Bei Patienten mit postoperativem oder spontanem Hypoparathyreoidismus besteht die Therapie in der Gabe von Vitamin D3 bzw. Vitamin-D-Derivaten (z.B. 1a-Hydroxycolecalciferol = Alfacalcidol [Bondiol, EinsAlpha], 1a,25-Dihydroxycolecalciferol = Calcitriol [Decostriol, Rocaltrol]). Die Dosierung richtet sich nach dem jeweiligen Serum-Kalziumwert. Vitamin D und seine Derivate erhöhen das Serum-Kalzium in erster Linie durch Steigerung der enteralen Kalziumresorption und durch Steigerung der Knochenresorption. Östrogene beeinflussen den Kalziummetabolismus in erster Linie durch Hemmung der Knochenresorption (Stimulierung der Osteoblasten und Hemmung der Osteoklasten). J. McIlroy et al. aus Glasgow berichteten im Brit. Med. J. (1999, 319, 1252) über drei Frauen, bei denen ein Hypoparathyreoidismus bestand (zweimal nach Schilddrüsenoperation, einmal spontan) und die seit längerer Zeit durch Einnahme von Alfacalcidol stabile Serum-Kalzium-Werte im mittleren Normbereich hatten. Die Frauen waren 54, 52 bzw. 51 Jahre alt. Die Alfacalcidol-Dosen betrugen 1 bzw. 3 bzw. 2 µg/d. Bei einer Frau kam es unerwartet zu einer Hyperkalziämie mit Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und starkem Gewichtsverlust. Das Serum-Kalzium war 3,5 mmol/l. Es stellte sich heraus, daß die Patientin einige Monate zuvor eine postmenopausale ÖstrogenBehandlung beendet hatte. Nach Reduktion der Alfacalcidol-Dosis von 1 auf 0,25 µg/d wurde das Serum-Kalzium wieder normal und stabil. Die zweite Frau, die 3 µg Alfacalcidol benötigt hatte, wurde ebenfalls unerwartet ohne besonderen Grund hyperkalzämisch. Die Hyperkalziämie wurde auf die inzwischen eingetretene Menopause zurückgeführt, die durch hohe Serum-Konzentrationen von FSH und LH bewiesen wurde. Nach Reduktion der Alfacalcidol-Dosis von 3 auf 1 µg/d war das Kalzium wieder normal. Ähnlich waren die Befunde bei der dritten hier beschriebenen Frau, die schwere Symptome einer Hyperkalzämie mit Serum-Kalzium-Werten von 3,25 mmol/l hatte, nachdem die Menopause eingetreten war. Die Alfacalcidol-Dosis wurde von 2 auf 0,25 µg/d reduziert, worunter die Serum-Kalzium-Konzentrationen normal wurden.
Diese drei Fallberichte und auch andere in der Arbeit zitierte Kasuistiken belegen, daß bei Frauen mit Hypoparathyreoidismus, bei denen sich der Östrogenstatus ändert (Verordnung oder Absetzen von oralen Kontrazeptiva bzw. postmenopausalen Östrogen-Präparaten, Eintreten der Menopause) das Serum-Kalzium häufiger kontrolliert werden muß, da möglicherweise niedrigere Dosen für die Aufrechterhaltung der Normokalzämie ausreichen.
Fazit: Bei Frauen mit Hypoparathyreoidismus, deren Östrogenstatus sich ändert (orale Kontrazeptiva, „Hormonersatztherapie“, Eintreten der Menopause), sollte die Vitamin D- bzw. Vitamin-D-Analoga-Dosis für die Einstellung der Serum-Kalzium-Konzentration überprüft werden, da hyperkalzämische Komplikationen auftreten können.