Nur etwa 1% der Brustkrebse bei Frauen treten im Alter unter 30 Jahren auf. Die Prognose dieser jungen Frauen hinsichtlich 10 Jahres- und Gesamtüberlebensrate ist schlechter als bei älteren Frauen. Die International Breast Cancer Study Group (IBCSG) unter der Federführung von S. Aebi (Lancet 2000, 355, 1869) behandelte von 1978 bis 1993 insgesamt 3700 Frauen mit Brustkrebs. 314 dieser Frauen waren jünger als 35 Jahre. Eine Auswertung der Therapieergebnisse aller adjuvant chemotherapierten Patientinnen (CMF: Cyclophosphamid, Methotrexat und Fluorouracil mit oder ohne Prednison und Ovarektomie) ergab jetzt, daß wider Erwarten Östrogenrezeptor(ER)-positive junge Frauen eine besonders schlechte Prognose haben. Frauen unter 35 Jahren mit ER-positiven Tumoren hatten eine rezidivfreie 10 Jahres-Überlebensrate von nur 25% und eine Gesamtüberlebensrate von 39%, während Frauen unter 35 Jahren mit ER-negativen Tumoren eine ähnliche Prognose hatten wie Frauen über 35 Jahren, bei denen der Östrogenrezeptor-Status keinen wesentlichen Einfluß auf die rezidivfreie 10 Jahres-Überlebensrate hatte (46%) sowie auf die Gesamtüberlebensrate (60%). Die besonders schlechte Prognose der jungen ER-positiven Frauen war unabhängig von der Größe, dem Stadium und dem „Grading“ des Tumors bei Diagnose. Unter der CMF-Chemotherapie tritt bei einem Teil der Frauen eine Amenorrhö auf, weil das Ovar durch die Therapie funktionell ausgeschaltet wird. Besonders schlecht war jedoch die Prognose bei jungen Frauen, die nach der Chemotherapie weiter für längere Zeit menstruierten.
Die schlechtere Prognose jüngerer Frauen mit Brustkrebs war bereits bekannt. Daß es besonders ER-positive Frauen sind, die zu der schlechten Prognose dieser Altersgruppe mit Brustkrebs beitragen, war überraschend. Die Autoren und auch die Verfasser eines begleitenden Kommentars (Stockler, M., und Beith, J.: Lancet 2000, 355, 1839) sind der Meinung, daß diese für die zukünftige Therapie des Mammakarzinoms wichtigen Befunde noch der Bestätigung bedürfen, daß die statistische Aussagekraft der bisher ausgewerteten Daten jedoch überzeugend ist. Es ist nicht sicher, ob alle mit der üblichen Methodik im Brustkrebsgewebe nachgewiesenen ER auch funktionell aktiv sind. Die Tatsache jedoch, daß besonders junge Frauen mit fortbestehender Ovarialfunktion nach der Chemotherapie eine schlechte Prognose haben, spricht dafür, daß die meisten dieser Rezeptoren wachstumsfördernde Stimuli der endogenen Östrogene vermitteln. Diese Ergebnisse unterstreichen die Empfehlungen der St. Gallen-Konsensuskonferenz von 1999, junge Frauen mit ER-positivem Mammakarzinom über die adjuvante Chemotherapie hinaus auch endokrinologisch zu behandeln, entweder durch Ovarektomie oder durch Gabe von ER-Blockern oder GnRH-Analoga.
Fazit: Frauen unter 35 Jahren mit Östrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom haben eine besonders schlechte Prognose und sollten nach der adjuvanten Chemotherapie auch mit Antiöstrogenen oder Ovarektomie behandelt werden.