Artikel herunterladen

Pharmakovigilanz – Arzneimittelsicherheit erforschen und verbessern!

Um das Problembewußtsein auf diesem Gebiet anzuschieben, hatte die International Society of Drug Bulletins (ISDB) auf Initiative des ”Arzneitelegramms” zu einem Treffen der europäischen ISDB-Mitglieder nach Berlin eingeladen. Das Interesse war groß. 17 Bulletins aus zehn europäischen und vier außereuropäischen Ländern waren vertreten. Auch Fachleute von freien Verbänden und Arzneimittelbehörden waren anwesend. Diskutiert wurde zu den Themen ”Wie können Daten zur Arzneimittelsicherheit gewonnen werden?”, ”Spontanerfassungssysteme”, ”Systematische Erfassung”, ”Die EMEA im Mittelpunkt des Interesses” und ”Neuere Beobachtungen zur Arzneimittelsicherheit”. Schließlich wurde eine gemeinsame Deklaration verabschiedet. Eine Zusammenfassung wollen wir im Folgenden unseren Lesern mitteilen, denn Arzneimittelsicherheit geht jeden an. Wir alle müssen und können uns bemühen, sie zu verbessern.

”Pharmakovigilanz” – d.h. der Prozeß, die Arzneimittelsicherheit zu erforschen und zu verbessern – muß angeregt werden. Die Zeiten vor der Zulassung eines Arzneimittels werden kürzer. Größere supranationale Märkte, die direkte Werbung für Arzneimittel bei Patienten, die Ausweitung der Selbstmedikation und die zunehmende Zahl schlecht hergestellter Medikamente vergrößern das Risiko. Pharmakovigilanz ist bisher nicht gut organisiert. Dazu können folgende Beispiele angeführt werden:

1. Die europäische Arzneimittelbehörde EMEA ist dem Europaministerium für Handel und Industrie unterstellt.

2. In Krankenhäusern und ambulanter Praxis gibt es meist keine Institutionen, die sich der Arzneimittelsicherheit annehmen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind medizinische Waisenkinder.

3. Die Häufigkeit der UAW ist nicht bekannt, weder bezogen auf die Gesamtbevölkerung noch bezogen auf die Anzahl der Verordnungen. Die medizinische und wirtschaftliche Bedeutung ist allerdings groß. Öffentlich geförderte Studien zu Effektivität und Sicherheit der Pharmakotherapie gibt es praktisch nicht.

4. Die Pharmaindustrie ist stark interessiert an Verkauf und Umsatz. Daher werden die Probleme der UAW oft heruntergespielt. Auch relevante Informationen werden nicht präzise genug an die medizinische Öffentlichkeit weitergegeben. Informationen zu Meldungen über UAW werden erschwert, und seriöse wissenschaftliche Untersuchungen nach der Zulassung eines Arzneimittels sind nicht regelmäßig vorgesehen.

5. Auch Ärzte und Apotheker haben noch zu wenig Interesse an der Pharmakovigilanz. UAW werden nicht häufig genug gemeldet. Technische und praktische Einzelheiten zum Meldevorgang sind oft nicht bekannt. Die Zeit, die dafür aufgewendet wird, wird außerdem nicht bezahlt.

6. Patienten erhalten oft unzureichende und auf sprachliche und inhaltliche Verständlichkeit meist nicht getestete Informationen über UAW. Im Krankenhaus erhalten sie meist nicht einmal die Packungsbeilagen. Eigene Berichte der Patienten über UAW werden leider nicht überall akzeptiert.

Folgendes wird vorgeschlagen:

· Alle für die Arzneimittelsicherheit relevanten Informationen sollen spätestens am ersten Tag der Zulassung eines Arzneimittels öffentlich verfügbar sein, einschließlich der Ergebnisse der toxikologischen und präklinischen Untersuchungen. Alle diese Informationen sollten routinemäßig in die öffentlich zugängliche Datei der EMEA aufgenommen werden. Wenn bestimmte Probleme der Arzneimittelsicherheit auftreten, sollten öffentliche und nicht-öffentliche Institutionen, z.B. auch Versicherungsgesellschaften, angemessene Studien auf den Weg bringen.

· Interessenkonflikte sollten überall offen gelegt werden, z.B. in Behörden, in der Wissenschaft, bei der Fortbildung sowie bei der Diskussion der Arzneimittelzulassung im Krankenhaus.

· Arzneimittelwerbung, die zur Verschlechterung der Versorgungsqualität beitragen kann, muß verboten werden. Unabhängige Informationen muß es auch für Patienten geben. Sie sollten zuvor auf ihre sprachliche und inhaltliche Verständlichkeit und auf ihre Effektivität getestet sein.

· Die Aktivitäten und die Organisation aller interessierten Institutionen sollten zu einem Netzwerk der Pharmakovigilanz zusammengebunden werden. Dazu ist persönliche Initiative erforderlich. Lokale Pharmakovigilanzzentren, z.B. an Ärztekammern, Instituten für klinische Pharmakologie oder (Krankenhaus-) Apotheken und Arzneimittelkommissionen werden vorgeschlagen. Sie könnten Informationen weitergeben, Fortbildungsveranstaltungen organisieren, zu rationalen Verschreibungen beitragen, die regelmäßige Meldung von UAW aktivieren und das wissenschaftliche Interesse an UAW wachhalten.

Die in der ISDB zusammengeschlossenen Bulletins sind im Netzwerk der Pharmakovigilanz in der Rolle der unabhängigen verbindenden Medien, die informieren, motivieren, kritisieren und auf diese Weise helfen, das Interesse an der wachsenden Epidemie der UAW wach zu halten.