Frage von Dr. A.F. aus Berlin: >> Im Laufe der letzten Jahre wurden Dosieraerosole auf FCKW-freie Treibmittel umgestellt. Durch diese Umstellung enthalten viele Dosieraerosole jetzt Ethanol als weiteren Bestandteil, ohne daß bisher irgendein Hersteller darauf hingewiesen hat. Sollte auf eine Anwendung dieser Sprays bei Patienten mit einer Alkoholkrankheit verzichtet werden? <<
Antwort (in Zusammenarbeit mit einem Suchtexperten): >> Im Folgenden sind einige Dosier-Aerosole genannt, die Ethanol enthalten: Aarane N, Aerobec N, Allergospasmin N, Atrovent N, Berodual N, Berotec N, Bronchocort novo, Bronchospray novo, Epaq, Junik, Salbulair N, Salbutamol Stada N, Ventolair. Um einen Anhalt dafür zu bekommen, wieviel Ethanol einem Patienten mit diesen Sprays pro Tag zugeführt wird, soll der Ethanolgehalt eines Sprühstoßes von Berodual N Dosier-Aerosol genannt werden: 13,3 mg. Bei anderen Dosier-Aerosolen ist die Menge sicher ähnlich. Das bedeutet bei einer empfohlenen Dosierung in der Erhaltungstherapie (2 Hübe, drei- bis viermal/d) eine applizierte Menge von 90 bis 120 mg Ethanol pro Patient und entspricht etwa 1 ml eines Weines mit einem Alkoholgehalt von 10%. Möglicherweise ist in Obstsäften ohne Deklaration mehr Ethanol enthalten.
Trotzdem ist die Frage, ob insbesondere mehrmals täglich applizierte Sprühstöße die Abstinenz ”trockener” Alkoholabhängiger gefährden können, durchaus berechtigt. Nicht die aufgenommene Menge ist das Problem, sondern das individuelle ”Expositionsambiente” auf dem Hintergrund eines biopsychologisch etablierten Suchtgedächtnisses in bestimmten Verhaltenssystemen des zentralen Nervensystems. Speziell bei ethanolhaltigen Asthmaaerosolen ist auf die ”suchtassoziierte” Bedeutung des entwicklungsgeschichtlich ältesten Sinnesorgans, des Olfaktoriussystems, hinzuweisen. Es stellt einen unmittelbaren Zusammenhang zum limbischen Emotionssystem und zu subkortikalen Strukturen her, wo das dauerhaft abgespeicherte Suchtprogramm jederzeit auch durch symbolische ”Kontextreize” mit der Gefahr eines Rückfalls aktiviert werden kann.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird für den Regelfall der Gebrauch von ethanolhaltigen Dosier-Aerosolen keine Gefährdung für die Entwicklung eines schädlichen Alkoholgebrauchs sein. Allerdings ist es aus derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand durchaus möglich, daß man bei manifester Abhängigkeit so die mühsam erreichte Abstinenz gefährden kann. Deshalb ist in den Packungsbeilagen zumindest ein Warnhinweis, wenn nicht sogar eine Verzichtsempfehlung dieser Sprays für Patienten mit Alkoholkrankheit notwendig. <<