Die Osteoporosetherapie boomt: Derzeit werden weltweit jährlich 10 Mrd. US $ mit Osteoporosemitteln umgesetzt, allein auf den sieben größten Arzneimittelmärkten über 7 Mrd. US $ mit Wachstumsraten von 7% pro Jahr (1). Die kommerziellen Erwartungen der Hersteller sind groß, schließlich kommt jetzt die Babyboom-Generation in das kritische Alter. Daher sind in den nächsten Jahren mehrere neue Osteoporose-Arzneimittel zu erwarten.
Ein relativ neues, möglicherweise bald vor der Zulassung stehendes Arzneimittel ist Denosumab, ein Antikörper gegen den Receptor Activator of Nuclear factor-kB Ligand (RANKL). RANKL aktiviert den Osteoklastenfaktor RANK. Die Blockade von RANKL und damit RANK hemmt die Aktivität der Osteoklasten. Somit stellt Denosumab, wie auch die Bisphosphonate, ein antiresorptives Therapieprinzip dar.
Die Zulassung von Denosumab wurde für die Prävention und Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen beantragt und zur Prävention der Osteoporose bei Patient(inn)en mit Mamma- bzw. Prostatakarzinom, die mit Hormonen behandelt werden. Der Hersteller Amgen, die weltgrößte Biotech-Firma, hat bisher in keine andere Substanz so viel Geld investiert wie in Denosumab (2). Um das neue Arzneimittel (geplanter Name: Prolia) möglichst effektiv, d.h. rasch und breit zu vermarkten, wurden mit zwei anderen großen Arzneimittelherstellern Kooperationen geschlossen. Gemeinsam mit GlaxoSmithKline soll Denosumab in Europa, Australien, Neuseeland und Mexiko und über Daiichi Sankyo in Japan vertrieben werden. Den Vertrieb in Nordamerika übernimmt Amgen exklusiv.
Zwei aktuelle Phase-III-Studien sollen die Zulassung vorbereiten. Beide Studien wurden von FDA und EMEA gefordert. Sie sind plazebokontrolliert mit einer Nachbeobachtung von drei Jahren.
In der FREEDOM-Studie erhielten multizentrisch insgesamt 7868 postmenopausale Frauen (mittleres Alter 72 Jahre, 31% ≥ 75 Jahre, 23% mit bereits durchgemachter Wirbelkörperfraktur) drei Jahre lang entweder 60 mg Denosumab s.c. alle sechs Monate oder Plazebo (3). Einschlusskriterium war eine verminderte Knochendichte an einem Lendenwirbelkörper oder der gesamten Hüfte (T-Score -2,5 oder weniger), Ausschlusskriterium u.a. ein T-Score unter -4, eine bereits stattgehabte schwere Wirbelkörperfraktur oder ein 25-OH-Vitamin-D-Spiegel im Serum < 12 ng/ml. Alle Frauen nahmen zusätzlich 1 g Kalzium/d und Vitamin D (Dosis nach Serumspiegel) ein. Die Nachbeobachtung bestand neben klinischen Visiten aus jährlichen Röntgenuntersuchungen und Knochendichte-Messungen. Der primäre Endpunkt war eine radiologisch nachgewiesene, neue Wirbelkörperfraktur innerhalb von drei Jahren.
Insgesamt beendeten 82% der Patientinnen die Studie, wobei 76% alle geplanten Injektionen erhielten. Die Effektivität wurde nach „intention to treat” beurteilt. In der Denosumab-Gruppe traten deutlich weniger neue Wirbelkörperfrakturen auf als unter Plazebo (2,3% vs. 7,2%; Relatives Risiko = RR: 0,32; p < 0,001). Auch die nicht-vertebralen Frakturen waren signifikant seltener (6,5% vs. 8%; RR: 0,8; p = 0,01). Die Knochendichte der Wirbelkörper bzw. der Hüfte war unter Verum um 9,2% bzw. 6% höher als unter Plazebo. Unerwünschte Ereignisse wurden insgesamt bei 93% der Patientinnen und in der Verum- und Plazebo-Gruppe gleich häufig registriert. Ekzematöse Hautveränderungen (3% vs. 1,7%), Flatulenz (2,2% vs. 1,4%) und bakterielle Hautinfektionen (0,3% vs. 0,1%) traten häufiger unter Denosumab auf.
