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Blutdrucksenkung und Gefäßschutz durch Rote Bete oder Kakao?

Viele klinische Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass eine an Obst und Gemüse reiche Ernährung den Blutdruck bei Gesunden und noch stärker bei Hypertonikern, senken kann. Die größte Evidenz liegt für vegetarische und mediterrane Ernährungsformen sowie für die DASH–Diät vor (1). Darüber hinaus ist auch eine Verbesserung kardiovaskulärer Risikomarker und eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch eine Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Nüssen zu erzielen, z.B. durch die sogenannte Mittelmeerkost (2).

Die Mechanismen solcher Ernährungseffekte sind bislang nicht ausreichend erforscht. Zunächst wurden sie den antioxidativen Effekten von Pflanzeninhaltsstoffen zugeschrieben. Inzwischen haben jedoch mehrere randomisierte Studien belegt, dass eine Supplementierung mit Antioxidanzien keinen kardiovaskulären Nutzen erzielt (3). Für die Senkung des Blutdrucks durch vegetarische Kost wurde auch der Kaliumgehalt verantwortlich gemacht. Aber auch hier haben Studien mit entsprechender Supplementierung keine Blutdrucksenkung ergeben. Daten epidemiologischer Studien legen inzwischen nahe, dass grünes Blattgemüse (Salat, Rucola, Spinat, Petersilie u.a.) und Wurzelgemüse (u.a. Rote Bete) günstige kardiovaskuläre Effekte haben. Diese Gemüse haben in der Regel einen hohen Gehalt an anorganischem Nitrat (NO3). Beim Menschen erreichen 25% des nutritiv zugeführten Nitrats nach Resorption im Magen den sogenannten entero-salivären Kreislauf, wobei im Mund durch anaerobe Bakterien eine Konversion zu Nitrit (NO2) erfolgt. Dieses Nitrit wird mit dem Speichel verschluckt und durch die Magensäure zu Stickstoffmonoxid (NO) reduziert. NO wiederum ist ein wichtiger endothelialer Vasodilatator und antiinflammatorischer Vasoprotektor.

In einer Studie aus dem Jahre 2006 wurde gezeigt, dass die Zufuhr von Natriumnitrat den Blutdruck senkt (4). In einer einfallsreichen Untersuchung ging eine Forschergruppe aus London nun der Frage nach, ob eine definierte Menge Rote-Bete-Saft den Blutdruck senkt, die Funktion des Gefäßendothels verbessert und wenn ja, ob der zugrundeliegende Mechanismus tatsächlich die Biokonversion des nutritiv zugeführten Nitrats zu NO ist. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Hypertension publiziert (5).

In die offene Crossover-Studie wurden 14 Probanden eingeschlossen. Nach Randomisierung erhielten die Teilnehmer entweder 0,5 l Rote-Bete-Saft oder Wasser. Der Blutdruck wurde seriell, zunächst alle 15 Minuten drei Stunden lang und dann stündlich bis einschließlich 24 Stunden gemessen. In zwei Substudien wurde der Effekt von Rote Bete auf die Funktion des Gefäßendothels (mittels der Flow mediated vasodilation = FMD; 6) und auf die Thrombozytenaggregation nach Stimulation mit ADP/Kollagen gemessen.

Das Trinken von Rote-Bete-Saft erhöhte die Konzentration von Nitrat im Plasma auf das 16fache mit einem Höchstwert nach 1,5-6 Stunden. In der Kontroll-Gruppe änderte sich die Konzentration nicht. Auch nach 24 Stunden war der Nitratwert noch vergleichsweise leicht erhöht (p = 0,05). Die Blutdruckwerte waren zu Beginn in beiden Gruppen ähnlich. Nach einer Stunde begann der Blutdruck in der Rote-Bete-Saft-Gruppe zu sinken. Der maximale Unterschied der Blutdruckwerte zwischen den beiden Gruppen war nach etwa drei Stunden erreicht: systolisch -10,4 ± 3 mm Hg (p < 0,01) und diastolisch -8,1 ± 2,1 mm Hg (p < 0,01). Noch 24 Stunden nach dem Trinken des Rote-Bete-Safts war der Blutdruck systolisch um 4,4 mm Hg niedriger. Die Senkung des Blutdrucks korrelierte signifikant mit der Nitrat-Konzentration im Plasma. Außerdem fand sich eine Verbesserung der Funktion des Gefäßendothels (gemessen mit der FMD) sowie eine signifikante Hemmung der ADP/Kollagen-induzierten Thrombozytenaggregation.

