Zu dieser interessanten und zur Zeit viel diskutierten Frage findet sich im Brit. Med. J. (2000, 320, 858) ein interessanter Pro- und Contra-Artikel, dessen Schlußfolgerungen auf beiden Seiten jedoch nicht sehr weit von einander abweichen. Pro männliche Menopause schreiben D.C. Gould und R. Petty et. al. aus London, während die Contra-Darstellung der Feder von H.S. Jacobs, ebenfalls aus London, entstammt. Die Kontrahenten sind sich einig darüber, daß es eine männliche Menopause, die mit dem relativ schnellen Versagen der Ovarialtätigkeit bei der Frau vergleichbar ist, nicht gibt. Sie stimmen darüber überein, daß die Konzentration des bioverfügbaren (freien) Testosterons zwischen dem 3. und 8. Lebensdezennium des Mannes um etwa 50% abnimmt. Diese Abnahme ist bedingt durch eine verminderte Sekretion aus dem Hoden infolge einer Abnahme der Masse der Leydigzellen, zum Teil aber auch durch eine langsame Erniedrigung des Hypophysenhormons LH (Luteotropes Hormon). Ein weiterer zur Abnahme des freien Testosterons beitragender Faktor ist der mit dem Alter allmählich zunehmende Titer des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG). An SHBG gebundenes Testosteron ist nicht bioverfügbar. Von einer Hypotestosteronämie spricht man, wenn das Gesamt-Testosteron < 11 nmol/l oder < 320 ng/dl liegt. Nur 1% der 20-40 Jahre alten Männer haben Testosteron-Konzentrationen unter diesem Grenzwert. Die meisten älteren Männer mit Störungen der Sexualfunktion (Libidomangel, erektile Dysfunktion) haben keine Hypotestosteronämie. Kombiniert sich jedoch der Libidomangel und die erektile Dysfunktion mit Zeichen der Depression, der Muskelschwäche, der Stammfettsucht und Osteoporose, muß an einen echten Hypogonadismus außerhalb der etwas nach unten zeigenden Trends der Testosteronkonzentration bei älteren Männern gedacht werden. Bestätigt sich die Diagnose der Hypotestosteronämie, dann muß zwischen primärem (Gonadotropine erhöht) und sekundärem Hypogonadismus (Gonadotropine erniedrigt) unterschieden werden. Im letzteren Fall muß an Hypophysentumoren gedacht werden. Ein Hypogonadismus bei älteren Männern muß selbstverständlich durch Testosteronsubstitution (i.m. Injektionen oder Testosteron-Pflaster) behandelt werden. Bei älteren Männern mit Hypotestosteronämie ist der Effekt auf die Psyche, die Muskelkraft, die Knochendichte etc. eindeutig belegt. Eine von Snyder et al. (J. Clin. Endocrinol. Metab. 1999, 84, 1966) durchgeführte Studie an 100 gesunden Männern über 65 Jahren, bei denen mit Hilfe von Testosteron-Pflastern 3 Jahre lang Serumtestosteron-Konzentrationen wie bei 20 bis 30 Jahre alten Männern generiert wurden, hatte jedoch überwiegend enttäuschende Ergebnisse: Zwar nahm die fettfreie Körpermasse um 1,9 kg zu und die Fettmasse um 2,9 kg ab, jedoch änderte sich die Muskelkraft nicht . Auch ließ sich kein Effekt auf die Knochendichte feststellen. Die versuchsweise Behandlung von älteren Männern mit sexueller Dysfunktion, aber normalen Serumtestosteron-Werten ist in der Regel enttäuschend. Die sexuelle Dysfunktion des alternden Mannes ist in ihren Ursachen sehr komplex und bedarf einer nicht nur endokrine Faktoren einschließenden Diagnostik. Der Begriff männliche Menopause oder männliches Klimakterium ist deshalb reduktionistisch. Wollte man allen Hormonen therapeutisch nachlaufen, deren Serumkonzentrationen im Alter abnehmen (z. B. Wachstumshormon, IGF-I, Dehydroepiandrosteron, Testosteron), dann müßten sich viele ältere Menschen einer Multihormontherapie unterziehen.
Fazit: Eine männliche Menopause gibt es nicht. Diese Aussage darf jedoch nicht von der Notwendigkeit ablenken, einen echten Hypogonadismus bei älteren Männern zu erkennen und zu behandeln.