Wenn die Patente von neuen Arzneimitteln auslaufen, versuchen die Hersteller mit allen Mitteln, die Nachfolgepräparate, Generika, vom Markt fernzuhalten. Eine Möglichkeit ist es, dem Hersteller des Nachfolgepräparats, z.B. auch in mündlichen Vereinbarungen, große Geldbeträge anzubieten, damit er sich mit dem Zulassungsantrag zurückhält. So kann das teure Originalpräparat zu Lasten der Krankenversicherungen konkurrenzlos länger auf dem Markt bleiben. Auf eine solche verbotene Absprache zwischen den Herstellern von Clopidogrel (weltweiter jährlicher Umsatz ca. sechs Milliarden US-Dollar) und der kanadischen Firma Apotex hatten wir hingewiesen. Daraus resultierte ein Strafverfahren. Wir hatten uns bei dieser Gelegenheit gewünscht, dass auch in Europa solche Methoden der Preisgestaltung kritisch unter die Lupe genommen werden (1). Das ist jetzt passiert. Die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Neelie Kroes, hat einen sehr kritischen Bericht über das Wettbewerb schädigende Verhalten der großen Pharmafirmen vorgelegt (2). Über 18 Monate wurden bei 70 Pharmafirmen, Herstellern von Originalpräparaten und Generika, Nachforschungen angestellt. Die Ergebnisse sind aufschlussreich und entlarvend.
Zahlungsvereinbarungen zwischen Original- und Generikaherstellern gibt es offenbar auch in Europa häufig („pay for delay”). Die Preise bleiben auf diese Weise länger hoch als wenn es Wettbewerb gäbe. Der Profit wird auf Kosten der Versicherten geteilt. Eine andere Methode ist, neue Wirkstoffe nacheinander mit einer Unzahl von Patenten zu belegen, etwa für Retardformulierungen. Gegen Ende der Patentfrist wird mit einer Lawine von Prozessen der genaue Zeitpunkt des Patentablaufs erstritten. Das verzögert die Zulassung von Generika im Mittel um drei Jahre. Bei den Zulassungsbehörden werden auch Eingaben gemacht, die auf mögliche Unklarheiten in den Zulassungsanträgen von Generika hinweisen. Die müssen dann zeitaufwändig abgearbeitet werden und verzögern auf diese Weise den Wettbewerb.
Es gibt einen UN-Report, der die Pflichten der Firmen beschreibt, den Zugang zu Arzneimitteln sicherzustellen. Als Konsequenz des Kommissionsberichts werden die Mitgliedstaaten nun aufgefordert zu überwachen, dass die festgelegten Regeln eingehalten und Übertretungen gegebenenfalls mit Strafe belegt werden. Dieser Bericht ist eine ungewöhnlich erfreuliche, motivierende, oft referierte Botschaft aus Brüssel (3, 4). Die Kommission kümmert sich um Arzneimittelpreise. Wir auch!
Literatur
1. AMB 2006, 40, 79b. Link zur Quelle
2. Mitteilung der Kommission: Zusammenfassung des Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors (8.7.2009): Link zur Quelle
3. den Exter, A.: Lancet 2009, 374, 599. Link zur Quelle
4. Pharma-Brief 2009, im Druck.