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Monoklonaler Antikörper zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms

Die verstärkte Expression des HER2(Human EGF-related receptor)-Protoonkogens, das einen transmembranären Rezeptor (p185HER2) mit partieller Homologie zum Epidermal growth factor (EGF, Mitogen für Zellen ektodermalen und mesodermalen Ursprungs) kodiert, spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese des Mammakarzinoms. Zahlreiche präklinische Studien Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre haben gezeigt, daß monoklonale Antikörper; die gegen die extrazelluläre Domäne von p185HER2 gerichtet sind, das Wachstum von Mammakarzinomen durch Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität, vermutlich aber auch durch Herunterregulieren von p185HER2 hemmen (1). Inzwischen liegen auch Ergebnisse von 3 klinischen Studien mit einem gentechnologisch hergestellten, rekombinanten humanisierten monoklonalen Antikörper (Herceptin) vor, der bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom eingesetzt wurde (2-4).

Erste Hinweise für die antitumoröse Wirksamkeit dieses Antikörpers ergab eine Studie bei 46 Patientinnen mit ausgedehnt metastasiertem Mammakarzinom und verstärkter Expression von HER2 (2). Die Patientinnen erhielten initial eine Aufsättigungsdosis des Antikörpers (250 mg i.v.) und anschließend 100 mg i.v. einmal wöchentlich über insgesamt 10 Wochen. Fünf von 43 Patientinnen, die zuvor bereits ein oder mehrere Chemotherapie-Schemata erhalten hatten, sprachen darauf an (partielle Remission n = 4; komplette Remission n = 1). Die Toxizität des Antikörpers war in dieser Studie gering; sie bestand vorwiegend in Fieber und Schüttelfrost, die jedoch nur nach der ersten Gabe auftraten.

Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers wurden inzwischen in 2 weiteren klinischen Studien untersucht, in die ebenfalls ausschließlich Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom und immunhistochemisch nachgewiesener; verstärkter Expression von p185HER2 aufgenommen wurden. Beide Studien wurden auf dem letztjährigen amerikanischen Krebskongreß vorgestellt; die Ergebnisse liegen bisher nur als Abstract vor (3, 4).

In einer multizentrischen Studie wurden 222 Patientinnen (medianes Alter: 50 Jahre) nach Vorbehandlung mit einem, meistens jedoch zwei Chemotherapie-Schemata mit Herceptin alleine (Aufsättigungsdosis: 4 mg/kg i.v.; dann wöchentlich 2 mg/kg Körpergewicht i.v.) behandelt (3). Die Ansprechrate lag nach einer medianen Beobachtungsdauer von 11 Monaten bei 15% mit 6 kompletten und 25 partiellen Remissionen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 8,4 Monate. Bei 9 Patientinnen kam es während der Therapie mit dem Antikörper zu einer Verschlechterung der kardialen Ejektionsfraktion, und eine Patientin starb infolge einer ventrikulären Arrhythmie.

Eine multizentrische, randomisierte klinische Studie untersuchte die Wirksamkeit von Herceptin in Kombination mit Zytostatika bei 469 Patientinnen, die zuvor keine Behandlung ihres metastasierten Mammakarzinoms erhalten hatten (4). Abhängig von der adjuvanten Therapie wurde nach Randomisation entweder eine alleinige Chemotherapie (Paclitaxel bei vorausgegangener adjuvanter Chemotherapie mit Anthrazyklin-haltigem Schema oder Doxorubicin plus Cyclophosphamid, AC) oder eine entsprechende Chemotherapie plus Herceptin verabreicht. Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 10,5 Monaten waren sowohl die Zeit bis zur Krankheitsprogression (8,6 versus 5,5 Monate, p < 0,001; primärer Endpunkt der Studie) geringfügig länger als auch die Ansprechraten (62 versus 36%, p < 0,01; sekundärer Endpunkt) höher bei Patentinnen, die zusätzlich mit dem Antikörper behandelt wurden. Diese Therapieergebnisse müssen jedoch noch durch ein unabhängiges Komitee überprüft und bestätigt werden. Auch in dieser Studie kam es relativ häufig zu einer Verschlechterung der kardialen Funktion, insbesondere bei Patientinnen, die mit AC plus Herceptin behandelt wurden (WHO Grad 3/4 Kardiotoxizität: 18%). In beiden Studien profitierten nur Patientinnen von derTherapie mit dem Antikörper, deren Mammakarzinom eine deutlich verstärkte Expression von p185HER2 immunhistochemisch aufwies (etwa 25-30% aller primären Mammakarzinome). Aufgrund der Ergebnisse der 3 klinischen Studien hat die Food and Drug Administration im September 1998 Herceptin in den USA zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms mit Überexpression von p185HER2 als Monotherapie nach vorausgegangener Chemotherapie bzw. als primäre Therapie in Kombination mit Paclitaxel (Taxol) zugelassen. In Deutschland ist der Antikörper nicht zugelassen.

Fazit: Eine neue Behandlungsstrategie, nämlich die Gabe eines monoklonalen Antikörpers gegen einen auf Mammakarzinomzellen exprimierten Wachstumsfaktor-Rezeptor (p185HER2), ist bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom und Tumorzellen mit verstärkter Expression von p185HER2 wirksam. Eine genaue Analyse der bisherigen klinischen Ergebnisse (Ansprechraten, Zeit bis zur Krankheitsprogression) verdeutlicht allerdings, daß der besonders in der Laienpresse in den vergangenen Monaten verkündete Durchbruch in der Behandlung des Mammakarzinoms von diesem Antikörper nicht zu erwarten ist. Weitere klinische Studien zu den Einsatzmöglichkeiten dieses Antikörpers (z.B. adjuvante Therapie, Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms als Monotherapie oder in Kombination mit Zytostatika) sind dringend erforderlich. Aufgrund der häufig beobachteten Kardiotoxizität müssen vor und während der Verabreichung des Antikörpers kardiologische Untersuchungen erfolgen, und bei ersten Hinweisen für eine Verschlechterung der linksventrikulären Funktion muß die Behandlung abgebrochen werden.

Literatur

1. Hudziak, R.M., et al.: Mol. CeIl. Biol. 1989, 9, 1165.
2. Baselga, J., et al.: J. Clin. Oncol. 1996, 14, 737.
3. Cobleigh, M.A., et al.: Proc. Am. Soc. Clin. Oncol. 1998, 17, 97a.
4. Slamon, D., et al.: Proc. Am. Soc. Clin. Oncol. 1998, 17, 98a.