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Leserbrief: Gabe von Jodid in der Schwangerschaft

Prof. Dr. H.G.B. aus Hamburg schreibt: >> Ihr Artikel „L-Thyroxin oder Jodid zur Strumatherapie?“ (AMB 1997, 31, 25) ist in seiner Gesamtheit sehr ausgewogen. Insofern ist es schade, daß m.E. gerade die Substitution in der Schwangerschaft und im Wochenbett nicht optimal wiedergegeben wird. Nach unseren eigenen Untersuchungen ist bei euthyreoten Schwangeren mit sonographisch normalem Schilddrüsenvolumen die tägliche Gabe von 200 µg Jodid nicht ausreichend. Wenn diese Dosis zur Prophylaxe nicht ausreicht, so muß man logischerweise eine höhere Dosis zur Therapie der euthyreoten Jodmangel-Struma in der Schwangerschaft geben. Obwohl das Jodid plazentagängig ist, ist ein sog. Plummer-Effekt beim Feten nicht belegt. Insofern empfehlen wir, 400-500 µg pro Tag zu verabreichen. Daß diese Dosis nicht zu hoch ist, wird u.a. dadurch belegt, daß in Nordamerika üblicherweise von Erwachsenen durchschnittlich 1000 µg Jodid aufgenommenen werden, da sämtliche vorgefertigten Lebensmittel „Jodsalz“ enthalten. Diese Menge wird natürlich auch von Schwangeren aufgenommen, ohne daß die Neugeborenen an einer Hypothyreose aufgrund des Plummer-Effekts leiden. << Antwort: >> Die durchschnittlich 30%ige Größenzunahme der Schilddrüse während der Schwangerschaft wird nur im Jodmangel beobachtet (1, 2). In der Tat sind täglich 200-300 µg Jodid nicht in der Lage, die Volumenzunahme vollständig zu vermeiden (3, 4). Deshalb erscheint der Vorschlag einer Dosiserhöhung verständlich. Bisher konnte jedoch nicht belegt werden, daß 400-500 µg Jodid/d bessere Resultate zur Folge haben. Alternativ käme auch die Kombination von z.B. 50-100 µg L-Thyroxin/d plus 200-300 µg Jodid/d in Frage, wie von Bohnet, H.G., et al. empfohlen (5). Angesichts der bisher nicht ausreichenden Evaluierung höherer Jodiddosen für Schwangere möchten wir auf einige beachtenswerte Punkte hinweisen. Bei Schwangeren mit Serum-Autoantikörpern gegen die Schilddrüsen-Peroxidase (anti-TPO; bei ca. 5%), könnte eine höherdosierte Jodidgabe eine primäre Hypothyreose manifestieren oder die Häufigkeit der (oft übersehenen) postpartalen Thyreoiditis steigern. Die Bedenken gegen höhere Dosen werden jedoch vorwiegend mit potentiell ungünstigen Auswirkungen auf das Kind begründet. Die unreife fetale Schilddrüse ist im Jodmangel empfindlicher gegenüber einem plötzlich gesteigerten Jodangebot (Wolff-Chaikoff-Effekt) als die Schilddrüse des Erwachsenen. Jodidbelastung kann zur Hypothyreose führen. Pädiater halten bereits Jodiddosen von 500 µg/d für bedenklich (6). Eine auch nur transiente fetale oder Neugeborenen-Hypothyreose sollte nicht riskiert werden. Aus diesen Gründen haben wir uns mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung begnügt und diese als Richtschnur für die Dosierung von Jodid aufgeführt. Nach der Stillzeit, ggf. bereits nach der Geburt, kann die höherdosierte Jodidtherapie der Struma ohne Risiken für das Kind durchgeführt werden. << Literatur

1. Glinoer, D., et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 1995, 80, 258.
2. Berghout, A., et al.: Clin. Endocrinol. 1994, 41, 375.
3. Kocak, S., et al.: Exp. Clin. Endocrinol. Diabetes 1995,103 Suppl. 1, 77.
4. Liesenkötter, K.P., et al.: Eur. J. Endocrinol. 1996, 134, 443.
5. Bohnet, H.G., et al.: Geburtsh. u. Frauenheilk. 1995, 55, M134.
6. Grüters, A., et al.: N. Engl. J. Med. 1995, 333,1429.