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Verhindern Probiotika Allergien?

Es wird derzeit diskutiert, ob die große Zahl atopischer Erkrankungen in den hochentwickelten Ländern darauf beruht, daß es bei Kindern durch hohe Hygienestandards und wegen kleinerer Familien zu weniger Infektionserkrankungen kommt und sich deshalb das Immunsystem fehlentwickelt. Eine andere, aber verwandte Hypothese fokusiert auf die immunisierenden Wirkungen der Darmflora. Bestimmte Darm-Mikroben sollen danach wichtige Promotoren antiallergischer Prozesse sein. Die Konfrontation der Immunzellen mit diesen Mikroorganismen trägt zur Stimulation und Entwicklung der Immunantwort bei.

Probiotika sind Kulturen von Bakterien einer gesunden Darmflora. Die Gabe von Probiotika soll eine lokale und systemische antiallergische Wirkung haben. In kleineren Studien wurden Probiotika sowohl in der Therapie als auch in der Prophylaxe allergischer Erkrankungen erfolgreich eingesetzt.

Eine finnische Gruppe untersuchte nun in einer doppeltblinden, randomisierten und plazebokontrollierten Studie an Kleinkindern mit erhöhtem Allergierisiko, ob die frühzeitige Gabe von Probiotika die Entstehung atopischer Erkrankungen verhindern kann (Kalliomäki, M., et al.: Lancet 2001, 357, 1076). Die Studie wurde von den finnischen Gesundheitsbehörden finanziert.

Eingeschlossen wurden 159 Neugeborene bzw. deren Mütter aus der Provinz Turku mit einer auffälligen Familienanamnese für atopische Erkrankungen (Asthma, allergische Rhinitis, atopisches Ekzem bei mindestens einem erstgradig Verwandten). Die werdenden Mütter erhielten ab der 2.-4. Woche vor dem erwarteten Entbindungstermin täglich 2 Kapseln entweder mit Plazebo oder mit Lactobacillus GG (einmal 1010 kolonienbildende Einheiten). Nach der Entbindung nahmen entweder die stillenden Mütter die Kapseln weiter oder der Kapselinhalt wurde den nicht gestillten Kindern mit einem Löffel verabreicht. Insgesamt wurde die Studienmedikation bis 6 Monate nach der Entbindung gegeben. Die Nachbeobachtungszeit betrug 2 Jahre. Der primäre Endpunkt war die Entwicklung eines atopischen Ekzems, sekundäre Endpunkte waren Allergietests und serologische Untersuchungen.

Ergebnisse: 132 von 159 Müttern bzw. Kindern beendeten die 2 Jahre dauernde Studie (83%). Die übrigen Studienteilnehmer erschienen nicht mehr zu den vereinbarten Folgevisiten. Die Geburtscharakteristiken und die mittlere Stilldauer (ca. 7 Monate) waren in beiden Gruppen gleich. Insgesamt wurde nach 2 Jahren die Diagnose atopisches Ekzem bei 30% der Kinder gestellt; 4,5% hatten zugleich ein allergisches Asthma. Die Kinder mit Allergie hatten signifikant höhere Serum-IgE-Spiegel und häufiger positive Haut-Prick-Tests mit gängigen Umwelt-Allergenen.

Ein atopisches Ekzem trat in der Probiotika-Gruppe nur halb so oft auf wie in der Plazebogruppe: 23% vs. 46%. Die Zahl der Kinder, die nach diesen Ergebnissen behandelt werden müßten, um einen Allergiefall zu verhindern, beträgt 4,5 (Number needed to treat). Die Schwere der aufgetretenen Allergien war in beiden Gruppen gleich (SCORAD-Score). Unerwünschte Wirkungen wurden nicht berichtet. Die Autoren verweisen auch darauf, daß die Gabe von Probiotika an Kleinstkinder als sicher anzusehen ist.

Fazit: Es konnte in dieser kleinen Studie gezeigt werden, daß die Gabe probiotischer Bakterienkulturen mit Lactobacillus GG bei Risikokindern die Wahrscheinlichkeit einer atopischen Erkrankung in den ersten beiden Lebensjahren halbiert. Wegen der kleinen Gruppen muß allerdings vor zu großem Optimismus gewarnt werden. Ob der antiallergische Effekt von Lactobacillus GG anhaltend ist, bedarf dringend weiterer Klärung in größeren und länger dauernden Studien.