In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 45000 Patienten an den Folgen eines nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC). Das NSCLC ist derzeit bei Männern die häufigste und bei Frauen möglicherweise bald die häufigste Todesursache durch Tumorerkrankungen. Die Prognose der Patienten mit lokal fortgeschrittenem (Stadium IIIA/IIIB) oder metastasiertem NSCLC (Stadium IV) ist äußerst ungünstig. Randomisierte Studien und Meta-Analysen (Übersicht bei Hoffman, P.C., et al.: Lancet 2000, 355, 479) zum fortgeschrittenen NSCLC haben in den vergangenen Jahren gezeigt, daß Cisplatin-haltige Chemotherapie-Schemata im Vergleich zur besten supportiven Behandlung die mediane Überlebenszeit (um 10 Wochen) und die Überlebensrate nach einem Jahr (10%) signifikant, insgesamt aber nur geringfügig, verbessern (vgl. AMB 1993, 27, 68). Basierend auf den Ergebnissen dieser Studien wurden 1997 Richtlinien der American Society of Clinical Oncology zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC veröffentlicht, über die wir berichtet haben (vgl. AMB 1997, 31, 94a). Inzwischen stehen verschiedene neue Substanzen (Vinorelbin, Taxane, Camptothecin-Derivate wie z.B. Irinotecan, Gemcitabin) zur Behandlung des NSCLC zur Verfügung (vgl. AMB 1999, 33, 30a) die möglicherweise Alternativen für die palliative zytostatische Monotherapie bzw. (Platin-haltige) Kombinationstherapie sind, jedoch noch in kontrollierten klinischen Studien geprüft werden müssen. In einer internationalen, multizentrischen Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit (Zielkriterien: Ansprechen, Zeit bis zum Progreß, Überleben, Lebensqualität) von Cisplatin plus Gemcitabin versus einer Monotherapie mit Cisplatin bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC verglichen (Sandler, A.B., et al.: J. Clin. Oncol. 2000, 18, 122). Die Studie wurde von Lilly, dem Hersteller von Gemcitabin (Gemzar), finanziell unterstützt. Insgesamt wurden 522 Patienten mit einem medianen Alter von etwa 62 Jahren in die Studie aufgenommen und nach Randomisierung alle 4 Wochen mit Cisplatin (100 mg/m2) oder Cisplatin (100 mg/m2), Tag 1, plus Gemcitabin (1000 mg/m2) an den Tagen 1, 8 und 15 behandelt. Geplant waren maximal 6 Zyklen der Chemotherapie, wobei allerdings die mediane Zahl der verabreichten Zyklen im Arm Monotherapie mit Cisplatin nur 2 und im Arm Cisplatin plus Gemcitabin 4 betrug. Gründe für diese Unterschiede, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten, wurden von den Autoren nicht genannt. Erwartungsgemäß war die hämatologische Toxizität der Kombinationschemotherapie deutlich stärker, und bei mehr als 50% der Patienten trat eine Neutro- und/oder Thrombozytopenie entsprechend WHO-Grad 3 bzw. 4 auf. Die hämatologische Toxizität war auch im Wesentlichen dafür verantwortlich, daß nur etwa ein Drittel der Patienten die volle Gemcitabin-Dosis erhielten. Beide Therapiearme unterschieden sich nicht signifikant hinsichtlich der nicht-hämatologischen Toxizität. Ernste unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Gemcitabin (z.B. pulmonale Toxizität, Herzrhythmusstörungen; vgl. AMB 1998, 32, 21b und 47a) traten selten (bei < 5% der Patienten) auf. Ansprechraten (30,4% versus 11,1%; p < 0,0001), mediane Zeit bis zum Progress der Erkrankung (5,6 Monate versus 4,7 Monate; p = 0,0013), und Gesamtüberleben (9,1 Monate versus 7,6 Monate; p = 0,004) waren für Patienten, die mit der Kombination Cisplatin plus Gemcitabin behandelt wurden, signifikant besser. Signifikante Unterschiede im Überleben fanden sich allerdings nur bei Patienten im Stadium III, nicht jedoch im Stadium IV, in dem sich 67-70% der rekrutierten Patienten bei Diagnosestellung befanden. In beiden Therapiearmen verschlechterte sich während der zytostatischen Therapie die Lebensqualität, wobei signifikante Unterschiede zwischen der Mono- und Polychemotherapie nicht beobachtet wurden. Fazit: Eine primäre Polychemotherapie mit Cisplatin plus Gemcitabin ist einer Monotherapie mit Cisplatin hinsichtlich Ansprechrate, Zeit bis zum Progreß der Erkrankung und Überleben im Stadium III leicht überlegen. Der Schlußfolgerung der Autoren dieser Studie („Gemcitabin plus Cisplatin sollte als Standardkombination in der primären Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC betrachtet werden“) können wir uns derzeit nicht anschließen. Weitere kontrollierte klinische Studien zur Wirksamkeit der neuen zytostatischen Substanzen als palliative Mono- bzw. Polychemotherapie des NSCLC sind dringend erforderlich. Eine wesentliche Verbesserung der Prognose von Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC ist wahrscheinlich auch durch diese Substanzen leider nicht zu erreichen.