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Erste klinische Studie mit einem dual wirkenden Blutdrucksenker

Der Blutdruck wird in seinem unteren Grenzwert durch mehrere neurohumorale Systeme abgesichert. Teleologisch gesehen ist diese „redundante” Regulation sinnvoll, da eine länger anhaltende starke Hypotension nicht mit dem Leben vereinbar ist. Fehlregulationen dieser Systeme, zusätzlich aber auch die Niere sowie volumenregulierende Hormone, können Teilursachen von Bluthochdruck sein. Antihypertensiva greifen an dem einen oder anderen System an. Wegen der Vielzahl dieser Systeme ist es nicht verwunderlich, dass eine schwere Hypertonie meist nur mit einer Kombinationstherapie erfolgreich behandelt werden kann. Wichtigster Kombinationspartner für Antihypertensiva mit Volumenretention als Nebeneffekt sind Thiaziddiuretika.

Im Lancet wurde jetzt über eine erste Studie mit einer von der Firma Novartis entwickelten neuartigen Substanz (LCZ696) berichtet (1). Eine Molekülhälfte besteht aus dem Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker Valsartan, das kovalent mit einem Inhibitor des Enzyms Neprilysin (AHU377) verbunden ist. Neprilysin ist eine Endopeptidase, die den Abbau der natriuretischen Hormone Atrial natriuretic hormone (ANH) und Brain natriuretic hormone (BNH) katalysiert. Die Blutkonzentrationen von ANH und BNH steigen bei Herzinsuffizienz und Kochsalzüberladung des Organismus an. Beide Hormone wirken antagonistisch zum Renin-Angiotensin-System, vermindern den Sympathikustonus und haben antihypertrophe Effekte an Gefäß- und Herzmuskulatur. Die Hemmung des Enzyms Neprilysin führt zum Anstieg der Serumkonzentration beider natriuretischer Hormone, auch bei Patienten ohne Herzinsuffizienz, und zu einem leichten Abfall des arteriellen Blutdrucks. Da Neprilysin, ähnlich wie ACE-Hemmer, am Abbau von Bradykinin beteiligt ist, war zu befürchten, dass einige Patienten, die mit dem Kombinationspräparat behandelt werden, Husten oder ein Angioneurotisches Ödem entwickeln könnten.

Das Kombinationspräparat LCZ696 wurde in 134 internationalen Kliniken bei 1328 überwiegend „kaukasischen” Patienten (18-75 Jahre alt) mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie (diastolischer RR: 90-109 mm Hg) ohne Diabetes mellitus oder andere schwere Erkrankungen (unbehandelt oder nach vier Wochen „washout” von Antihypertonika) im Vergleich in verschiedenen Dosierungen mit Valsartan, Neprilysin-Hemmer und Plazebo (!) acht Wochen lang prospektiv randomisiert untersucht. Der Blutdruck wurde von den Patienten mit einem automatischen Gerät nach längerem Sitzen dreimal gemessen und gemittelt. Bei einem Teil der Patienten wurden zusätzlich automatische ambulante 24-Stunden-Messungen durchgeführt.

Der reine Neprilysin-Hemmer AHU377 senkte in einer Tagesdosis von 200 mg den Blutdruck im Sitzen plazebobereinigt um 4,2/3 mm Hg. 200 bzw. 400 mg des Kombipräparates LCZ606 senkten den Blutdruck um 11/6 bzw. 12,5/6,8 mm Hg, deutlich stärker als 160 bzw. 320 mg Valsartan (5,7/3,2 bzw. 6,4/4,2 mm Hg). Alle Werte sind plazebobereinigt, d.h. Blutdruckänderungen in der Plazebo-Gruppe wurden subtrahiert. Die Senkung des 24-Stunden-Blutdrucks war ähnlich, auch in den Nachtstunden.

91% der Patienten beendeten die Studie wie geplant. Die „Dropout-Rate” war in der Plazebo-Gruppe wegen des hohen Blutdrucks am höchsten. UAW waren angeblich in allen Gruppen gleich niedrig. Plazebo-Patienten hatten häufiger Kopfschmerzen. Ein Angioneurotisches Ödem trat angeblich nicht auf. Ödeme als UAW, die den Einsatz von Diuretika notwendig machten, sind nicht erwähnt.

Die Herstellerfirma Novartis war an allen Aspekten der Planung, Durchführung und Publikation intensiv beteiligt. Zwei der Koautoren gehören der Herstellerfirma an, und andere Koautoren geben an, Honorare von Novartis erhalten zu haben. Wir berichten über die Studie wegen des neuen therapeutischen Prinzips. Es bleibt unklar, warum die beiden Wirkprinzipien in ein Molekül eingebaut wurden und ob nicht die Kombination beider Substanzen in einer Tablette den gleichen synergistischen Effekt auf den Blutdruck hat. Ob LCZ696 jemals als Arzneimittel zugelassen wird, wird sich zeigen. Das therapeutische Prinzip und die methodischen Grenzen der referierten Studie werden im gleichen Heft des Lancet von B. Waeber und F. Feihl aus Lausanne weiter erläutert und kritisch diskutiert (2).

Fazit: Ein neues, noch nicht zugelassenes Antihypertensivum (LCZ 696) der Firma Novartis vereinigt in einem Molekül den Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker Valsartan und einen Inhibitor des Enzyms Neprilysin (AHU377), das die beiden Hormone Atrial und Brain natriuretic hormone abbaut. Der Anstieg dieser beiden Hormone im Blut senkt den Blutdruck additiv mit Valsartan. Vermutlich ist aber die blutdrucksenkende Wirkung von Valsartan in bewährter Kombination mit 12,5 oder 25 mg/d Hydrochlorothiazid stärker. Mit der Synthese der neuen Substanz LCZ 696 soll offenbar die Tatsache verschleiert werden, dass der Neprilysin-Hemmer AHU377 ein recht schwaches Antihypertensivum ist, das als Einzelsubstanz vermutlich keine Chance auf dem Markt hätte.

Anmerkung der AMB-Redaktion: Kein Mitglied würde sich als Teilnehmer einer Hypertonie-Studie für eine Plazebo-Gruppe zur Verfügung stellen.

Literatur

  1. Ruilope, L.M., et al.: Lancet 2010, 375, 1255. Link zur Quelle
  2. Waeber, B., und Feihl, F.: Lancet 2010, 375, 1228. Link zur Quelle