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Frühe antibiotische Behandlung bei akuter nekrotisierender Pankreatitis – eine anhaltende Kontroverse

Die akute nekrotisierende Pankreatitis entwickelt sich bei ca. 15% aller Patienten mit akuter Pankreatitis und verläuft bei 12%-35% tödlich (1-3). Morbidität und Letalität werden zu einem großen Teil (40-70%) durch Infektionen des abgestorbenen Pankreasgewebes und/oder der sezernierten Flüssigkeit verursacht (4, 5). Infektionen in den ersten drei Wochen sind mit einer höheren Letalität assoziiert als Infektionen, die später im Krankheitsverlauf auftreten (6). Meist sind es Mischinfektion mit Bakterienspezies, die in der Regel aus dem Darm stammen: Escherichia coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus spp., Pseudomonas aeruginosa, Bacteroides spp., Clostridium spp. und Enterokokken (7-9). Die meisten Patienten mit schwerer nekrotisierender Pankreatitis werden mit einem Breitbandantibiotikum behandelt, um das Infektionsrisiko und die Letalität zu senken. Im Rahmen dieser empirischen Therapie richtet sich die Wahl des Antibiotikums nach dem zu erwartenden Keimspektrum und nach der guten Gewebepenetration auch in schlecht durchblutetes Gewebe bzw. Nekrosen. Diese Eigenschaften erfüllen am besten Carbapeneme, die bei dieser Indikation auch am häufigsten eingesetzt werden. Jedoch gibt es bisher keine überzeugende Studie, die den Nutzen dieser theoretischen Erwägungen bestätigt. In letzter Zeit werden zunehmend Candida-Spezies und Gram-positive Erreger bei diesen Patienten isoliert, was mit dem weit verbreiteten Einsatz von Antibiotika bei dieser Indikation in Zusammenhang stehen könnte. Vier Metaanalysen deuten zwar eine Reduktion der Morbidität durch eine solche Antibiotikatherapie an, kommen aber zu verschiedenen Schlüssen und fordern zusätzliche klinische Studien (10-13).

In einer kürzlich publizierten multizentrischen, randomisierten, doppeltblinden, plazebokontrollierten Studie wurde dieser Frage nachgegangen (14). In 32 Zentren in Nordamerika und Europa wurden 100 Patienten mit einer klinisch als schwer eingestuften Pankreatitis mit Nachweis von Nekrosen randomisiert. Für diese Zahl mussten 807 Patienten mit Pankreatitis überprüft werden. Die Patienten mussten 18 Jahre oder älter sein, und die nekrotisierende Pankreatitis musste innerhalb von 120 h nach Beginn der Symptomatik durch ein Kontrastmittel-CT nachgewiesen sein. Bei einigen Patienten war ein Kontrastmittel-CT wegen Niereninsuffizienz nicht durchführbar. Die Einschlusskriterien waren: Ausgedehnte peri- und intrapankreatische Flüssigkeitsmengen im kontrastmittelfreien CT, C-reaktives Protein (CRP) > 120 mg/l oder multiples Organversagen. Zusätzlich musste gewährleistet sein, dass die Therapie innerhalb von 120 h nach Einsetzen der Symptome beginnen konnte. Die eine Gruppe bekam Meropenem (1 g alle 8 h), die andere Gruppe Plazebo. Die Minimaldauer der Therapie wurde auf sieben Tage, die Maximaldauer auf 21 Tage festgelegt. Ein klinische Einstufung erfolgte jeden Tag während der gesamten Studiendauer. Die Studien-Therapie wurde sofort abgebrochen, wenn der Patient wieder oral ernährt werden konnte oder sich eine Pankreasinfektion entwickelte. Die Charakteristika der Patienten in den beiden Gruppen waren nicht wesentlich unterschiedlich. Der Hauptendpunkt der Studie war die Entwicklung einer Infektion des Pankreas oder der peripankreatischen Region innerhalb von 42 Tagen. Als sekundäre Endpunkte galten das Gesamtüberleben, die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs und vom Pankreas unabhängige Infektionen.

Zu Infektionen des Pankreas und der peripankreatischen Region kam es bei neun von 50 Patienten (18%) in der Meropenem-Gruppe und bei sechs von 50 (12%) in der Plazebo-Gruppe (p = 0,401). Die Gesamtletalität war 20% (10 von 50) in der Meropenem- und 18% (9 von 50) in der Plazebo-Gruppe. Ein chirurgischer Eingriff wurde bei 13 von 50 Patienten (26%) in der Meropenem- und bei 10 von 50 (20%) in der Plazebo-Gruppe notwendig. Nicht das Pankreas betreffende Infektionen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf. Keiner der 100 Patienten entwickelte eine C.-difficile-assoziierte Diarrhö.

Fazit: Diese sorgfältige Studie zeigt keinen Nutzen einer empirischen antibiotischen Therapie bei schwerer nekrotisierender Pankreatitis.

Literatur

  1. Pederzoli, P., et al.: Surg. Gynecol. Obstet. 1993, 176, 480. Link zur Quelle
  2. Luiten, E.J., et al.: Ann. Surg. 1995, 222, 57. Link zur Quelle
  3. Sainio, V., et al.: Lancet 1995, 346, 663. Link zur Quelle
  4. Baron, T.H., und Morgan, D.E.: N. Engl. J. Med. 1999, 340, 1412. Link zur Quelle
  5. Schmidt, S.W., et al.: Gut 1999, 45, 311. Link zur Quelle
  6. Lumsden, A., und Bradley, E.L.: Surg. Gynecol. Obstet. 1990, 170, 459. Link zur Quelle
  7. Beger,H.G., et al.: Gastroenterology 1986, 91, 433. Link zur Quelle
  8. Maravi-Poma, E., et al.: Intensive Care Med. 2003, 29,1974. Link zur Quelle
  9. Rattner, D.W., et al.: Am. J. Surg. 1992, 163, 105. Link zur Quelle
  10. Bassi, C., et al.: Cochrane Database syst. Rev. 2003, Issue 4, CD002941. Link zur Quelle
  11. Golub, R., et al.: J. Gastrointest. Surg. 1998, 2, 496. Link zur Quelle
  12. Sharma, V.K., und Howdon, C.W.: Pancreas 2001, 22, 28. Link zur Quelle
  13. Zhou, Y.M., et al.: Hepatobiliary Pancreat. Dis. Int. 2005, 4, 23. Link zur Quelle
  14. Dellinger, E.P., et al.: Ann. Surg. 2007, 245, 674. Link zur Quelle