Die Übertragung allogener immunkompetenter T-Lymphozyten vom Spender ist für die Elimination der beim Empfänger nach vorausgegangener myeloablativer Chemo-/Radiotherapie verbliebenen residualen Leukämiezellen von entscheidender Bedeutung. Die Wirksamkeit dieses „Graft-versus-leukemia“(GVL)-Effekts wird verdeutlicht durch die signifikant besseren Ergebnisse der allogenen im Vergleich zur syngenen oder autologen Knochenmarktransplantation (KMT) und durch den erfolgreichen Einsatz der „Donor lymphocyte infusion“ (DLI), mit der bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien und Rezidiv nach allogener KMT eine erneute Remission erreicht werden kann. Vor dem Hintergrund dieser klinischen Ergebnisse und tierexperimenteller Untersuchungen wurde von einer israelischen Arbeitsgruppe um S. Slavin ein Konzept entwickelt und bereits klinisch erprobt: Nach einer kurzfristigen nicht-myeloablativen immunsuppressiven Konditionierungsbehandlung mit Fludarabin, Anti-T-Lymphozyten-Globulin (ATG) und niedrig dosiertem Busulfan erfolgt eine Infusion allogener Stammzellen, die mit zirkulierenden immunkompetenten T-Lymphozyten des Spenders angereichert wurden. Wesentliche Ziele dieser neuen Therapiestrategie sind die Induktion einer „Host-versus-graft“-Toleranz und die Elimination maligner Tumorzellen oder genetisch abnormer Stammzellen beim Empfänger. Über erste Erfahrungen mit dieser Therapiestrategie bei 22 Patienten mit unterschiedlichen hämatologischen Neoplasien (akute oder chronische myeloische Leukämie, akute lymphatische Leukämie, myelodysplastisches Syndrom, Non-Hodgkin-Lymphom, Plasmozytom) und 4 Patienten mit genetischen Erkrankungen wurde kürzlich von S. Slavin und Mitarbeitern in Blood (1998, 91, 756) berichtet. Alle Patienten erhielten nach kurzfristiger immunsuppressiver Therapie mit Fludarabin, ATG und Busulfan (oder Cyclophosphamid) eine Transfusion der mit G-CSF mobilisierten allogenen Stammzellen (vgl. AMB 1997, 31, 87) und anschließend als einzige Prophylaxe der gefürchteten „Graft-versus-host disease“ (GVHD) Ciclosporin A für etwa 4 bis 6 Wochen. Insgesamt wurde die allogene nicht-myeloablative Stammzell-Transplantation deutlich besser toleriert als die konventionelle allogene KMT. Häufige, in Zusammenhang mit der allogenen KMT beobachtete Komplikationen, wie z.B. ausgeprägte Mukositis, veno-okklusive Erkrankung der Leber, pulmonale und infektiöse Komplikationen, traten selten auf. Die einzige ernste Komplikation, das Auftreten einer schweren GVHD (Grad 3 und 4), wurde bei 6 Patienten diagnostiziert und verlief bei 4 Patienten, bei denen Ciclosporin A frühzeitig abgesetzt worden war, tödlich. Ein Anstieg der neutrophilen Granulozyten auf Werte > 0,5 x 109/l wurde im Median nach 15 Tagen und ein spontaner Anstieg der Thrombozyten auf Werte > 20 x 109/l im Median nach 12 Tagen beobachtet. Bei 3 Patienten mit hämatologischen Neoplasien trat ein Rezidiv auf, und bei einem Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom kam es nach Stammzell-Transplantation zu einem Progreß der Erkrankung. Bei 3 der 4 Patienten konnte durch allogene Zelltherapie mit DLI ± Chemotherapie eine erneute Remission erreicht werden. Allen 4 Patienten mit genetischen Erkrankungen (ß-Thalassämia major; Fanconi-Anämie, M. Gaucher, Blackfan-Diamond-Anämie) ging es zum Zeitpunkt der Publikation gut, und molekularbiologische Analysen ergaben keine Hinweise für ein Persistieren genetisch abnormer Zellen beim Empfänger. Insgesamt leben nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 8 Monaten 22 der 26 Patienten und 21 dieser Patienten waren, auch bei Berücksichtigung der molekularbiologischen Analysen, erkrankungsfrei.
Fazit: Die ersten klinischen Ergebnisse der allogenen Stammzell-Transplantation nach nicht-myeloablativer Konditionierungsbehandlung bei Patienten mit hämatobgischen Neoplasien oder genetischen Erkrankungen sind vielversprechend. Sie zeigen, daß eine Elimination von Tumorzellen oder genetisch abnormer hämatopoetischer Vorläuferzellen erreicht werden kann durch eine kurzfristige intensive Immunsuppression plus niedrig dosierter Chemotherapie, die gefolgt wird von der Infusion allogener Stammzellen und immunkompetenter T-Lymphozyten. Die Daten anderer Arbeitsgruppen, insbesondere aber die langfristigen Ergebnisse dieser sehr interessanten Therapiestrategie, werden mit Spannung erwartet.