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Johanniskraut bei Depression

Ein Extrakt aus Johanniskraut (Hypericum) wird in Deutschland gerne als „naturheilkundliches Mittel” bei leichten und milden Depressionen verordnet (1), insbesondere weil weniger unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) vermutet werden als bei trizyklischen Antidepressiva oder den wesentlich teureren Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI).

Die Wirksamkeit der Johanniskrautextrakte wird aber nach wie vor bestritten, und sie spielen in den angloamerikanischen Ländern kaum eine Rolle. In einer aktuellen Cochrane-Analyse wird Johanniskraut jedoch positiv beurteilt (2). In dieser Analyse wurden insgesamt 27 Arbeiten berücksichtigt. 17 Studien verglichen Hypericum mit Plazebo und zehn Studien mit anderen Antidepressiva. Gegenüber Plazebo erwies sich Hypericum wirksamer und gegenüber anderen Antidepressiva als gleichwertig. Zugleich wurden unter Johanniskrautextrakten weniger UAW als unter Standard-Antidepressiva beschrieben.

Wer sich nun wundert, warum die SSRI so bevorzugt werden, dem sei das sehr unterhaltsame Buch „Mount Misery” von dem Harvard-Psychiater Samuel Shem empfohlen, in dem er seinen Lesern einen Blick hinter die Kulissen der wissenschaftlichen Psychiatrie erlaubt (3).

Eine deutsche Studie unter Leitung von A. Szegedi von der Berliner Charité und dem Hersteller eines Hypericumextrakts (Schwabe Pharma) erhöht nun nochmals die Evidenz für die Wirksamkeit der Johannniskrautextrakte auch bei schwereren Formen der Depression (4). In einem Doppeltblind-Design wurden 251 ambulante Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Depression an 21 deutschen Zentren entweder mit Johanniskraut (Hypericum-Extrakt WS 5570, minimal dreimal 300 mg/d, max. dreimal 600 mg/d) oder dem SSRI Paroxetin (minimal einmal 20 mg/d, maximal 40 mg/d) behandelt. Bei den Patienten handelte es sich zu 70% um Frauen mit einem mittleren Alter um 47 Jahre. Bei 40% lag eine wiederholte Episode vor. Der mittlere Wert auf der Hamilton-Skala zur Einschätzung des Schweregrads der Depression betrug 25,5 (mögliche Spanne: 0-52); 70% der Patienten wurden als stark oder schwer beeinträchtigt eingeschätzt. Die medikamentöse Behandlung ging über sechs Wochen. Wenn nach zwei Wochen keine Besserung der Symptome eintrat, sollte die Dosis verdoppelt werden. Endpunkte waren der Depressionsverlauf an Hand der Hamilton-Skala und anderen Skalen sowie die Verträglichkeit.

Nach einer siebentägigen „Run-in-Phase” mit Plazebo wurden 46 Patienten wieder aus der Studie ausgeschlossen (17 aus dem Hypericum-Arm und 29 aus dem Paroxetin-Arm), u.a. wegen „fehlender Effektivität” (6 bzw. 3), UAW (4 bzw. 8), Remission (1 bzw. 1) oder weil sich die Patienten nicht wieder vorstellten (6 bzw. 8). Im weiteren Verlauf gingen weitere Patienten verloren, so dass letztlich nur 97 im Hypericum-Arm und 91 im SSRI-Arm das Protokoll ganz erfüllten.

Nach sechs Wochen (Intention to treat) sank der Hamilton-Score in der Hypericum-Gruppe um 14 Punkte und in der Paroxetin-Gruppe um 11,4 Punkte. Hypericum erwies sich also als nicht schlechter als der verwendete SSRI. Nach dem definierten primären Endpunkt (> 50% Abfall) erwies sich Hypericum sogar statistisch dem SSRI überlegen (71% vs. 60%; p = 0,02).

UAW wurden bei 55% der Hypericum-Patienten beschrieben und bei 76% der Paroxetin-Patienten (Tab. 1). Johanniskraut hat, entgegen der allgemeinen Annahme, nicht wenige UAW. Durch die Interaktionen mit Zytochromen sind auch nicht wenige Wechselwirkungen der Johanniskrautextrakte (z.B. mit Digitalis) bekannt und müssen beachtet werden (vgl. 5).

Fazit: Eine weitere kleine monozentrische Studie zeigt, dass Johanniskrautextrakte bei Patienten mit mittelschweren und schweren Formen der Depression wirksam und einem SSRI (Paroxetin) mindestens gleichwertig sind. Eine große multizentrische Vergleichsstudie ist nun mehr als überfällig! Die Studie zeigt aber auch, dass Johanniskraut kein harmloses Naturheilmittel ist, sondern bei mehr als der Hälfte der Patienten zu UAW führt und dass viele Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka zu beachten sind.

Literatur

  1. AMB 2000, 34, 22.
  2. Linde, K., et al.: Cochrane Database of Systematic reviews 1, 2005, last update 18.11.2004.
  3. Shem, S.: Mount Misery. Gustav Fischer Knaur 1998, ISBN 3-426-66012-1.
  4. Szegedi, A., et al.: Brit. Med. J. 2005, 330, 503.
  5. AMB 2000, 34, 17.

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