Im zweiten Teil der Studie wurde versucht, den entero-salivären Kreislauf dadurch zu durchbrechen, dass ein Teil der Probanden aufgefordert wurde, bis zu drei Stunden nach dem Trinken des Rote-Bete-Safts allen Speichel auszuspucken. Tatsächlich konnte dadurch die Biokonversion von Nitrat zu Nitrit und NO unterbunden werden: Der Anstieg der Nitrit-Konzentration im Plasma nach Trinken des Rote-Bete-Safts blieb ebenso wie der blutdrucksenkende Effekt aus.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Nitratgehalt von Gemüsesorten und die Biokonversion zu Nitrit/NO ein wichtiger Mechanismus dieser Blutdrucksenkung ist. Sie halten die Blutdrucksenkung für klinisch relevant, die bei Hypertonikern sogar noch stärker ausfallen könnte. Entsprechend empfehlen sie eine alimentäre Behandlungsstrategie bei Hypertonie und „Prähypertension” mit reichlichem Verzehr vegetabiler Nitrat-Quellen. Täglich 0,5 l Rote-Bete-Saft zu trinken, ist allerdings eine geschmackliche Herausforderung bei Dauerbehandlung. Tolerabler erscheint eine Ernährung mit viel Wurzel- und Blattgemüse mit gelegentlichem Trinken des Safts.

Auch von Schokolade mit hohem Kakao-Anteil (Bitterschokolade) wurden bereits früher günstige Effekte auf Blutdruck und Funktion des Gefäßendothels beschrieben. Kakao hat einen hohen Gehalt an Polyphenolen (Flavonoide). Allerdings wurden in diesen Untersuchungen teilweise > 100 g Schokolade täglich verzehrt, was hinsichtlich Energie- und Zuckerzufuhr bedenklich ist. Eine Arbeitsgruppe der Universität Köln ging daher der Frage nach, ob bereits eine geringe Menge kakaoreicher dunkler Schokolade günstige Effekte auf Blutdruck und Funktion des Gefäßendothels hat und ob eine NO-Aktivierung durch die zugeführten Flavonoide als Mechanismus in Frage kommt (7). In die Studie wurden 44 Probanden (56-73 Jahre) mit „Prähypertension” (RR zwischen 130/85 und 139/89 mm Hg) oder Stufe-1-Bluthochdruck (140/90-160/100 mm Hg) eingeschlossen. Nach Randomisierung erhielten 22 Probanden sechs Wochen lang täglich 6,3 g dunkle und 22 Probanden täglich 5,6 g weiße Schokolade Die Probanden wurden angewiesen, die Schokolade zwischen 20 und 22 Uhr zu essen. Nach 18 Wochen waren unter dunkler Schokolade der systolische Blutdruck um 2,9 ± 1,6 mm Hg (p < 0,001) und der diastolische um 1,9 ± 1,0 mm Hg (p < 0,001) gesunken. Das Körpergewicht änderte sich nicht, und die Hypertonie-Prävalenz sank unter dunkler Schokolade von 86% auf 68%. Weiße Schokolade war wirkungslos. Durch die dunkle Schokolade stieg die Konzentration von S-Nitrosoglutathion an, dem stabilen Reaktionsprodukt von endothelialem NO (p = 0,001). Dieser Anstieg war mit der Senkung des Blutdrucks signifikant korreliert.

