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Fludarabin plus Rituximab bei chronischer lymphatischer Leukämie: Ergebnisse einer randomisierten Phase-II-Studie

Wir haben wiederholt über neue Therapiestrategien bei der chronischen lymphatischen B-Zell-Leukämie (B-CLL) berichtet, die auf vermehrte komplette Remissionen (CR), insbesondere aber auf eine Verlängerung der Remissionsdauer und des Gesamtüberlebens abzielen. Die Purin-Analoga Fludarabin und 2-Chlordesoxyadenosin, z.T. in Kombination mit Alkylanzien (z.B. Chlorambucil, Cyclophosphamid), sind in Phase-II- und in wenigen Phase-III-Studien hinsichtlich Wirksamkeit und Toxizität untersucht worden, wobei die Ansprechraten gegenüber der Standardtherapie bei behandlungsbedürftigen Patienten mit B-CLL verbessert, das Gesamtüberleben jedoch nicht verlängert wurde (vgl. 1) und die Therapiekosten deutlich höher lagen (2). Die Wirksamkeit einer Monotherapie mit Rituximab, einem unkonjugierten chimären monoklonalen Antikörper, der gegen das auf B-Lymphozyten exprimierte CD20-Antigen gerichtet ist (vgl. 3), war in den bisher durchgeführten unkontrollierten klinischen Studien mit kleiner Patientenzahl bei B-CLL (z.B. 4, 5) enttäuschend gering, konnte jedoch durch Dosiseskalation bzw. häufigere Gabe verbessert werden (6, 7). Ausgehend von den Ergebnissen einer großen, randomisierten Phase-III-Studie der Cancer and Leukemia Group B (CALGB) zur Wirksamkeit von Fludarabin bei unbehandelter B-CLL (8) hat die CALGB jetzt in einer randomisierten Phase-II-Studie die Wirksamkeit und Sicherheit einer gleichzeitigen bzw. sequentiellen Gabe von Fludarabin und Rituximab bei unbehandelten Patienten mit B-CLL im Stadium Rai III/IV bzw. I/II und Zeichen für Krankheitsprogreß untersucht (9). Insgesamt 104 Patienten (medianes Alter 63 Jahre) wurden in die Studie eingeschlossen und nach Randomisierung wie folgt behandelt: 1. Gleichzeitige Gabe (Arm A, n = 51) von Fludarabin (25 mg/m2 i.v. über 5 Tage alle 4 Wochen) und Rituximab (375 mg/m2 als Infusion an den Tagen 1 und 4 des ersten Zyklus bzw. am Tag 1 der Zyklen 2-6); 2. Sequentielle Gabe (Arm B, n = 53) von Fludarabin (Dosierung wie in Arm A) und nach 6 Zyklen Fludarabin Überprüfen des Therapieansprechens sowie zweimonatiger Beobachtung Gabe von Rituximab (375 mg/m2 einmal wöchentlich über 4 Wochen). Patienten im Arm A erhielten bei stabiler Erkrankung bzw. gutem Ansprechen nach zweimonatiger Beobachtung ebenfalls 4 zusätzliche Gaben von Rituximab im Wochenabstand.

Ergebnisse: Das Ansprechen, beurteilt 2 Monate nach Ende der Induktionstherapie und 2 Monate nach Beendigung der gesamten Therapie, war nach gleichzeitiger Gabe von Fludarabin und Rituximab besser als nach sequentieller Gabe (nach Beendigung der gesamten Therapie CR: 47% vs. 28%, CR und partielles Ansprechen 90% vs. 77%). Patienten mit stabiler Erkrankung nach Monotherapie mit Fludarabin profitierten nicht von der konsolidierenden Gabe von Rituximab. Nach der noch kurzen medianen Beobachtungsdauer von 23 Monaten ist bei 18 Patienten in Arm A (35%) und 15 Patienten in Arm B (28%) ein Progreß der B-CLL aufgetreten. Aufgrund der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von Rituximab und Fludarabin auf das Immunsystem (lang anhaltende Depletion und funktionelle Beeinträchtigung von B- bzw. T-Lymphozyten) erfolgte eine gründliche Analyse der infektiösen Toxizität beider Therapiearme. In Arm A traten 8 und in Arm B 14 opportunistische, vorwiegend durch Herpesviren verursachte Infektionen auf. Infusions-assoziierte UAW traten bei 100% der in Arm A und nur bei 9% (vermutlich aufgrund der geringeren Tumorlast) der in Arm B behandelten Patienten auf. Durch eine fraktionierte Gabe von Rituximab (50 mg/m2 an Tag 1 und 325 mg/m2 an Tag 3) sowie Verlängerung der Infusionsdauer konnten die Infusions-assoziierten UAW (z.B. Fieber, Schüttelfrost, Hypotension, Luftnot) reduziert werden. Bemerkenswert und pathophysiologisch nicht eindeutig zu erklären ist die starke hämatologische Toxizität der Kombination von Fludarabin und Rituximab (Grad 3/4 Neutropenie 76% in Arm A vs. 39% in Arm B bzw. Thrombozytopenie 20% vs. 10%).

Fazit: Die gleichzeitige oder sequentielle Gabe von Fludarabin und Rituximab ist bei unbehandelter B-CLL wirksam, jedoch deutlich toxischer (Myelosuppression, Infusions-assoziierte UAW, opportunistische Infektionen) und teurer als z.B. die Gabe von Chlorambucil. Ob die zusätzliche Gabe von Rituximab bei B-CLL die Remissionsrate, insbesondere aber progreßfreies bzw. Gesamtüberleben signifikant verlängert, müssen zukünftige Phase-III-Studien (z.B. Fludarabin ± Rituximab) zeigen. Die Ergebnisse der vorgestellten Phase-II-Studie der CALGB rechtfertigen derzeit aus unserer Sicht nicht die kombinierte Gabe von Fludarabin und Rituximab zur initialen Therapie der B-CLL. Rituximab ist für diese Indikation auch nicht zugelassen.

Literatur

  1. AMB 2001, 35, 6 und 2001, 35, 14.
  2. Marchetti, M., und Barosi, G.: N. Engl. J. Med. 2001, 344, 1166.
  3. AMB 2002, 36, 33.
  4. McLaughlin, P., et al.: J. Clin. Oncol. 1998, 16, 2825.
  5. Foran, J.M., et al.: J. Clin. Oncol. 2000, 18, 317.
  6. O’Brien, S.M., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 2165.
  7. Byrd, J.C., et al.: J. Clin. Oncol. 2001, 19, 2153.
  8. Rai, K.R., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1750.
  9. Byrd, J.C., et al.: Blood 2003, 101, 6.