Die Kombination eines Serotonin-Typ-3-Rezeptor-Antagonisten (5-HT3-RA) mit einem Glukokortikoid (z.B. Dexamethason) gilt heute als Standardtherapie zur Prävention von akutem Erbrechen nach stark emetogener Chemotherapie (vgl. AMB 1997, 31, 93b) und kann bei etwa 70 bis 80% der mit hochdosiertem Cisplatin (50-100 mg/m2) behandelten Patienten akutes Erbrechen verhindern. Demgegenüber sind die Ergebnisse im Rahmen der Prävention bzw. Behandlung des nach stark emetogener Chemotherapie häufig verzögert – 24 Stunden nach Chemotherapie – auftretenden Erbrechens weniger befriedigend, und bis zu 50% der Patienten leiden unter dieser Nebenwirkung trotz Gabe von Dexamethason plus Metoclopramid oder 5-HT3-RA (s. AMB 1998, 32, 38b).
In tierexperimentellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß die Verabreichung von Substanz P, einem zur Tachykinin-Familie gehörenden Neuropeptid mit 11 Aminosäuren, im Hirnstamm Erbrechen auslöst. Die biologischen Wirkungen dieses Neurotransmitters werden durch Neurokinin-1-(NK1 )-Rezeptoren vermittelt und können durch NK-1-Rezeptor-Antagonisten (NK1-RA) verhindert werden. Mit der Frage, ob die Gabe eines selektiven NK1-RA (L-754,030; in Deutschland nicht zugelassen) zusätzlich zur Standardtherapie (5-HT3-RA plus Dexamethason) die Prävention von akutem sowie verzögertem Erbrechen nach hochdosierter einmaliger Gabe von Cisplatin (≥ 70 mg/m2) verbessert, beschäftigt sich eine Anfang dieses Jahres publizierte, plazebokontrollierte, multizentrische Doppeltblindstudie aus den USA (Navari, R.M., et al.: N. Engl. J. Med. 1999, 340, 190). Eingeschlossen wurden insgesamt 159, vorher nicht mit Cisplatin behandelte Patienten (vorwiegend mit Bronchialkarzinom), von denen 155 auswertbar waren. Nach Randomisierung in 3 Gruppen wurden die Patienten wie folgt antiemetisch behandelt:
Gruppe 1: Tag 1: Standardtherapie mit 5-HT3-RA plus Dexamethason plus 400 mg L-754,030 p.o.; Tag 2 bis 5: 300 mg L-754,030 p.o.; Gruppe 2: Tag 1: wie Gruppe 1; Tag 2 bis 5: keine antiemetische Prophylaxe: Gruppe 3: Tag 1: nur Standardtherapie: Tag 2 bis 5: keine antiemetische Prophylaxe. Bei Auftreten von Übelkeit/Erbrechen war eine zusätzliche hochdosierte Gabe von Metoclopramid (Tag 1) oder Gabe von Dexamethason ± Metoclopramid (Tag 2-5) erlaubt. Die wesentlichen Ergebnisse dieser randomisierten Prüfung sind in Tab. 1 zusammengefaßt. Sowohl akutes als auch verzögertes Erbrechen traten in den Gruppen 1 und 2, die zusätzlich mit dem NK1-RA behandelt wurden, signifikant seltener auf als in Gruppe 3. Diese positiven Ergebnisse werden durch eine weitere randomisierte Phase-ll-Studie aus den USA (Hesketh, P.J., et al.: J. Clin. Oncol. 1999, 17, 338) bestätigt, in der ein anderer NK1-RA (CJ-11,974) nach hochdosierter Cisplatin-Therapie besser als Plazebo verzögertes Erbrechen und besser als die Standardtherapie (s.o.) akutes Erbrechen verhinderten. Die Gabe der NK1-RA wurde in beiden Studien gut vertragen; ernste unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten nicht auf.
Fazit: Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten sind eine interessante neue Substanzgruppe mit guter antiemetischer Wirksamkeit. Weitere klinische Studien sind jedoch erforderlich, um den Stellenwert dieser Substanzgruppe für die Prävention bzw. Behandlung von akutem Erbrechen (im Vergleich zur Standardtherapie mit 5-HT3-RA plus Glukokortikoid) bzw. verzögertem Erbrechen (z.B. im Vergleich zu Glukokortikoid plus Metoclopramid) nach mäßig bis stark emetogener Chemotherapie zu bestätigen und die minimale effektive Dosis sowie Zeitpunkt(e) der Verabreichung zu definieren.