Ein internationales Expertengremium, an dem auch R. Arnold aus Marburg teilnahm, tagte Ende 1997 an der Yale-Universität New Haven, USA. Im J. Clin. Gastroenterol. (1998, 27, 6) wurde von S.F. Moss et al. über die Ergebnisse berichtet, die als der augenblickliche Stand des Wissens zu Diagnostik und Therapie der Refluxösophagitis angesehen wurden.
Die Refluxösophagitis wird immer häufiger diagnostiziert, sei es, weil die Erkrankung wirklich häufiger wird, sei es, weil häufiger endoskopiert wird, oder weil Medikamente zur Verfügung stehen, die eine effektive Therapie möglich machen und daher auch die Herstellerfirmen das öffentliche Interesse auf diese Erkrankung lenken. Ursache der Erkrankung ist eine Störung im Schließmechanismus des unteren Ösophagussphinkters, die in höherem Lebensalter zunimmt. Eine Hiatushernie stört den Ösophagusverschluß nicht dadurch, weil die Zwerchfellschenkel ihn nicht mehr umschließen, sondern weil Mechanorezeptoren im dislozierten Fundus sich reflektorisch störend auf den Ösophagusverschluß auswirken. Neuere Studie haben gezeigt, daß 50% der Neurone, die den unteren Ösophagus nerval versorgen, Stickoxid (NO) freisetzen können und dadurch die Relaxation des Sphinkters bewirken. Es verwundert also nicht, daß Nitropräparate auch Ösophagusspasmen lösen können. Eine Hypersekretion von Säure ist nicht die Ursache der Erkrankung. Andere lnhaltsstoffe der Reflux-Flüssigkeit, z.B. Pepsin, Gallensäure und Lysolecithin, sind von größerer Bedeutung. Trotzdem ist die Suppression der Säuresekretion eine sehr effektive Behandlung. Pantoprazol 40 mg/d oder Lansoprazol 30 mg/d sind etwas wirksamer als Omeprazol 20 mg/d. Dennoch haben ca. 10% der Patienten trotz dieser Behandlung nach zwei Monaten noch Beschwerden. Dann müssen die Dosis gesteigert oder operative Verfahren angewandt werden. Eine Helicobacter-Besiedelung der Magenschleimhaut trägt nicht zur Entwicklung der Refluxösophagitis bei, im Gegenteil: in Japan nimmt die Refluxösophagitis zu, während die Häufigkeit der Helicobacter-lnfektion der Magenschleimhaut zurückgeht.
Eine besondere Form der Ösophagitis findet sich beim Barrett-Ösophagus. Es handelt sich dabei um eine Ösophagitis mit Epithelanomalien, Magen- und Darmschleimhautinseln, Geschwüren und Schrumpfungsprozessen, die je nach der Häufigkeit von Zellatypien als Präkanzerose angesehen wird. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind erforderlich, um Patienten zu erkennen, die besonders gefährdet sind, ein Karzinom zu entwickeln. Es besteht aber noch keine Einigkeit darüber, in welchem zeitlichen Abstand die Kontrollendoskopien erfolgen müssen.
Ein etwas kompliziertes Ablaufschema zu Diagnostik und Therapie (Abb. 1) wurde für die Praxis entwickelt. Die Behandlung der Refluxösophagitis dauert Monate bis Jahre. Internisten, Gastroenterologen, Chirurgen und Pathologen sind daran beteiligt. Am Anfang stehen die Anamnese und die klinische Untersuchung. Nur wenn sogenannte Alarmsymptome (Schluckstörungen, Anämie, Gewichtsverlust) auftreten oder Schmerzen bestehen, die auf Antazida nicht ansprechen oder die Symptomatik erstmals jenseits des 50. Lebensjahres beginnt, ist eine sofortige Endoskopie notwendig. Bei allen anderen Patienten ist die Standardtherapie ausreichend, nämlich Anheben des Kopfendes des Bettes, Vermeiden von Speisen, die Sodbrennen auslösen und die zusätzliche gelegentliche Einnahme von Antazida. Bei unzureichender Wirkung sind H2-Rezeptor-Antagonisten oder Protonenpumpenhemmer angezeigt. Sind Schluckstörungen ein wesentlicher Teil des Syndroms, kann auch Cisaprid zusätzlich notwendig sein. In der Regel wird erst endoskopiert, wenn diese Maßnahmen nicht helfen. Aber auch die Meinung, daß jeder Patient mit Reflux mindestens einmal im Leben endoskopiert werden sollte, ist vertretbar. Der endoskopische Befund entscheidet über den Schweregrad der Osophagitis und damit über die Dosierung der säurehemmenden Medikamente. Ein Barrett-Ösophagus muß in besonderer Weise nachbeobachtet werden. Andere Formen der Refluxösophagitis werden so behandelt, wie es die Grundkrankheit verlangt. Bei der Endoskopie wird auch nach einer möglichen Infektion mit Helicobacter pylori gefahndet. Infizierte Patienten sollen eine Eradikationsbehandlung und nicht nur Säurehemmer erhalten. Liegt kein Barrett-Ösophagus vor, kann sich die Intensität der Therapie nach den Beschwerden richten. Die Meinung des Expertengremiums ging einheitlich dahin, daß ein Protonenpumpenhemmer das Mittel der Wahl ist. Manchmal müssen hohe Dosen gegeben werden, z.B. Pantoprazol 40 mg/d, Lansoprazol 30 mg/d oder Omeprazol 2mal 20 mg/d. Auch diese Dosierungen müssen manchmal noch erhöht werden. Die zusätzliche Gabe von Cisaprid hat nur geringen Effekt. Ist die gewählte Dosis erfolgreich, sollte sie für etwa drei Monate beibehalten werden; danach erst kann der Versuch gemacht werden, sie wieder zu verringern. Auf Wechselwirkungen zwischen diesen und anderen Medikamenten, die bei den häufig polymorbiden, älteren Menschen angewandt werden, ist zu achten.
Chirurgische Maßnahmen werden vor allem bei jüngeren Patienten empfohlen und solchen, die nicht lebenslang wegen der Beschwerden Arzneimittel einnehmen wollen. Die laparoskopische Fundoplicatio hat sich gegen die offene Chirurgie durchgesetzt. Es war die übereinstimmende Meinung aller Konferenzteilnehmer, daß für den Erfolg einer Operation die Erfahrung des Chirurgen wichtiger ist als die angewandte Technik. Es ist nicht belegt, daß eine Vagotomie als Ergänzung eines Operationsverfahrens die Erfolgsaussicht erhöht. Bei Menschen über 60 Jahren ist das Operationsrisiko wahrscheinlich größer als der Nutzen, der im Vergleich zur konservativen Therapie erzieIt werden kann.