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Leserbrief

Aripiprazol zur Behandlung der therapierefraktären Depression im Alter: Die OPTIMUM-Studie (vgl. [1])

Dr. J.S. aus W. schreibt: >> Sie führen in dem Artikel über die Behandlung der therapierefraktären Depression ([1]) im Alter auch den Wirkstoff Aripiprazol auf. Aripiprazol ist jedoch in Deutschland im Gegensatz zu den USA für die Behandlung einer Depression nicht zugelassen. Zumindest wird beim Original Abilify® und Generikaanbietern (…) lediglich Schizophrenie beziehungsweise manische Phase der Zyklothymie bzw. Rückfallprophylaxe der Manie aufgeführt. Dazu kommt durch Aripiprazol (siehe CredibleMeds; [2]) noch ein mögliches Risiko durch Verlängerung der QTc-Zeit, das bedenklich werden kann, je nach Kombinationspartner – und deren Zahl steigt üblicherweise mit zunehmendem Alter. Zudem könnte auch die Kombination von Aripiprazol mit einem Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram vorkommen, die je nach Dosis der Wirkstoffpartner zur Todesfalle werden kann. <<

Antwort: >> Wir danken für diesen ergänzenden Hinweis. Aripiprazol hat in Deutschland keine Zulassung zur Behandlung von Depressionen, dagegen ist es in den USA zugelassen zur Therapieeskalation („Augmentation“) bei „Major Depression“ in Kombination mit einem anderen Antidepressivum. Erwähnt wurde Aripiprazol in unserem Artikel über die OPTIMUM-Studie, weil der Wirkstoff in ihr angewendet wurde.

Viele Arzneimittel können durch elektrophysiologische Interaktion mit den Herzmuskelzellen die De- und Repolarisationsphase verlängern und ein Long-QT-Syndrom verursachen (im EKG verlängerte Strecke zwischen Beginn des QRS-Komplexes und dem Ende der T-Welle). Ein Long-QT-Syndrom kann angeboren oder erworben sein und das Risiko für lebensgefährliche Torsade-de-Pointes (TdP)-Tachykardien erhöhen. Wir haben häufiger darüber berichtet ([3]).

Bei der Zulassung von Arzneimitteln wird dieser Aspekt seit einigen Jahren systematisch überprüft und das Ergebnis unter Punkt 4.4 „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ in den Fachinformationen aufgeführt. Bei dem Originalhersteller steht dort: „Überleitungsstörungen: In klinischen Studien mit Aripiprazol war die Inzidenz einer QT-Verlängerung vergleichbar zu Plazebo. Wie bei anderen Antipsychotika sollte Aripiprazol mit Vorsicht bei Patienten angewendet werden, bei denen in der Familienanamnese eine QT-Verlängerung auftrat“.

In der Online-Datenbank des „Arizona Center for Education on Research on Therapeutics“ („CredibleMeds“; 3) finden sich aktualisierte Informationen zu Arzneimittelwechselwirkungen im Zusammenhang mit einer QT-Verlängerung von ca. 300 Wirkstoffen bei angeborenem Long-QT-Syndrom. Sie werden 4 Risikokategorien zugeordnet (s. Auswahl Tab. 1): 1. gesichertes Risiko für TdP; 2. mögliches Risiko für TdP; 3. TdP-Risiko unter bestimmten Umständen, z.B. hoher Dosis oder Kombination mit bestimmten Interaktionspartnern; 4. QT-Zeit-Verlängerung, aber TdP bisher nicht beschrieben.

Aripriprazol ist hier in der Risikokategorie 2 aufgeführt. Eine Behandlung sollte mittels EKG überwacht werden, und das Arzneimittel soll bei Personen mit angeborenem Long-QT-Syndrom nicht verwendet werden. Eine explizite Kontraindikation für ein Komedikament, wie etwa Citalopram, wird aber nicht genannt. Generell sollten jedoch Medikamente mit TdP-Risiko nicht miteinander kombiniert werden.

Antipsychotika (AP) und Antidepressiva (AD) haben eine große Bedeutung hinsichtlich QT-Zeit-Verlängerungen. Es gibt viele Hinweise, dass die regelmäßige Einnahme von AP oder AD bei älteren Menschen mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden ist. Neben einer Atemdepression dürften hier auch proarrhythmische Effekte eine Rolle spielen. Dieser Problematik wurde in einer Registerstudie von 2016 systematisch nachgegangen ([4]; vgl. [5]). AP der höchsten Risikoklasse 1 sind demnach mit einem mehr als vierfach erhöhten Sterberisiko assoziiert (adjustierte „Odds Ratio“ = adOR: 4,57). Aber auch bei Einnahme von AP der Klasse 4, von denen keine TdP bekannt sind, scheint das Sterberisiko noch doppelt so hoch zu sein (adOR: 2,14). Haloperidol wird als besonders problematisch eingeschätzt (adOR: 4,63), gefolgt von Risperidon (adOR: 2,93), Olanzapin (adOR: 2,02) und Quetiapin (adOR: 1,61). Unter den AD wurde das höchste Sterberisiko bei Einnahme von Mirtazapin (adOR: 1,67) bzw. Citalopram (adOR: 1,56) ermittelt. Eine Kombination von Aripiprazol mit anderen Psychopharmaka sollte gleichermaßen unter strenger Indikation und sorgfältiger Beobachtung erfolgen. <<

Literatur

  1. AMB 2023, 57, 35. (Link zur Quelle)
  2. https://www.crediblemeds.org/ (Link zur Quelle)
  3. AMB 2020, 54, 23. AMB 2016, 50, 89. AMB 2004, 38, 80. AMB 2000, 34, 49. (Link zur Quelle)
  4. Danielsson, B., et al.: Br. J. Clin. Pharmacol. 2016, 81, 773. (Link zur Quelle)
  5. AMB 2016, 50, 37. (Link zur Quelle)