nach zwei Jahren 67% vs. 45%; p = < 0,0001) und Gesamtüberleben (nach zwei Jahren 93% vs. 81%; p = 0,003). Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss unbedingt berücksichtigt werden, dass es sich um einen retrospektiven Vergleich handelt, die mediane Beobachtungsdauer der CALGB-Studie 9712 deutlich kürzer ist als die der CALGB-Studie 9011 und dass zwei unterschiedliche Therapiestrategien (parallele bzw. sequentielle Gabe von Fludarabin und Rituximab) gemeinsam ausgewertet wurden. Neutropenie, Hypotension und Dyspnoe (jeweils Grad 3 oder 4 Toxizität) traten signifikant häufiger bei den mit Fludarabin plus Rituximab behandelten Patienten auf. Hinweise auf Unterschiede hinsichtlich der weiteren hämatologischen Toxizität (Anämie oder Thrombozytopenie) oder infektiöser Komplikationen ergaben sich nicht.

Fazit: Die Wirksamkeit von Rituximab als Monotherapie bei vorbehandelten Patienten mit B-CLL ist gering, wobei möglicherweise durch eine Kombination von Rituximab mit Purin-Analogon (z.B. Fludarabin, Cladribin) bei unbehandelten Patienten mit B-CLL Ansprechrate und progressfreies Überleben verbessert werden können. Der klinische Stellenwert von Rituximab in der Behandlung der B-CLL muss zunächst in Phase-III-Studien (z.B. Purin-Analogon ± Rituximab) bestätigt werden. Im Rahmen zukünftiger randomisierter klinischer Studien sollten die Ansprechraten mit den heute bekannten molekularen Risikofaktoren bei B-CLL (z.B. Mutationsstatus der Immunglobulin-Schwerketten-Gene, ZAP 70 Proteinexpression, Dysfunktion von p53; 13) korreliert werden, um Patientenuntergruppen mit gutem Ansprechen auf diese sehr teure Kombinationstherapie zu identifizieren. Eine Gabe von Rituximab außerhalb klinischer Studien (Off-Label-Use) halten wir derzeit für nicht gerechtfertigt.

Literatur

  1. AMB 2002, 36, 33.
  2. Nguyen, D.T., et al.: Eur. J. Haematol. 1999, 62, 76.
  3. Huhn, D., et al.: Blood 2001, 98, 1326.
  4. O’Brien, S.M., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 2165.
  5. Byrd, J.C., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 2153.
  6. Golay, J., et al.: Blood 2001, 98, 3383.
  7. Schulz, H., et al.: Blood 2002, 100, 3115.
  8. Byrd, J.C., et al. (CALGB 9712 = Cancer And Leukemia Group B 9712): Blood 2003, 101, 6.
  9. Byrd, J.C., et al. (CALGB 9712 and 9011 = Cancer And Leukemia Group B 9712 and 9011): Blood 2005, 105, 49.
  10. Rai, K.R., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1750.
  11. AMB 2001, 35, 14.
  12. AMB 2003, 37, 22a.
  13. Chiorazzi, N., et al.: N. Engl. J. Med. 2005, 352, 804.