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Indikationen für das Heilfasten

Das medizinische oder therapeutische Fasten („Heilfasten”) ist abzugrenzen vom religiös motivierten oder asketischen Fasten. Unter therapeutischem Fasten versteht man den zeitlich begrenzten, freiwilligen Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel. Therapeutisches Fasten ist keine „Nulldiät” also kein „totales Fasten”. Bei den medizinisch etablierten Fastenformen werden täglich etwa 200-400 kcal in Form von Frucht- oder Gemüsesäften oder Molke bzw. Buttermilch zugeführt, insbesondere um den Proteinkatabolismus und den Muskelabbau zu reduzieren. In Europa ist das „Buchinger-Fasten” am bekanntesten. Es geht zurück auf den Arzt Dr. Otto Buchinger, der seine eigene rheumatische Erkrankung durch eine längere Fastenkur erfolgreich behandelt hat. Er gründete danach die nach ihm benannten Fastenkliniken. Für die qualifizierte Durchführung des therapeutischen Fastens sind Leitlinien der Ärztegesellschaft für Heilfasten und Ernährung e.V. (www.aeghe.de) publiziert und auch die Ausbildung zum Fastenarzt und zum nichtärztlichen Fastenleiter definiert (1).

Fasten wird, insbesondere zur traditionellen Fastenzeit im Frühjahr, von weiten Bevölkerungskreisen in verschiedenen Formen eigenständig durchgeführt. Hierbei werden dem Fasten oft „entgiftende” oder „entschlackende” Wirkungen zugeschrieben. Dies ist wissenschaftlich jedoch nicht belegt. Gesichert ist, dass therapeutisches Fasten, neben der obligatorischen Gewichtsabnahme, vielfältige Wirkungen auf die Hormonregulation des menschlichen Körpers hat. Unter anderem wird vermehrt Kortisol, Natriuretisches Peptid, Wachstumshormon und Adiponektin ausgeschüttet, und die Blutkonzentrationen von Leptin, Insulin und anderen, vom Fettgewebe sezernierten Hormonen sinken (2).

Dem medizinischen Einsatz des Fastens ging die alltägliche Beobachtung voraus, dass die meisten Erkrankungen beim Menschen mit Inappetenz verlaufen. Experimentell haben Versuchstiere, die intermittierend fasten, ein geringeres Risiko Erkrankungen wie Diabetes, Atherosklerose, chronische Nierenerkrankungen oder neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln. Darüber hinaus wird durch Restriktion der Kalorien und intermittierendes Fasten die Lebensspanne fast aller Spezies verlängert (4). Unlängst fand die epidemiologische Intermountain Heart Collaborative Study ein geringeres Risiko für Koronarerkrankungen und Diabetes mellitus bei Menschen, die regelmäßig oder gelegentlich fasteten (5).

In mehreren randomisierten Studien konnte nach 7-10-tägigem Fasten eine signifikante und klinisch relevante Besserung von Gelenkbeschwerden bei Rheumatoider Arthritis belegt werden (6, 7). Die Besserung hielt sogar bis zu einem Jahr an, wenn nachfolgend eine vollwertige und weitgehend vegetarische Ernährung eingehalten wurde. Kleinere Studien fanden günstige Wirkungen des Fastens bei Fibromyalgie und chronischen Schmerzsyndromen. Experimentell konnte ein zentraler antinocizeptiver Effekt nach Fasten nachgewiesen werden (8).

Bei Patienten mit Bluthochdruck und Metabolischem Syndrom senkt Fasten meist rasch den arteriellen Blutdruck, vermutlich durch neuroendokrine Effekte. Bei ausgeprägter Adipositas ist therapeutisches Fasten als alleinige Maßnahme zur Gewichtsreduktion ungeeignet, denn während des Fastens nimmt der Grundumsatz ab und bei danach unveränderten Ernährungsgewohnheiten steigt das Gewicht häufig wieder an (JoJo-Effekt). In Studien zur klinischen Fastentherapie fand sich dieser JoJo-Effekt jedoch nicht (9, 10). Dies liegt vermutlich daran, dass die sachgerechte Fastentherapie mit umfangreicher Ernährungsberatung kombiniert wird. In diesem Zusammenhang kann Fasten durch die zeitweise unterbrochenen Essgewohnheiten eine Umstellung der Ernährung im Sinne einer Dekonditionierung deutlich erleichtern (9).

