Die primäre systemische Amyloidose (AL-Amyloidose) ist eine seltene, klonale Erkrankung der Plasmazellen, bei der unlösliche, aus monoklonalen Immunglobulin-Leichtketten bestehende Fibrillen in verschiedenen Geweben bzw. Organen (z.B. periphere Nerven, Herz, Niere, Leber, Gastrointestinaltrakt) abgelagert werden und zu Funktionsstörungen führen. Nach Standardtherapie mit Melphalan plus Prednison liegt das mediane Überleben bei der AL-Amyloidose nur zwischen 12 und 18 Monaten (vgl. 1). Es konnte auch durch Intensivierung der Chemotherapie (Kombination verschiedener alkylierender Substanzen) nicht verbessert werden (vgl. 2). Die Ergebnisse klinischer Studien zum Stellenwert neuer Therapiestrategien, z.B. hochdosierte Gabe von Dexamethason (DEX), hochdosierte Chemotherapie mit Melphalan gefolgt von autologer Stammzelltransplantation, werden deshalb mit Spannung erwartet.
Ausgehend von der klinischen Wirksamkeit von hochdosiertem DEX bei Patienten mit Plasmozytom wird DEX, zum Teil in Kombination mit Interferon alfa (IFN alfa), seit einigen Jahren bei Patienten mit AL-Amyloidose eingesetzt. Von der Southwest Oncology Group (SWOG) wurden jetzt die Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Phase-II-Studie mitgeteilt (3). Von insgesamt 93 Patienten erfüllten 87 Patienten die Einschlusskriterien (u.a. histologische Diagnose einer AL-Amyloidose mit Nachweis von Organbeteiligung) und erhielten eine Induktions- und anschließend eine Erhaltungstherapie. Die Induktion bestand aus einer Pulstherapie mit DEX (40 mg/d p.o. an den Tagen 1-4, 9-12 und 17-20; Wiederholung nach 35 Tagen und Gabe von insgesamt drei Zyklen). Parallel erhielten sie eine Ulkusprophylaxe mit Histamin-H2-Rezeptoren-Blockern bzw. Protonenpumpen-Inhibitoren und eine antimikrobielle Prophylaxe. Patienten > 70 Jahre erhielten im ersten Zyklus nur 20 mg DEX/d; die weitere Dosierung erfolgte individuell anhand der Verträglichkeit des Kortikosteroids. Die Erhaltungstherapie wurde etwa fünf Wochen nach Tag 1 des 3. Zyklus der Induktionstherapie begonnen und bestand aus DEX (40 mg/d oral für vier Tage alle vier Wochen) zusammen mit IFN alfa (5 Mio. IU s.c. dreimal pro Woche). Primärer Endpunkt der Studie war eine Verbesserung der durch die AL-Amyloidose ausgelösten Funktionsstörungen von Herz, Niere, Leber bzw. der Neuropathie. Gleichzeitig wurden das hämatologische Ansprechen (> 50%ige Abnahme des M2-Gradienten im Serum oder im Urin bzw. komplettes Verschwinden von Leichtketten im Serum oder im Urin) sowie das Gesamt- und progressfreie Überleben ermittelt.
Ergebnisse: Eine Besserung der Organfunktion wurde bei 33 von 73 auswertbaren Patienten (45%) beobachtet, wobei sich die Nierenfunktion (39%) deutlich häufiger als die kardiale Funktion (12%) oder die Neuropathie (3%) besserte. Ein hämatologisches Ansprechen (partielle oder komplette Remission = PR oder CR) wurde bei insgesamt 53% der Patienten erreicht; von diesen kamen 24% in eine CR. Die mediane Zeit bis zum Erreichen einer Besserung der Organfunktion lag bei 120 Tagen und bis zum Erreichen einer hämatologischen PR bei 103 Tagen. Das mediane Überleben betrug 31 Monate; das geschätzte Zwei- bzw. Fünf-Jahres-Gesamtüberleben der gesamten Patientenkohorte lag bei 60% bzw. bei 28%. Die Mehrzahl der Patienten hatte eine fortgeschrittene AL-Amyloidose, und nur 23 Patienten erfüllten die Kriterien für eine hochdosierte Chemotherapie gefolgt von autologer Stammzelltransplantation (z.B. Alter < 70 Jahre, keine Herzinsuffizienz, Kreatinin < 177 µmol/l). Erwartungsgemäß war die Toxizität der Pulstherapie mit DEX deutlich stärker und die Toleranz dieser Behandlung deutlich schlechter als bei Patienten mit Plasmozytom. Nur zwei Drittel der eingeschlossenen Patienten erhielten alle drei Zyklen der Induktionstherapie. Die häufigsten UAW während der Induktionstherapie waren kardiovaskuläre Komplikationen und Wasserretention. Die Erhaltungstherapie mit DEX und IFN alfa, geplant für zwei Jahre, konnte im Median nur sieben Monate lang verabreicht werden. Die häufigsten durch IFN alfa ausgelösten UAW waren neuropsychiatrische Störungen (einschließlich Depression) bei 24% der Patienten.
Fazit: In einer prospektiven multizentrischen Phase-II-Studie der SWOG bei Patienten mit fortgeschrittener AL-Amyloidose war hochdosiertes DEX als Induktionstherapie, gefolgt von einer Kombination von DEX plus IFN alfa als Erhaltungstherapie klinisch gut und rasch wirksam, insbesondere bei Patienten ohne Herzinsuffizienz und nicht erhöhtem Beta2-Mikroglobulin im Serum (prognostische Faktoren im multivariablen Modell). Aufgrund der erheblichen Toxizität dieser Behandlung bei fortgeschrittener AL-Amyloidose empfehlen die Autoren, in Zukunft mit reduzierter DEX-Dosis (20 mg/d) zu beginnen, sie bei guter individueller Verträglichkeit eventuell auf 40 mg/d zu erhöhen und Patienten mit Herzinsuffizienz und hohem Beta2-Mikroglobulin nicht mit DEX zu behandeln. Randomisierte klinische Studien zum Vergleich dieser Therapie mit konventionell dosiertem Melphalan plus Prednison bzw. hochdosiertem Melphalan gefolgt von autologer Stammzelltransplantation bzw. neuen Substanzen (z.B. Thalidomid, Lenalidomid, Bortezomib) sollten jetzt durchgeführt werden.
Literatur
- AMB 1997, 31, 46.
- AMB 1999, 33, 38b.
- Dhodapkar, M.V., et al. (SWOG = SouthWest Oncology Group S9628): Blood 2004, 104, 3520.