Die ALLHAT-Studie (1) hat die Diskussion über die beste Therapie der Hypertonie weltweit belebt. Die Bedeutung der Thiazid-Diuretika, aber auch die der Kalziumantagonisten, ist unterstrichen worden, die der ACE-Hemmer ist abgeschwächt, und die der Alpha-1-Rezeptor-Blocker ist völlig an den Rand gerückt worden (2). Betarezeptoren-Blocker und Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten (AT-II-RB) wurden nicht untersucht. Es besteht großes Interesse daran, diese Substanzen in die vergleichende quantitative Betrachtung mit einzubeziehen. Große vergleichende Studien sind in nächster Zeit allerdings nicht zu erwarten, denn wegen der sicher geringen Wirkungsunterschiede zwischen den Medikamenten wären sehr große Patientenzahlen erforderlich, um sie als signifikant nachzuweisen. Alle Antihypertensiva sind in ihrer individuellen Wirkung bekannt und bereits mit Plazebo oder mit anderen verglichen worden, aber natürlich nicht mit allen. Aus diesen Einzelinformationen muß sich daher jeder Arzt selbst einen Flickenteppich zur Hierarchie der Wirksamkeiten herstellen. Dabei wird er von der interessierten Pharmaindustrie tatkräftig ”unterstützt”. Zuverlässiger sind sicher die Leitlinien großer unabhängiger Expertengruppen, etwa des Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure, das in seinem siebten Report die Diuretika für die meisten Patienten mit unkomplizierter Hypertonie an erster Stelle erwähnt (3).
In dieser Situation ist das Ergebnis einer Netzwerk-Metaanalyse der Antihypertensiva von Epidemiologen aus Seattle interessant (4). Sie entwickelten eine Methode, mit der die Ergebnisse ähnlicher Studien zusammengeführt werden können. Normalerweise faßt eine Metaanalyse Studien mit gleicher Fragestellung zusammen, um mit auf diese Weise erhaltenen größeren Patientenzahlen höhere Aussagekraft (Power) zu erreichen (z.B. alle Studien, die antihypertensiv wirkende Diuretika mit Plazebo vergleichen = direkter Vergleich). Die Vergleiche werden als Relatives Risiko beschrieben (RR). Die Netzwerk-Metaanalyse führt zusätzlich den indirekten Vergleich ein, d.h. einen Vergleich der Relativen Risiken (RR) von zwei verschiedenen Substanzen, die nicht direkt gegeneinander getestet wurden, sondern jeweils separat gegen Plazebo. Die Netzwerk-Metaanalyse geht also methodisch in einer Weise vor wie ein medizinisch belesener Arzt, der sich aus verschiedenen ähnlichen Einzelstudien ein Bild zu machen versucht. An Beispielen wird gezeigt, daß die so erhaltenen direkten und indirekten RR fast identisch sind, wenn die Effekte unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kollektiv sind.
Die Ergebnisse von 42 klinischen Studien an 192478 Hypertonikern und sieben Behandlungsstrategien (einschließlich Plazebo) wurden gemeinsam ausgewertet (Tab. 1). In allen Endpunkten waren niedrig dosierte Diuretika signifikant besser als Plazebo. Die untersuchten Endpunkte waren: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, kombinierte kardiovaskuläre Ereignisse, kardiovaskuläre Sterblichkeit und Gesamt-Sterblichkeit. Kein Antihypertensivum war – bezogen auf die untersuchten Endpunkte – dem Diuretikum signifikant überlegen. Die Wirkungen sind sehr ähnlich. Niedrigere RR gegenüber dem Diuretikum sind kaum nachzuweisen; der Wert bewegt sich um 1. Allein die Zahl der Apoplexe war etwas geringer unter AT-II-RB. Diese unerklärte Beobachtung kennen wir schon aus individuellen Studien. Herzinsuffizienz war deutlich, aber gleichwohl insignifikant häufiger unter Kalziumantagonisten und Alpha-1-Rezeptor-Blockern. Spezielle methodische Probleme sind aus den einzelnen Vergleichsstudien bekannt, z.B: Ödeme sind eine unerwünschte Wirkung der Kalziumantagonisten, aber auch klinisches Zeichen einer Herzinsuffizienz. Damit wird die Diagnose einer genuinen Herzinsuffizienz unter Therapie mit Kalziumantagonisten erschwert. Andererseits ist mit der Gabe von Diuretika nicht nur die Hypertonie, sondern auch eine möglicherweise bestehende Herzinsuffizienz mitbehandelt. Wenn also Diuretika – entsprechend dem Studiendesign – weggelassen werden müssen, kann bei einigen Patienten eine bis dato mitbehandelte Herzinsuffizienz klinisch manifest werden. Daher kann also die Zahl der herzinsuffizienten Patienten unter antihypertensiver Therapie mit Diuretika niedriger sein.
Fazit: Diese Netzwerk-Metaanalyse von Psaty bestätigt die Aussage der ALLHAT-Studie: Kein Antihypertensivum ist niedrig dosierten Diuretika überlegen. Alle sind im Wesentlichen gleich wirksam in der Verhinderung von Komplikationen. In speziellen klinischen Situationen mag das eine oder andere Antihypertensivum vorzuziehen sein (s.a. 3). Dies wurde hier allerdings nicht untersucht. Die Empfehlungen des Joint National Committee (3), nach denen Diuretika in der Regel Mittel der ersten Wahl bei Hypertonie Grad 1 und 2 sind, finden mit den Ergebnissen dieser umfassenden Analyse eine zusätzliche Begründung.
Literatur
- ALLHAT (= Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial): JAMA 2002, 288, 2981; s.a. AMB 2003, 37, 12.
- Düsing, R.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2003, 128, 214.
- The Seventh Report of the Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure: JAMA 2003, 289, 2560; s.a. AMB 2003, 37, 51.
- Psaty, B.M., et al.: JAMA 2003, 289, 2534.