Die forcierte Entleerung des Darms („Darmreinigung”) ist nach den Empfehlungen der Fachliteratur nicht zwingender Bestandteil der Gesamtbehandlung. Bei Beginn des Fastens, d.h. nach Beenden der Aufnahme fester Nahrung, wird die Darmentleerung durch Abnahme des gastrokolischen Reflexes gebremst. Durch die initiale Einnahme abführender Salze wird die Darmentleerung sichergestellt. Auch Einläufe werden empfohlen, um den Hunger zu reduzieren. Insgesamt wird 7-14-tägiges Fasten, sofern kein Untergewicht vorliegt, gut toleriert. Häufig wird während des Fastens auch die Stimmungslage besser. Dies ist vermutlich durch eine erhöhte Verfügbarkeit von Serotonin im Frontalhirn bedingt (11).

Immer wieder wird in der Presse, von Patienten und nicht-ärztlichen Anbietern von „entschlackenden” Wirkungen des Fastens gesprochen. Solche „Schlackenstoffe” und ihre möglicherweise schädigenden Wirkungen sind jedoch nicht bekannt.

Länger zurückliegende Berichte aus den USA über tödliche Zwischenfälle beziehen sich ausschließlich auf totales Fasten über mehr als 50 Tage. Umfangreiche Studien aus Deutschland konnten ein solches Risiko bei sachgerechtem Fasten nicht bestätigen.

Fazit: Insgesamt kann therapeutisches Fasten bei einigen chronischen Erkrankungen als zusätzliche nichtmedikamentöse Maßnahme angesehen werden. Weitere wissenschaftliche Studien sind aber dringend notwendig. Andererseits ist Fasten kein universelles Heilmittel. Bei richtiger Methode (keine Nulldiät, stufenweiser Wiederaufbau der Nahrung) und vorheriger ärztlicher Untersuchung sowie fachlicher Begleitung ist Fasten bis zu 14 Tagen sicher und nicht gefährlich. Patienten mit Essstörungen (Anorexie, Bulimie, extreme Adipositas) sollten nicht fasten. Bei gleichzeitiger medikamentöser Therapie sollte Fasten nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden, denn Fasten verändert die Wirksamkeit zahlreicher Arzneimittel (u.a. orale Antikoagulanzien, Diuretika) und erfordert Dosisanpassungen (Antihypertensiva, Antidiabetika).

Literatur

  1. Wilhelmi de Toledo, F.: Leitlinien zur Fastentherapie. Forsch. Kompl. 2002, 9, 189. Link zur Quelle
  2. Michalsen, A.: Curr. Pain Headache Rep. 2010, 14, 80. Link zur Quelle
  3. Lord, G.M., et al.: Nature 1998, 394, 897. Link zur Quelle
  4. Mattson, M.P., und Wan, R.: J. Nutr. Biochem. 2005, 16, 129. Link zur Quelle
  5. Horne, BD., et al. (Intermountain Heart Collaborative Study): Am. J. Cardiol. 2008, 102, 814. Link zur Quelle
  6. Kjeldsen-Kragh, J., et al.: Lancet 1991, 338, 899. Link zur Quelle
  7. Müller, H., et al.: Scand. J. Rheumatol. 2001, 30, 1. Link zur Quelle
  8. Hargraves, W.A., und Hentall, I.D.: Pain 2005, 114, 455. Link zur Quelle
  9. Michalsen, A., et al.: J. Altern. Complement. Med. 2005, 11, 601. Link zur QuelleErratum J. Altern. Complement. Med. 2005, 11, 1121.
  10. Schubmann, R., et al.: Deutsche Rentenversicherung 1997, 9-10, 1. Link zur Quelle
  11. Huether, G., et al.: Biol. Psychiatry 1997, 41, 1174. Link zur Quelle