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Postkoitale Kontrazeption mit Levonorgestrel

Nehmen Frauen innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr im Zeitraum der Ovulation eine Kombination aus Ethinylestradiol und Levonorgestrel ein, dann wird – durch Hemmung der Ovulation oder Implantation – die zu erwartende Schwangerschaftsrate um mindestens 75% gesenkt. Diese Methode wurde erstmals genauer von A.A. Yuzpe et al. 1982 beschrieben (Fertil. Steril. 1982, 37, 508). Im Rahmen dieses postkoitalen Kontrazeptionsverfahrens werden zweimal im Abstand von 12 Stunden 100 µg Ethinylestradiol plus 0,5 mg Levonorgestrel eingenommen. In Deutschland ist das Präparat Tetragynon (Preis: 12,05 DM) für diesen Zweck zugelassen. Ein Nachteil dieser Methode sind Übelkeit und Erbrechen. Wegen der hohen Dosis von Ethinylestradiol besteht auch ein gewisses Thromboserisiko. Eine von der WHO in Hongkong durchgeführte Pilotstudie ergab kürzlich, daß auch Levonorgestrel allein zur postkoitalen Kontrazeption geeignet ist. In wesentlich größerem Umfang wurde diese Beobachtung jetzt mit einer Studie überprüft, die von der „Task Force on Postovulatory Methods of Fertility Regulation“ kürzlich im Lancet (1998, 352, 428) publiziert wurde. In 21 multinationalen Zentren nahmen insgesamt 1998 Frauen an der Studie über postkoitale Kontrazeption teil. Bei 43 Frauen war das Ergebnis unbekannt. Die Hälfte der verbleibenden 1955 Frauen nahm entweder innerhalb 72 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr zweimal im Abstand von 12 Stunden jeweils 0,75 mg Levonorgestrel oder nach dem Yuzpe-Regime zweimal eine Kombination aus 100 µg Ethinylstradiol und 0,5 mg Levonorgestrel ein. Die Schwangerschaftsrate war nur 1,1 % (11 von 976) in der Levonorgestrel-Gruppe und 3,2% (31 von 979) in der Yuzpe-Gruppe. Aufgrund der zu erwartenden Schwangerschaftsraten wurden in der Levonorgestrel-Gruppe 85%, in der Yuzpe-Gruppe 57% der Schwangerschaften verhindert.

Wichtig ist, daß Übelkeit nach Einnahme von Levonorgestrel signifikant seltener auftrat (23%) als nach dem Yuzpe-Regime (50%). Die Zahlen für Erbrechen lagen bei 5% bzw. 18%. Für beide Anwendungsformen war die Methode um so effizienter, je früher nach dem ungeschützten Verkehr die Tabletten eingenommen wurden.

Die WHO fördert die postkoitale Kontrazeptionsmethode, ohne junge Frauen zu ermutigen, auf vorbeugend kontrazeptive Maßnahmen zu verzichten, um die Zahl von ungewünschten Schwangerschaften und von induzierten Aborten zu vermindern. In einem begleitenden Kommentar von J. Guillebaud aus London (Lancet 1998, 352, 416) wird darauf hingewiesen, daß es für die Anwendung von Levonorgestrel in dieser Dosis allein kaum noch Kontraindikationen gibt, während das Yuzpe-Regime bei Patientinnen mit Thromboseneigung oder mit Migräne Risiken beinhaltet. In manchen Ländern, z.B. in Ungarn, ist ein Präparat mit 0,75 mg Levonorgestrel/Tablette bereits auf dem Markt. Es heißt Postinor und wird von der Fa. Gedeon Richter, Budapest, vertrieben. Mit diesem Präparat wurde die vorliegende Studie auch durchgeführt. Will man in Deutschland 0,75 mg Levonorgestrel einnehmen, dann muß man eine große Anzahl von 30 µg-Tabletten, die zur vorbeugenden Kontrazeption auf dem Markt sind (z.B. Microlut/Schering, Micro-30 Wyeth Dragees, 28 mini Dragees/Jenapharm) einnehmen.

Fazit: Die Einnahme von 2mal 0,75 mg Levonorgestrel innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr in der Zyklusmitte reduziert den Eintritt einer Schwangerschaft effektiver als die bisher unter dem Namen Yuzpe-Methode bekannte kombinierte Einnahme von Ethinylestradiol und Levonorgestrel und ist darüber hinaus auch mit weniger Nebenwirkungen behaftet. Es wäre vorteilhaft, wenn Levonorgestrel-Tabletten mit 0,75 mg Gehalt auf den Markt kommen.