Der Epidemiologische Suchtsurvey 2006 fand für Deutschland, dass etwas 10% der Bevölkerung Alkohol in einer Menge konsumieren, die als riskant oder gefährlich angesehen wird (> 30 g/d für Männer, > 20 g/d für Frauen; 1). Fast die Hälfte der 18- bis 24-Jährigen trinkt innerhalb von 30 Tagen mindestens einmal fünf oder mehr Gläser Alkohol an einem Tag (so die Definition des Rauschtrinkens). Der dadurch verursachte individuelle und gesellschaftliche Schaden ruft – wie bei Tabak – nach Präventionsmaßnahmen. Dabei wird generell zwischen einer Verhaltens- und einer Verhältnisprävention unterschieden.
Ein Beispiel für die Verhältnisprävention ist die Regulierung des Verkaufspreises für alkoholische Getränke. Wie wirken sich Preisveränderungen auf Konsum und Krankenstand aus? Dazu wurde in England mit landeseigenen Daten eine komplizierte epidemiologische Modellrechnung erstellt und im Lancet veröffentlicht (2). Unter Berücksichtigung verschiedener bekannter Faktoren wie Konsummenge, Getränkeart (z.B. Bier, Wein, Spirituosen), Beschaffungsort (Gaststätte oder andernorts), Haushaltseinkommen und soziodemographischen Faktoren untersuchte man, wie unterschiedliche Höhen des Verkaufspreises den Konsum beeinflussen. Es könnten z.B. Minimalpreise je Einheit Alkohol festgesetzt (teils getrennt nach Beschaffungsort) oder die Preise je Verkaufseinheit prozentual gesteigert oder Rabatte und Sonderangebote verboten werden.
Wie wirkt sich z.B. ein Mindestpreis von 50 Cent je 10 g Alkohol praktisch aus? Ein Kasten Bier würde etwa 20 €, eine Flasche Wein knapp 4 € und eine Flasche hochprozentigen Alkohols um 18 € kosten. Verglichen mit derzeitigen günstigen Produkten (die bei hohem Konsum bevorzugt werden) entspräche dies einer Preiserhöhung um den Faktor 3.
Die vorhergesagten und insgesamt beeindruckenden Auswirkungen der drei effektivsten Mindestpreise auf Konsum, Krankenstand und Krankheitskosten in England sind Tab. 1 zu entnehmen. Dargestellt sind die Veränderungen, wie sie zehn Jahre nach Beginn der Preiserhöhungen beobachtet würden. Solange dauert es, bis die Auswirkungen auf den Krankenstand endgültig zu sehen sind.
Ein (umgerechnet) 80 €-Cent-Mindestpreis würde den Verbrauch um etwa 20% reduzieren und die Zahl der alkoholbedingten Krankenhausaufnahmen und Todesfälle sowie die Krankheitskosten stark vermindern. Ein niedrigerer Mindestpreis hätte geringere Auswirkungen. Die Auswirkungen einer differenzierten Preisgestaltung (Mindestpreis 1,20 € in Gaststätten, 0,50 € andernorts) wird ebenfalls dargestellt: Insgesamt wird eine Reduktion um gut 5% prognostiziert, in der Subgruppe der 18- bis 24-Jährigen mit schädlichem Alkoholkonsum jedoch um knapp 10%. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sich die Effekte auf andere Länder übertragen lassen – ähnliches Konsumverhalten vorausgesetzt.
Fazit: Die Studie zeigt, dass es wirksame ordnungspolitische Maßnahmen gibt, übermäßigen Alkoholkonsum und die damit verbundenen negativen gesundheitlichen Auswirkungen günstig zu beeinflussen. Den Einwänden, die Methode der Verhältnisprävention greife zu stark in die persönliche Lebensführung ein, kann zweierlei entgegnet werden. Zum einen bestehen solche Maßnahmen bereits (z.B. die so genannte Alkopop-Steuer auf branntweinhaltige Mischgetränke). Zum anderen sei es legitim, dass sich der Gesetzgeber für die Gesundheit der Bürger stark macht – so das Editorial in derselben Nummer des Lancet (3).
Literatur
- Pabst, A., und Kraus, L.: Sucht 2008, 54 (Sonderheft 1), S36.
- Purshouse, R.C., et al.: Lancet 2010, 375, 1355. Link zur Quelle
- Gilmore, I.T., und Atkinson, S.: Lancet 2010, 375, 1322. Link zur Quelle