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Östrogene und koronare Herzerkrankung

Es gibt viele Hinweise dafür, daß eine Hormonersatz-Therapie in der Menopause das Risiko senkt, eine koronare Herzerkrankung zu erleiden. Das Risiko ist auch dann geringer, wenn – wie heute üblich – Östrogene mit Gestagenen kombiniert werden, damit die Häufigkeit des Endometriumkarzinoms nicht zunimmt. Das wissen wir vor allem aus den neueren Daten der Nurses Health Study. Mit einer groß angelegten Fragebogenaktion werden bei etwa 60000 amerikanischen Krankenschwestern, mittlerweile über 16 Jahre lang, Gesundheitszustand, Risikofaktoren und Medikation miteinander korreliert. Im N. Engl. J. Med. (1) wurde 1996 mitgeteilt, daß das Relative Risiko (RR) derjenigen Frauen, die Östrogene mit Gestagenen kombiniert als Hormonersatz-Therapie einnahmen, mit 0,39 signifikant niedriger war als bei Frauen ohne Hormonersatz-Therapie. Wir haben in unserer Übersichtstabelle zur Risikobeeinflussung durch Östrogen-Therapie bereits darauf hingewiesen (2).

In einer neueren Analyse der Nurses Health Study (3) ergibt sich, daß unter Östrogenen nicht nur die Manifestation einer koronaren Herzerkrankung seltener, sondern auch die Sterberate geringer ist. Nachdem der Einfluß anderer Risikofaktoren rechnerisch eliminiert wurde, ergab sich, daß das RR zu sterben bei Hormonsubstitutionstherapie 0,63 war im Vergleich zu den Frauen, die niemals Hormone eingenommen hatten. Allerdings nahm der offensichtliche Vorteil mit der Dauer der Hormontherapie ab. Nach zehnjährigem Gebrauch war das RR nur noch 0,8, weil nämlich das Risiko an Brustkrebs zu sterben, mit der Zeit zunahm. Den größten Nutzen hatten Frauen mit weiteren Risikofaktoren für eine koronare Herzerkrankung, den geringsten Nutzen solche Frauen, bei denen Brustkrebs in der Familie vorkam. Daraus ergibt sich, daß die Indikation zur Hormonersatz-Therapie auch unter diesem Gesichtspunkt individuell abgewogen werden sollte.

Das bestätigt auch eine große Metaanalyse, in welcher der Nutzen des Hormonersatzes in Abhängigkeit von zusätzlichen Risikofaktoren untersucht wurde (4): Den größten Nutzen haben Frauen mit der geringsten Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, und diejenigen mit den meisten koronaren Risikofaktoren.

Es gibt verschiedene Hinweise auf den Wirkungsmechanismus der Östrogen-Gestagen-Kombination. So wurde z.B. in einer randomisierten Studie untersucht, wie sich diese Kombinationstherapie auf den Cholesterinspiegel auswirkt im Vergleich zu Simvastatin (5). Es zeigte sich, daß das Gesamtcholesterin (305 mg/dl) unter der Hormontherapie um 14% und unter Simvastatin um 26% gesenkt wurde. Die Hormontherapie hat also günstige Wirkungen auf diesen Risikofaktor.

In einer anderen Untersuchung (6) wurde der Einfluß der Hormontherapie auf die intravasale Fibrinolyse untersucht, speziell auf den Plasminogen-Aktivator-lnhibitor Typ 1. Es zeigte sich, daß dieser wirksame Thrombolyseblocker signifikant gesenkt wurde, und es gab Hinweise auf eine gesteigerte intravasale Thrombolyse, z.B. Erhöhung der Fibrinogenspaltprodukte.

Die Kombination von Östrogenen und Gestagenen mag auch unter dem Gesichtspunkt sinnvoll sein, daß die Proliferation von glatten Muskelzellen, welche die Entwicklung eines intravasalen Atheroms begleitet, dosisabhängig gebremst wird. Dieser Effekt wurde im Tierversuch von Progesteronrezeptor-Antagonisten aufgehoben (7).

Fazit: Diese Berichte über den günstigen Einfluß von Östrogenen/Gestagenen auf die Manifestation der koronaren Herzerkrankung sind nur Hinweise auf die Wirksamkeit der Hormonersatz-Therapie und die Mechanismen, die ihr möglicherweise zugrunde liegen. Endgültig bewiesen werden kann der Nutzen nur durch eine randomisierte, prospektive Studie, die z.Z. schon durchgeführt wird; ihr Ergebnis ist in einigen Jahren zu erwarten. Aber schon jetzt sollte diese Prophylaxe der koronaren Herzerkrankung ernsthaft abgewogen werden, insbesondere, wenn darüber hinaus in der Familienanamnese Osteoporose und deren Komplikationen vorgekommen sind.

Literatur

1. Grodstein, F., et al. (Nurses Health Study): N. Engl. J. Med. 1996, 335, 453.
2. AMB 1996, 30, 45.
3. Grodstein, F., et al. (Nurses Health Study); N. EngI. J. Med. 1997, 336, 1769.
4. Col, N.F., et al.: JAMA 1997, 227, 1140.
5. Darling, G.M., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 337, 595.
6. Koh, K.K., et al.: N. EngI. J. Med. 1997, 336, 683 und AMB 1997, 31, 63a.
7. Lee, W.S., et al.: Nature Medicine 1997, 3, 1005.