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Osteonekrosen im Kiefer nach hoch dosierter Langzeittherapie mit Bisphosphonaten bei Tumor-Patienten

Seitdem stickstoffhaltige Bisphosphonate (BP), besonders Pamidronat und Zoledronat (Aclasta®, Zometa®), oft über einige Jahre intravenös zur Wachstumshemmung von Knochenmetastasen (z.B. bei Mammakarzinom) oder Knochenherden beim Multiplen Myelom eingesetzt werden, wird zunehmend über Osteonekrosen des Unter- und Oberkiefers berichtet. Dieses erstmals im Jahre 2003 beobachtete Krankheitsbild (1-3) wurde kürzlich im N. Engl. J. Med. sehr kompetent von J. P. Belezikian aus New York (4) zusammengefasst. Die Osteonekrosen gehen oft von Alveolen schadhafter Zähne aus oder treten nach Zahnbehandlungen auf, z.B. Extraktionen oder Zahn-Implantationen. Schlechte Mund- und Zahnpflege und lokale Infektionen scheinen das Risiko zu erhöhen. Die Nekrosen haben eine geringe Heilungstendenz. Man vermutet, dass eine starke Hemmung der Osteoklasten und eine Hemmung der Angiogenese im Knochen durch die BP pathogenetisch von Bedeutung sind. Da solche Osteonekrosen vor der BP-Ära fast unbekannt waren und fast alle Patienten mit diesen schlecht therapierbaren Läsionen, wie oben erwähnt, hoch dosiert mit stickstoffhaltigen BP vorbehandelt waren, ist die Verursachung durch diese Medikamente nahezu gesichert. Eine niedrig dosierte Langzeit-Therapie mit BP bei Patienten mit Osteoporose oder mit Morbus Paget des Knochens führt nur extrem selten zu dieser Komplikation. Während die Inzidenz der Osteonekrosen bei Tumorpatienten mit 1,3-7% angegeben wird, schätzt Belezikian die Inzidenz bei Osteoporose-Patienten auf einen Fall pro 100000 Behandelte (4).

Zahnärzte lehnen in den USA heute angeblich schon oft die Behandlung von Tumorpatienten ab, die eine hoch dosierte BP-Therapie erhalten. Ob eine Therapiepause wegen einer notwendig werdenden Zahnbehandlung das Risiko für die Entstehung von Osteonekrosen verringert, ist fraglich, da die BP eine extrem lange Verweildauer im Knochen haben.

Patienten, die eine Langzeittherapie mit hoch dosierten BP erhalten sollen, müssen über diese mögliche Komplikation aufgeklärt werden. Ihnen soll empfohlen werden, vor Therapiebeginn die Zähne sanieren zu lassen. Die Behandlung der Osteonekrosen soll möglichst konservativ erfolgen. Manchmal sind jedoch eine weitgehende chirurgische Ausräumung der Nekrosen und die Deckung des Defekts mit Gingiva unter antibiotischer Behandlung erforderlich. Zur vertiefenden Lektüre verweisen wir auf eine weitere Publikation zu diesem Thema (5).

Um die Pharmako-Epidemiologie dieses Krankheitsbilds besser beschreiben und verstehen zu können, wurde in Berlin ein deutsches Osteonekrose-Register (private Elsbeth-Bonhoff-Stiftung) eröffnet, in das bereits mehr als 350 Patienten aufgenommen wurden. Weitere Meldungen sind dringend erwünscht, auch solche, bei denen BP möglicherweise keine ursächliche Rolle spielen. Die einfachen Fragebögen zur primären Datenerhebung können von folgender Adresse angefordert werden: Charité (Universitätsmedizin Berlin), Campus Benjamin Franklin, Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (Prof. Dr. Felsenberg), Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin, Tel. 030-8445-3046, E-Mail: dieter.felsenberg@charite.de.

Fazit: Eine hoch dosierte Langzeittherapie mit N-haltigen Bisphosphonaten (BP), wie Pamidronat und Zoledronat, führt bei Tumorpatienten nicht selten zu Osteonekrosen des Unter- und Oberkiefers. Auslösend sind oft Infektionen oder Zahnbehandlungen unter BP-Therapie. Vor hoch dosierter BP-Therapie sollen die Zähne möglichst saniert werden. Das Risiko einer Osteonekrose ist unter niedrig dosierter BP-Therapie bei Osteoporose- oder Morbus-Paget-Patienten extrem gering. Möglichst alle Fälle von Kiefer-Osteonekrose sollten an die oben angegebene Adresse zwecks Aufnahme in das Register gemeldet werden.

Literatur

  1. Marx, R.E., et al.: J. Oral Maxillofac. Surg. 2005, 63, 1567. Link zur Quelle
  2. Woo, S.B., et al.: Ann. Intern. Med. 2006, 144, 753. Link zur Quelle Erratum: ibidem 2006, 145, 235.
  3. Shane, E., et al.: J. Bone Miner. Res. 2006, 21, 1503. Link zur Quelle
  4. Belezikian, J.P.: N. Engl. J. Med. 2006, 355, 2278. Link zur Quelle
  5. Dunstan, C.R., et al.: Nat. Clin. Pract. Oncol. 2007, 4, 42. Link zur Quelle