Nahezu jeder Patient (> 80%) mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) raucht oder hat geraucht. Die Beendigung des Rauchens ist für diese Patienten eine wichtige Möglichkeit, den Verlauf der durch das Rauchen induzierten und unterhaltenen Krankheit positiv zu beeinflussen. Trotzdem schaffen es die meisten COPD-Patienten nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Daher ist eine wesentlich intensivere Unterstützung als die bislang übliche erforderlich.
Auf die verschiedenen Strategien, wie das Nichtrauchen ärztlich und pharmakologisch unterstützt werden kann, sind wir im vergangenen Jahr in einem Übersichtsartikel eingegangen (1). Eines der am stärksten weltweit beworbenen Medikamente zur Raucherentwöhnung ist das Antidepressivum Bupropion (Zyban, auch salopp „Nichtraucherpille“ genannt). In den bislang publizierten und vom Hersteller Glaxo bezahlten Studien konnten entwöhnungswillige Raucher mit einer Kombinationsbehandlung, bestehend aus Nikotinpflaster, Verhaltensinterventionen und Bupropion, Abstinenzraten von 20-30% nach einem Jahr erreichen.
Wir haben bei der Bewertung von Bupropion nicht nur vor zu positiven Erwartungen, sondern auch vor möglichen fatalen kardiovaskulären Komplikationen gewarnt (z.B. QT-Zeit-Verlängerung). Mittlerweile wurden diese Befürchtungen durch mehrere Berichte über unklare Todesfälle im Zusammenhang mit Bupropion-Einnahme genährt (2). Zudem häufen sich als wichtigste unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) die Meldungen über Krampfanfälle (in Großbritannien 5000 Meldungen von UAW, davon 126 Krampfanfälle, in Deutschland 107 Meldungen, davon 11 Krampfanfälle). In einem Rote-Hand-Brief vom 5.6.2001 gibt GlaxoWellcome die Häufigkeit von Krampfanfällen mit 1:1000 an. Um dieses Risiko zu vermindern, sind die Anwendungsbestimmungen jetzt verschärft worden: erst ab dem 7. Einnahmetag darf die Dosis auf zweimal 150 mg/d erhöht werden. Außerdem ist in die Kontraindikationen jetzt der Passus aufgenommen worden: „mit einem derzeitigen Krampfleiden oder jeglicher Anamnese von Krampfanfällen“. Zudem interferieren viele und sehr unterschiedliche Arzneistoffe mit den Plasmaspiegeln bzw. der Verträglichkeit von Bupropion. Ärzte, die Bupropion verordnen, müssen daher nicht nur pharmakologisch gut informiert sein, sondern auch bei diesen Patienten eine genaue Medikamentenanamnese verschreibungspflichtiger und auch frei verkäuflicher Arzneimittel erheben.
Im Lancet findet sich jetzt eine weitere Bupropion-Studie mit entwöhnungswilligen Rauchern und manifester COPD (3). Die Studie wurde multizentrisch in den USA durchgeführt und wieder vom Hersteller GlaxoWellcome unterstützt. Insgesamt 404 Raucher mit nicht exazerbierter COPD wurden über Zeitungsannoncen und Radiospots rekrutiert. Die Probanden erhielten 3 Monate lang die Studienmedikation: zweimal 150 mg Bupropion/d (n = 204) oder Plazebo (n = 200). Die Nachbeobachtungszeit betrug weitere 3 Monate, so daß insgesamt 6 Monate bewertet wurden. In regelmäßigen Visiten mit Befragungen und motivierenden Gesprächen wurde der Entwöhnungserfolg dokumentiert. Außerdem wurde die CO-Konzentration in der Ausatemluft der Probanden zur Kontrolle ihrer Angaben gemessen.
Ergebnisse: Die klinischen Charakteristika beider Gruppen waren gleich und entsprechen den eigenen Erfahrungen. Die Probanden hatten im Mittel 52 Packungsjahre hinter sich, und der mittlere Zigarettenkonsum betrug 28 Stück/d. 77% hatten bereits erfolglose Entwöhnungsversuche hinter sich. 85% hatten eine COPD im Stadium I nach den Kriterien der American Thoracic Society (FEV1: > 50%) und 15% eine COPD im Stadium II (FEV1: 35-50%). Nach 3 Monaten waren noch 315 Probanden in der Studie, nach 6 Monaten nur noch 278. 35% in der Plazebo-Gruppe und 27% in der Verum-Gruppe waren nicht mehr erschienen, oder hatten wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) die Studie abgebrochen.
Der Anteil der Probanden, die 6 Monate lang kontinuierlich abstinent blieben, betrug mit dem Verum 16% und mit Plazebo 9%. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Die schwerer kranken COPD-Patienten (Stadium II) hatten noch weniger Erfolg als die Gesamtgruppe.
UAW traten bei 44% der Probanden mit Bupropion auf (mit Plazebo 30%). Am häufigsten waren Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit. Als einziges schwerwiegendes Ereignis wurde in der Plazebo-Gruppe eine transitorische ischämische Attacke registriert. Von Krampfanfällen wird nicht berichtet.
Die Autoren folgern, daß Bupropion wegen seines „günstigen Sicherheitsprofils“ und wegen seiner positiven Effekte auf die Entzugs- und „Craving“-Symptome ein nützliches Medikament ist zur Entwöhnung von rauchenden Patienten mit COPD. Dies ist ein Urteil, dem man sich an Hand der schon jetzt bekannten UAW so nicht anschließen kann.
Fazit: Die überwiegende Zahl rauchender COPD-Patienten schafft es nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. Mit der „Nichtraucherpille“ Bupropion sind nach 6 Monaten noch 16% der entwöhnungswilligen Patienten abstinent (mit Plazebo immerhin 9%!), und nach einem Jahr werden es sicher noch weniger sein. Bupropion ist also nur für wenige Patienten eine Hilfe. Für die Mehrheit bringt dieses Medikament vor allem UAW (44%) und ist möglicherweise sogar gefährlich. Daher hat die Nikotinersatz- und die Verhaltenstherapie Vorrang.
Literatur
1. X2001, 344, 1711.
2. Dobson, R.: Brit. Med. J. 2001, 322, 452.
3. Tashkin, D.P., et al.: Lancet 2001, 357, 1571.