Im Oktober 2003 haben wir über die Million Women Study (MWS) im Hinblick auf die Inzidenz des Mammakarzinoms berichtet (1). Die Studie ergab, dass Frauen, die Östrogene oder Tibolon als „HRT” allein eingenommen hatten, ein signifikant erhöhtes Risiko hatten, an Brustkrebs zu erkranken, aber ein geringeres Risiko als Frauen, die Östrogen/Gestagen-Kombinationen eingenommen hatten. Gegen die Studie ist mehrfach eingewendet worden, dass von der ca. einen Million zum Brustkrebs-Screening eingeladenen Frauen möglicherweise diejenigen freiwillige Angaben (Fragebögen) über den Gebrauch von „HRT”-Präparaten gemacht haben, die befürchteten, durch den Gebrauch dieser Präparate Brustkrebs zu bekommen. Dies könnte zu Verfälschungen (hier: Überschätzung des Risikos) geführt haben.
Dieser Einwand ist nicht anwendbar auf eine neue Publikation der MWS-Autoren (2), in der der Einfluss der „HRT”-Hormone auf die Inzidenz des Endometrium-Karzinoms im Verlauf von 3,4 Jahren nach dem Ausfüllen der Fragebögen untersucht wurde.
Von 716738 postmenopausalen Frauen mit intaktem Uterus hatten ca. 321000 „HRT”-Hormone genommen, davon ca. 69500 kontinuierlich kombinierte Östrogene/Gestagene (Gruppe 1), ca. 145000 zyklisch kombinierte Östrogene/Gestagene (Gruppe 2), ca. 14200 nur Östrogene (Gruppe 3) und ca. 28000 Tibolon (Liviella®; ein Östrogen mit gestagenen und androgenen Eigenschaften; Gruppe 4). Verglichen mit Frauen, die nie „HRT”-Präparate genommen hatten, hatten Frauen der Gruppe 1 ein vermindertes Relatives Risiko (RR), ein Endometriumkarzinom zu bekommen (RR: 0,71; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,56-0,9; p = 0,005). In Gruppe 2 war das RR nicht erhöht oder erniedrigt (RR: 1,05; CI: 0,91-1,22), während es in Gruppe 3 (RR: 1,45; CI: 1,02-2,06; p = 0,04) und Gruppe 4 (RR: 1,79; CI: 1,43-2,25; p = 0,0001) signifikant erhöht war. Hinsichtlich Tibolon sind dies die ersten belastbaren Daten bezüglich des Risikos für Endometriumkarzinom.
Übergewichtige Frauen (Body Mass Index = BMI > 30), die keine Hormone einnahmen, hatten ein vierfach höheres Risiko für Endometriumkarzinom als Frauen mit BMI < 25. Bei Frauen dieser Gewichtsklasse war jedoch eine „HRT” entsprechend Gruppe 1 erheblich protektiv (Reduktion des Endometriumkarzinoms auf ein Fünftel), während der protektive Effekt bei leichtgewichtigen Frauen nicht nachweisbar war.
Diese Daten sind sehr interessant und werden bei der individuellen Auswahl eines „HRT”-Präparats, wenn es denn indiziert ist, nützlich sein. Einfacher wird die Auswahl wegen der Notwendigkeit der multifaktoriellen Beurteilung aber nicht. So ist zu bedenken, dass Brustkrebs in dieser Altersgruppe (Frauen zwischen 55 und 60 Jahre) ohne „HRT” vier- bis fünfmal häufiger ist als ein Endometriumkarzinom, und dass bei Frauen der Gruppen 1 und 2 in der MWS die Brustkrebshäufigkeit infolge des Hormongebrauchs deutlich stärker zunahm als in den Gruppen 3 und 4. Zu berücksichtigen sind zudem kardiovaskuläre und metabolische Risiken. Die Bedeutung dieser Studie ist limitiert durch ihre relativ kurze Beobachtungsdauer von 3,4 Jahren. Bei längerer Anwendung der „HRT” könnte sich die Inzidenz des Endometriumkarzinoms in allen Gruppen ändern (3).
Fazit: In der MWS-Studie zeigte sich, dass die kontinuierlich-kombinierte Anwendung von Östrogenen/Gestagenen zur „HRT” bei Frauen mit Uterus, besonders bei übergewichtigen, das Risiko für Endometriumkarzinom reduziert. Zyklisch angewendete Östrogene/Gestagene sind in dieser Hinsicht neutral. Östrogene allein oder Tibolon erhöhen jedoch das Risiko signifikant.
Literatur
- AMB 2003, 37, 77.
- Beral, V., et al. (MWS = Million Women Study): Lancet 2005, 365, 1543.
- Brinton, L.A., et al.: Lancet 2005, 365, 1517.