Die Autoren meinen, dass bei dieser kleinen Menge Schokolade vermutlich eine langfristige Adhärenz zu erreichen ist. Liebhaber dunkler Schokolade wird es wahrscheinlich nicht freuen, dass mit nur 6 g Schokolade am Tag bereits wesentliche gesundheitsfördernde Effekte zu erreichen sind.

Dunkle Schokolade hat möglicherweise auch bei Diabetikern günstige Wirkungen auf die gestörte Endothelfunktion. Dies legen zumindest die Ergebnisse einer Studie von J. Balzer et al. (RWTH Aachen) zur Wirksamkeit von Kakao bei Diabetikern nahe (8). In die randomisierte Doppeltblind-Studie wurden 41 Patienten mit gut behandeltem Typ-2-Diabetes eingeschlossen. 21 Patienten wurden der Kakao-Gruppe zugeteilt und sollten 30 Tage lang jeweils drei Tassen Kakao pro Tag trinken (dreimal 321 mg Flavonol); 22 Patienten der Kontroll-Gruppe erhielten ein geschmacklich ähnliches, aber Flavonol-armes (dreimal 25 mg Flavonol) Getränk. Hauptendpunkt dieser Studie war die Funktion des Gefäßendothels, gemessen mit der FMD.

Nach Ende der Intervention zeigte sich in der Kakao-Gruppe ein Anstieg der FMD um 30% (p < 0,0001). Die Werte entsprachen denen eines gesunden Menschen. BMI und Gewicht blieben unverändert, während LDL-Cholesterin leicht sank. Das kakaoarme Getränk hatte dagegen keinen Effekt auf die FMD oder Laborparameter. In einer Substudie zeigte sich auch ein dosisabhängiger Akuteffekt, wobei die FMD zwei Stunden nach Konsum von Kakao maximal erhöht war. In der Diskussion betonen die Autoren, dass der aufgezeigte Effekt in der Größenordnung von medikamentösen Therapien mit Statinen, ACE-Hemmern bzw. Antidiabetika liegt. Als Mechanismus postulieren sie eine Aktivierung der NO-Synthase-Aktivität durch die Flavonoide des Kakaos.

Fazit: Die hier besprochenen Studien zeigen, dass durch bestimmte Nahrungsmittel medikamentenähnliche Wirkungen auf die NO-abhängige Endothelfunktion und den arteriellen Blutdruck, auch bei Diabetes mellitus, zu erzielen sind. Man lernt verstehen, warum Gesundes gesund ist. Das Ziel sollte weiterhin sein, die vermutlich für die Effekte verantwortlichen Pflanzeninhaltsstoffe (Nitrate, Flavonoide) in natürlicher Form, d.h. mit Nahrungsmitteln, zu sich zu nehmen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass bald spezielle Nahrungsergänzungsmittel für Hypertoniker und Diabetiker mit großem Werbeaufwand auf den Markt kommen und teuer verkauft werden. Ob diese Nahrungsergänzungsmittel in gleicher Weise wirksam sind wie die Nahrungsmittel, muss sich erst noch erweisen.

Literatur

  1. AMB 2003, 37, 51 Link zur Quelle und AMB 2003, 37, 60. Link zur Quelle
  2. AMB 1999, 33, 74 Link zur Quelle ; AMB 2000, 34, 88 Link zur Quelle ; AMB 2005, 39, 28. Link zur Quelle
  3. AMB 2005, 39, 22 Link zur Quelle und AMB 2007, 41, 76. Link zur Quelle
  4. Moncada, S., und Higgs, E.A.: Handb. Exp. Pharmacol. 2006, 176 Pt. 1, 213. Link zur Quelle
  5. Webb, A.J., et al.: Hypertension 2008, 51, 784. Link zur Quelle
  6. Moens, A.L., et al.: Chest 2005, 127, 2254. Link zur Quelle
  7. Taubert, D., et al.: JAMA 2007, 298, 49. Link zur Quelle
  8. Balzer, J., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2008, 51, 2141. Link zur Quelle