Obwohl durch eine stadienadaptierte, häufig multimodale Therapie die Prognose von Patientinnen mit Ovarialkarzinom verbessert werden konnte, sind die Behandlungsergebnisse im Stadium III mit minimaler residualer intraperitonealer Tumormasse weiterhin unbefriedigend (medianes Überleben von etwa 40 Monaten). Die systemische Chemotherapie bildet neben der Chirurgie den zweiten Hauptpfeiler des aktuellen Therapiekonzeptes bei Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung, wobei ein platinhaltiges Protokoll, kombiniert mit Cyclophosphamid oder neuerdings Paclitaxel, als Standardtherapie gilt.
Aufgrund des häufig überwiegend intraabdominalen Wachstums der Ovarialkarzinome und der mit einer intraperitonealen (i.p.) Applikation von Zytostatika, z.B. Cisplatin (CDDP), verbundenen pharmakologischen Vorteile (wesentlich höhere Spitzenkonzentrationen im Vergleich zur intravenösen Gabe) wurde in zahlreichen Phase-Il-Studien im Rahmen der Rezidivtherapie CDDP i.p. instilliert. In einer kürzlich publizierten Phase-ll-Studie aus den USA (Alberts, D.S., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 335, 1950), an der 3 amerikanische Studiengruppen beteiligt waren, wurde bei unbehandelten Patientinnen mit epithelialem Ovarialkarzinom im Stadium III die Wirksamkeit von i.p. verabreichtem CDDP mit der i.v. Gabe dieser Substanz verglichen. Bei allen Patientinnen wurde zunächst eine explorative Laparotomie mit u.a. Entfernung beider Adnexe, des Uterus und „Debulking“ (Ziel: postoperativ verbliebene Tumorreste < 2 cm) durchgeführt und innerhalb von 4 Wochen eine Polychemotherapie mit CDDP (i.p. oder i.v.) und Cyclophosphamid begonnen. Die Patientinnen erhielten nach Randomisierung an Tag 1 entweder CDDP (100 mg/m2 in physiologischer Kochsalzlösung) i.p. instilliert oder CDDP (100 mg/m2) i.v. als Kurzinfusion. Zusätzlich wurde in beiden Gruppen an Tag 1 Cyclophosphamid (600 mg/m2) als Kurzinfusion i.v. verabreicht. Insgesamt sollten 6 Zyklen dieser Therapie gegeben und anschließend bei Vorliegen einer kompletten Remission (CR) nach klinischer Untersuchung eine Second-look-Operation zur Beurteilung des pathologischen Ansprechens durchgeführt werden.
Insgesamt wurden 654 Patientinnen randomisiert, von denen jedoch nur 546 die Einschlußkriterien für diese Stufe erfüllten und der i.v.- (n =279) bzw. i.p.-CDDP-Gruppe (n = 267) zugeordnet wurden. Wegen toxischer Nebenwirkungen mußte bei 62 Patientinnen (i.p. CDDP n = 22, i.v. CDDP n = 40) die Therapie mit CDDP vorzeitig beendet werden, und nur bei 58% der auswertbaren Patientinnen konnte CDDP während der geplanten 6 Zyklen der Polychemotherapie tatsächlich gegeben werden. Bei 400 Patientinnen wurde nach Abschluß der Polychemotherapie klinisch eine CR festgestellt und bei 297 Patientinnen eine adäquate Second-look-Operation durchgeführt. Wegen Kontraindikation oder Weigerung der Patientinnen erfolgte diese Operation bei 70 Patientinnen nicht oder wurde bei 33 Patientinnen vom Studienkomitee als unzureichend beurteilt. Die Rate der pathologisch dokumentierten CR betrug für die i.v.-CDDP-Gruppe 36% und für die i.p.-Gruppe 47%. Für die weiteren Analysen zum Vergleich der Wirksamkeit der beiden Therapiestrategien wurden alle auswertbaren Patientinnen (Intention-to-treat-Prinzip) berücksichtigt. Die Prognose, beurteilt anhand des medianen Überlebens bzw. des Risikos während des Beobachtungszeitraumes der Studie zu sterben, war für Patientinnen, die CDDP i.p. erhalten hatten, signifikant günstiger. Diese Patientinnen lebten im Vergleich zur i.v.-CDDP-Gruppe im Median 8 Monate länger (49 versus 41 Monate) und zeigten eine Reduktion der Letalität um 24% während des gesamten Beobachtungszeitraums. Die für CDDP bekannte Toxizität (u.a. Tinnitus, Hörverlust, neuromuskuläre Nebenwirkungen) und eine Neutropenie traten in der i.p.-Gruppe signifikant seltener auf. Erwartungsgemäß klagten Patientinnen, denen Cisplatin i.p. instilliert wurde, häufiger über Bauchschmerzen, die meistens durch Analgetika beherrschbar waren und 24 Studen nach Gabe sistierten.
Fazit: In der Primärtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms (Stadium III) ist nach optimalem „Debulking“ die Wirksamkeit der i.p. Instillation von CDDP kombiniert mit einer i.v. Gabe von Cyclophosphamid der ausschließlich i.v. verabreichten Medikation überlegen. Gleichzeitig können durch die i.p. Gabe die toxischen Nebenwirkungen des CDDP reduziert werden. Die o.g. amerikanischen Studiengruppen untersuchen derzeit die Wirksamkeit von i.p. CDDP in Kombination mit i.v. Paditaxel.