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Leserbrief: Thalidomid bei therapierefraktärem M. Crohn?

Frage von Dr. H.B. aus Warendorf: >> Gibt es Erfahrungen mit Thalidomid bei M. Crohn? Welche Risiken sind bekannt? <<

Antwort: >> Thalidomid wurde erstmals 1954 synthetisch hergestellt und in der Folge als Sedativum und Antiemetikum, in Deutschland als Präparat Contergan® der Chemie Grünenthal, verordnet. Die Einnahme von Thalidomid durch schwangere Frauen hat zwischen 1959 und 1963 weltweit zur Geburt von etwa 10000 Kindern mit kongenitalen Missbildungen geführt (1, 2). Thalidomid wurde daraufhin 1961 in Europa vom Markt genommen, jedoch 1965 als wirksame Substanz zur Behandlung der Hautmanifestationen bei Erythema nodosum leprosum (ENL) wieder eingesetzt (2). Inzwischen wurde es auf Grund seiner antiinflammatorischen, immunmodulierenden und antiangiogenetischen Wirkungen bei verschiedenen Krankheiten, insbesondere bei Tumorerkrankungen, untersucht. Zahlreiche klinische Studien haben die Wirksamkeit von Thalidomid, z.T. in Kombination mit Kortikosteroiden, sowohl beim therapierefraktären als auch beim unbehandelten Plasmozytom belegt (2, 3, 4). Thalidomid wurde deshalb in Australien, Neuseeland, der Türkei und in Israel, nicht jedoch bisher von der EMEA, zur Therapie des Plasmozytoms zugelassen. Bei Patienten mit M. Crohn wurde Thalidomid in mehreren unkontrollierten Studien untersucht (Zusammenfassung bei 2), wobei klinische Verbesserungen hinsichtlich Stuhlfrequenz, Fistelbildung sowie Krankheits-Aktivitätsindex und eine Abnahme des Bedarfs an Kortikosteroiden beschrieben wurden. In einer weiteren kleinen klinischen Studie mit sechs Patienten und schwerer intestinaler Blutung, von denen drei einen M. Crohn hatten, schien die Gabe von Thalidomid einen positiven Effekt auf die Blutung zu haben (5). Dies wurde auf die antiangiogenetische Wirkung von Thalidomid zurückgeführt, der auch zunehmend eine Bedeutung für die antitumoröse Wirksamkeit von Thalidomid zugemessen wird (2, 3, 6). In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-Erkrankungen wurde Thalidomid bisher aber nicht als Therapiealternative beim M. Crohn aufgeführt, wohl weil es noch keine gesicherten Daten für diese Indikation gibt und Thalidomid in Deutschland bisher für keine Indikation zugelassen ist. <<

Literatur

  1. Daemmrich, A.A.: Pharmacopolitics: drug regulation in the United States and Germany. The University of North Carolina Press, Chapel Hill, London 2004.
  2. Franks, M.E., et al.: Lancet 2004, 363, 1802.
  3. Bartlett, J.B., et al.: Nature Rev. Cancer 2004, 4, 314.
  4. AMB 2000, 34, 45b.
  5. Bauditz, J., et al.: Gut 2004, 53, 609.
  6. AMB 1998, 32, 62.