In einem systematischen Review mit Metaanalyse von mehr als 100 Publikationen zur antihypertensiven und nephroprotektiven Therapie bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern mit eingeschränkter Nierenfunktion überprüften J.P. Casas et al. aus London (1) die verbreitete Annahme, dass ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) anderen Antihypertensiva – teilweise unabhängig vom blutdrucksenkenden Effekt – hinsichtlich Nephroprotektion überlegen sind.
Zunächst stellen sie durch Auswertung plazebokontrollierter Studien fest, dass beide Hemmprinzipien des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) im Vergleich mit Plazebo bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern mit Nephropathie primäre Endpunkte, wie Verdopplung des Serum-Kreatinins und Erreichen einer terminalen Niereninsuffizienz (TNI), d.h. Dialyseindikation oder Nierentransplantation, signifikant reduzieren.
Das eigentliche Ziel der Arbeit ist jedoch die Beantwortung der Frage, ob die RAS-Hemmer bei gleicher Blutdrucksenkung (über im Mittel 4,5 Jahre) stärker nephroprotektiv sind als andere Antihypertensiva (Betablocker, Alphablocker, Diuretika, Kalziumantagonisten) allein oder in Kombination. Es wurden überwiegend doppeltblinde, randomisierte Studien (insgesamt 127) ausgewertet, in denen sowohl das Ausmaß der Blutdrucksenkung als auch die renalen Endpunkte erfasst worden waren.
Nimmt man alle Studien zusammen, dann ergibt sich hinsichtlich des Erreichens der TNI ein gerade signifikanter Vorteil für die RAS-Hemmer im Vergleich mit anderen Antihypertensiva (Relatives Risiko = RR: 0,87, Konfidenzintervall = CI: 0,75-0,99; p = 0,04) bei nur minimal und nicht signifikant stärkerer Blutdrucksenkung durch die RAS-Hemmer. In Studien mit > 500 Patienten ist der Vorteil der RAS-Hemmer geringer als in kleineren Studien (bei Ausschluss der ALLHAT-Studie). Das Gesamtergebnis wird stark von der sehr umfangreichen ALLHAT-Studie geprägt (2), in der eine auf Diuretika basierende antihypertensive Therapie hinsichtlich Nephroprotektion etwas günstiger war als eine solche mit RAS-Hemmern, aber mit niedrigerem Blutdruck in der Diuretika-Gruppe. Im Gesamtergebnis waren RAS-Hemmer bei Diabetikern tendenziell, aber nicht signifikant, besser renoprotektiv wirksam hinsichtlich des Erreichens einer TNI als andere Antihypertensiva. Das Gleiche trifft für Nicht-Diabetiker zu.
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Studien, in denen eine Verdoppelung der Serum-Kreatinin-Konzentration der primäre Endpunkt war. Im Gesamteffekt wurde ein statistisch gesicherter Vorteil der RAS-Hemmer gerade verfehlt (RR: 0,71; CI: 0,49-1,04). Kleine Studien schnitten viel besser ab als große (ALLHAT hier nicht enthalten), und bei Diabetikern waren andere Antihypertensiva sogar minimal besser als RAS-Hemmer (RR: 1,09; CI: 0,55-2,15).
Bei Verwendung kontinuierlicher statt binärer (Verdoppelung des Kreatinins ja/nein, TNI ja/nein) Variabler als Endpunkte ergibt sich folgendes Bild: Bei den Differenzen der Veränderungen des Serum-Kreatinins pro Zeiteinheit (δKreatinin/Intervention1 minus δKreatinin/Intervention2) sind RAS-Hemmer und andere Antihypertensiva in Studien mit Diabetikern gleichwertig; bei Nicht-Diabetikern sind RAS-Hemmer signifikant überlegen. Hinsichtlich der Proteinurie sind sowohl bei Diabetikern als auch bei Nicht-Diabetikern RAS-Hemmer überlegen, was mit ihrem Wirkungsmechanismus an der Niere (stärkere Erweiterung des glomerulären Vas efferens als des Vas afferens) erklärt werden kann. Hinsichtlich der glomerulären Filtrationsrate (GFR) sind RAS-Hemmer bei Diabetikern nicht signifikant besser und bei anderen Nierenkranken nicht signifikant schlechter als andere Antihypertensiva.
Somit scheint die Abnahme der Proteinurie durch RAS-Hemmer ein etwas fragwürdiger Surrogat-Parameter zu sein.
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass bei gleichem Ausmaß der Blutdrucksenkung RAS-Hemmer ein Fortschreiten der Niereninsuffizienz bei Diabetikern nicht oder kaum, bei Nicht-Diabetikern fraglich etwas besser beeinflussen als andere Antihypertensiva. Jedoch seien die Blutdruckdaten in den Studien mit Nicht-Diabetikern weniger vollständig gewesen als bei denen mit Diabetikern. Studien mit kleiner Patientenzahl, die natürlich in der Überzahl waren, seien in der Gewichtung oft mit einem „small study bias” behaftet, der entweder durch die Kleinheit der Studie selbst bedingt ist oder durch die größere Wahrscheinlichkeit, dass kleine Studien mit ungünstigen oder negativen Ergebnissen gar nicht publiziert werden („publication bias”). Hingegen ist es kaum möglich, die Ergebnisse von Studien mit mehreren 1000 Patienten publizistisch zu unterdrücken.
Fazit: Die allgemein angenommene Überlegenheit von RAS-Hemmern im Vergleich mit anderen Antihypertensiva hinsichtlich Nephroprotektion bei hypertensiven Diabetikern könnte plausibel sein und ist in kleineren Studien auch nachgewiesen worden (3). Die Nephroprotektion ist nach dieser Meta-Analyse überwiegend, wenn nicht ganz, durch die Blutdrucksenkung bedingt. RAS-Hemmer bleiben weiterhin wertvolle Antihypertensiva, auch bei Diabetikern, jedoch ist das Hauptziel der Therapie eine effektive Blutdrucksenkung mit einem Minimum unerwünschter Arzneimittelwirkungen und zu einem günstigen Preis.
Literatur
- Casas, J.P., et al.: Lancet 2005, 366, 2026.
- AMB 2003, 37, 12.
- AMB 2004, 38, 91.