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Insulin-like growth factor 1 (IGF-l) als mögliche Zusatztherapie beim Typ-1-Diabetes

Ein Problem beim Typ-1-Diabetes, auch bei intensivierter oder Pumpentherapie, ist die Tatsache, daß das Insulin peripher und nicht wie physiologisch in den Portalkreislauf injiziert wird. Dadurch besteht weiterhin intrahepatisch ein Insulinmangel. Hierdurch wird das in der Leber synthetisierte IGF-l vermindert produziert. Der IGF-I-Mangel führt zu einer Enthemmung der Wachstumshormonsekretion, und letzteres trägt zur Insulinresistenz bei. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu meistern, ist die Injektion von rekombinantem IGF-I zusätzlich zu Insulin. C.L. Acerini et al. aus Oxford, London, Linköping und Göteborg (Lancet 1997, 350, 1199) führten bei 53 Patienten mit Typ-1-Diabetes (Alter zwischen 11 und 20 Jahren) eine Studie durch, in der IGF-I zusätzlich zu einer intensivierten Insulintherapie gegeben wurde. Zunächst wurde die Stoffwechselsituation während der intensivierten Insulintherapie (ein- bis zweimal am Tag Protaphan-Insulin, zwei- bis dreimal am Tag Alt-Insulin) evaluiert. Nach einer Initialphase von 4 Wochen Dauer spritzten je 18 Patienten/innen einmal am Tag zusätzlich 20 oder 40 µg/kg IGF-I s.c. 17 Patienten/innen spritzten Plazebo. Die Stoffwechselsituation wurde alle 4 Wochen evaluiert, die Behandlungsdauer betrug 24 Wochen, die Nachbeobachtungszeit 8 Wochen.

Nach zusätzlicher Injektion von 40 µg/kg IGF-l wurde eine signifikante Senkung des HbA1C im Vergleich mit der Plazebo-Gruppe beobachtet, ohne daß die Insulindosis sich änderte. Das Körpergewicht und die Hypoglykämierate änderten sich nicht. Erkennbare Nebenwirkungen traten nicht auf. 8 Wochen nach Beendigung der IGF-I-Therapie war HbA1C wieder auf den Ausgangswert angestiegen.

Dies ist zunächst nur eine experimentelle Studie. Sie wirft jedoch ein Licht auf die unphysiologische Situation bei peripherer Insulininjektion und auf mögliche Wege, den Stoffwechsel von Typ-1-Diabetikern physiologischer zu gestalten. IGF-I hat eine lange Halbwertszeit und braucht nur einmal am Tag injiziert zu werden. Ein anderer Weg der physiologischeren Hormonsubstitution wäre die Applikation des Insulins in den Intraperitonearaum, um es primär via Portalvene durch die Leber zu leiten, ein Behandlungsweg, der z.Z. noch nicht praktisch aktuell ist. Auf die interessanten Wechselwirkungen zwischen Insulin, Wachstumshormon und IGF-I geht auch ein Editorial von N. Möller und H. Örskov im gleichen Heft des Lancet (1997, 350, 1188) ein.

Fazit: Normalerweise wird Insulin in den Portalkreislauf sezerniert, so daß intrahepatisch hohe Insulinkonzentrationen herrschen. Durch die periphere Insulinapplikation kommt es zu einem Mangel des hepatischen Hormons IGF-I und damit zu einer Hypersekretion von Wachstumshormon. Letzteres erzeugt eine Insulinresistenz. Durch s.c. Injektion von IGF-I zusätzlich zu Insulin kann ohne Änderung der Insulindosis die Stoffwechselsituation von Typ-1-Diabetikern verbessert werden.