Die zweite Studie mit dem Akronym HALT schloss 1468 Männer mit Prostatakarzinom und antiandrogener Therapie ein (4). Die Therapie mit GnRH-Agonisten ist mit verstärktem Knochenschwund und Frakturneigung assoziiert (5). In einem doppeltblinden Studiendesign erhielten die Patienten (mittleres Alter 75 Jahre, 83% ≥ 70 Jahre) entweder 60 mg Denosumab alle sechs Monate s.c. oder Plazebo. Zudem wurde eine tägliche Einnahme von 1 g Kalzium und ≥ 400 IU Vitamin D empfohlen. Als primärer Endpunkt war die Veränderung in der Knochendichte in den Lendenwirbelkörpern innerhalb von zwei Jahren definiert, als sekundäre Endpunkte u.a. die Häufigkeit von Frakturen innerhalb von 36 Monaten. 62,1% der Patienten beendeten die Studie wie beabsichtigt.
Nach 24 Monaten hatte die Knochendichte der Wirbelkörper in der Denosumab-Gruppe um 5,6% zugenommen und in der Plazebo-Gruppe um 1% abgenommen (p < 0,001). Nach 36 Monaten waren in der Denosumab-Gruppe auch signifikant weniger Wirbelkörperfrakturen aufgetreten (1,5% vs. 3,9%; RR: 0,38; p = 0,006). Andere Frakturen waren in der Verum-Gruppe jedoch nicht signifikant seltener (5,2% vs. 7,2%). Zu UAW kam es im dreijährigen Studienverlauf in beiden Gruppen gleich häufig (87%). Dabei wurden unter Denosumab insbesondere signifikant häufiger Katarakte (4,7% vs. 1,2%) beobachtet.
Fazit: Welche Rolle Denosumab in der Therapie der Osteoporose zukünftig spielen wird, ist unklar. Es wird von vielen Faktoren abhängen, z.B. von der Effektivität, den Kosten und den UAW im Vergleich mit anderen antiresorptiv wirkenden Substanzen. So lange es aber keine großen vergleichenden Studien gibt, z.B. mit Bisphosphonaten, können Vor- und Nachteile von Denosumab nicht ausreichend beurteilt werden (6). Ein Problem von Denosumab könnten UAW im Immunsystem sein, denn RANKL wird nicht nur von Knochenzellen, sondern auch von Immunzellen gebildet. In einer früheren Studie wurden vermehrt Tumore und schwere Infektionen beobachtet (7). Im begleitenden Editorial wird auch darauf hingewiesen, dass derzeit in der Osteoporosebehandlung weniger Bedarf an weiteren Antiresorptiva besteht, sondern mehr an knochenaufbauenden, anabolen Substanzen (8).
Literatur
- http://www.reuters.com/article/pressRelease/idUS203845+13-Aug-2009+BW20090813 Link zur Quelle
- www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090730_OTS0112 Link zur Quelle
- Cummings, S.R., et al. (FREEDOM = Fracture REduction Evaluation of Denosumab in Osteoporosis every 6 Months): N. Engl. J. Med. 2009, 361, 756. Link zur Quelle
- Smith, M.R., et al. (HALT = Denosumab Hormone Ablation bone Loss Trial prostate cancer study): N. Engl. J. Med. 2009, 361, 745. Link zur Quelle
- AMB 2005, 39, 77. Link zur Quelle
- Black, D.M., et al. (HORIZON Pivotal fracture trial = Health Outcomes and Reduced Incidence with Zoledronic acid ONce yearly): N. Engl. J. Med. 2007, 356, 1809 Link zur Quelle . S.a. AMB 2004, 38, 33 Link zur Quelle ; AMB 2007, 41, 81 Link zur Quelle ; AMB 2008, 42, 68. Link zur Quelle
- McLung, M.R., et al. (AMG 162 bone loss study group): N. Engl. J. Med. 2006, 354, 821. Link zur Quelle
- Khosla, S.: N. Engl. J. Med. 2009, 361, 818. Link zur Quelle