Standardtherapie und einzige kurative Maßnahme bei Patienten mit lokalisierten Stadien (I-III) eines Nierenzellkarzinoms ist die einfache oder radikale Nephrektomie mit Entfernung der ipsilateralen Nebenniere und der regionalen Lymphknoten (1). Demgegenüber stehen für Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (Stadium IV) keine kurativen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, und die Ansprechraten auf eine Chemo- oder Hormontherapie sind enttäuschend niedrig (= 10%). Der natürliche Verlauf des Nierenzellkarzinoms (späte Rezidive nach Nephrektomie; seltene spontane Tumorregressionen; stabiler Krankheitsverlauf ohne systematische Therapie im metastasierten Stadium) spricht für die Bedeutung des lmmunsystems bei der Kontrolle des Tumorwachstums. lmmuntherapeutische Strategien werden deshalb bei dieser Tumorerkrankung seit Anfang der 80er Jahre verfolgt (Übersicht bei 2). Seit 1990 ist lnterleukin-2 (IL-2) und Interferon alfa (lFNa) in den meisten westeuropäischen Ländern und seit 1992 IL-2 in den USA für die Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms zugelassen, wobei die Zulassung dieser Zytokine ausschließlich auf Ergebnissen von Phase-ll-Studien basiert. Die kürzlich im N. EngI. J. Med. veröffentlichten Phase-Ill-Studien aus Kanada (3) und Frankreich (4) zur Wirksamkeit immuntherapeutischer Strategien beim metastasierten Nierenzellkarzinom sind deshalb von besonderem Interesse. In der kanadischen Studie (3) erhielten Erwachsene mit histologisch gesichertem metastasiertem Nierenzellkarzinom, deren Primärtumor mit Nephrektomie oder alleiniger Embolisation behandelt worden war, nach Randomisierung 60 µg rekombinantes Interferon gamma-1b (IFN?-1b; Actimmune, lmukin)/m2 (n = 98) oder PIazebo (n = 99) einmal wöchentlich (3). Bei Ansprechen des Tumors wurde diese Therapie ein Jahr lang und anschließend als Erhaltungstherapie fortgesetzt. Insgesamt waren 91 Patienten im IFN-?1b-Arm und 90 Patienten im Plazebo-Arm auswertbar Die kompletten und partiellen Ansprechraten (primärer Endpunkt der Studie) waren ähnlich (4,4% versus 6,6%; p = 0,54). Auch Dauer des Ansprechens, mediane Zeit bis zum Progreß der Erkrankung (1,9 Monate in beiden Gruppen) und medianes Überleben nach Beginn der immunmodulatorischen Therapie (12,2 versus 15,7 Monate) unterschieden sich nicht signifikant. Toxische Nebenwirkungen waren gering und therapiebedingte Iebensbedrohliche Ereignisse selten. Bemerkenswert in dieser Studie ist sicherlich die Ansprechrate von 6,6% im Plazebo-Arm, die früheren Ergebnissen aus der Literatur mit objektiver Rückbildung von Metastasen bei 7% unbehandelter Patienten gleicht (5).
In der französischen Studie wurden Patienten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren mit histologisch gesichertem und klinisch progredientem metastasiertem Nierenzellkarzinom nach Randomisierung mit rekombinantem IL-2 (Proleukin; Gruppe 1), rekombinantem lFNa-2a (Referon; Gruppe 2) oder einer Kombination aus IL-2 und lFNa-2a behandelt (4). Auf eine Kontrollgruppe wurde aus ethischen Gesichtspunkten verzichtet! IL-2 wurde in Gruppe 1 als 5tägige kontinuierliche i.v. Infusion (18 x 106 IU/m2) in zwei Induktions- und vier Erhaltungszyklen verabreicht. Die Patienten in Gruppe 2 erhielten s.c. lFNa-2a (18 x 106 IU/d) 3mal wöchentlich 10 Wochen lang als Induktions- und zusätzliche 13 Wochen lang als Erhaltungstherapie. In Gruppe 3 wurde IL-2 wie in Gruppe 1 gegeben und IFNa-2a in reduzierter Dosis (6 x 106 IU/d) während der zwei Induktions- und vier Erhaltungszyklen parallel mit IL-2 verabreicht. Bei Progreß der Erkrankung nach 10 Wochen erhielten Patienten in Gruppe 1 bzw. 2 das andere Zytokin („Cross-over“). Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie sind in Tab. 1 zusammengefaßt. Als ungünstige prädiktive Faktoren für das Ansprechen auf die Therapie wurden = 2 Organe mit Metastasen und die Behandlungsgruppe 1 oder 2 und für einen raschen Progreß der Erkrankung neben diesen beiden Faktoren zusätzlich ein kurzes Intervall (= 1 Jahr) zwischen Diagnose des Primärtumors und Auftreten von Metastasen sowie der Nachweis von Leber- und mediastinalen Lymphknotenmetastasen identifiziert. Erwartungsgemäß traten toxische Effekte der Behandlung (u.a. Fieber; Hypotension) häufiger in den mit IL-2 behandelten Patientengruppen auf und erforderten eine Vielzahl von supportiven Maßnahmen. Während und kurz nach der Zytokintherapie starben 13 Patienten in Gruppe 1, einer in Gruppe 2 und 8 in Gruppe 3, wobei als Ursache nicht das Nierenzellkarzinom in Betracht kam.
Fazit: Die Ansprechraten auf eine Monotherapie mit IFN?-1b, IFNa-2a und IL-2 sind bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom niedrig (< 10%); sie unterschieden sich für IFN?-1 b nicht signifikant von Plazebo. Die kombinierte Gabe von IL-2 und lFNa-2a ist hinsichtlich Ansprechrate und ereignisfreiem Überleben - nicht jedoch hinsichtlich Gesamtüberleben - der Monotherapie mit diesen Zytokinen überlegen. Angesichts der Toxizität der Therapie, insbesondere mit IL-2, sollten sich zukünftige Studien auf Patienten mit dokumentiertem Progreß der Erkrankung konzentrieren (6). Patienten, die aufgrund prädiktiver Faktoren (s.o.) von immuntherapeutischen Strategien wahrscheinlich nicht profitieren, sollte diese belastende Therapie erspart werden. Literatur
1. Motzer, R.J., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 335, 865.
2. Wirth, M.P.: Urol. Clin. North Am. 1993, 20, 283.
3. Gleave, M.E., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 1265.
4. Negier, S., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 1272.
5. Oliver, R.T., et al.: Br. J. Urol. 1989, 63, 128.
6. Young, R.C.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 1305.