Im BMJ erschien kürzlich ein Bericht aus Newcastle/UK über zwei junge Männer (32 und 16 Jahre alt) mit ausgeprägtem cholestatischem Ikterus und quälendem Juckreiz (1). Sie wurden für eine bzw. zwei Wochen stationär behandelt. Beide gaben erst nach intensiver Befragung an, ein Anabolikum zur „Verbesserung ihres männlichen Erscheinungsbilds” eingenommen zu haben. Der eine Patient hatte zwei Monate lang täglich 5 mg Methandrostenolon (Metandienon; in Deutschland nicht mehr im Handel; bis 1982 Dianabol®) genommen, der andere fünf Tage lang dreimal täglich 10 mg der gleichen Substanz bevor die Symptome begannen. Beide hatten angeblich keine weiteren Medikamente eingenommen, und andere Ursachen von Leber- und Gallenwegserkrankungen waren ausgeschlossen worden. Die Leberbiopsie ergab bei beiden Patienten eine intrahepatische Cholestase, bei einem begleitet von einer leichten Lymphozyten- und Makrophagen-Infiltration des Leberparenchyms. Das Gesamt-Bilirubin im Serum war maximal auf ca. 600 bzw. 800 µmol/l (35 bzw. 46 mg/dl) erhöht, die alkalische Phosphatase und die Alanin-Aminotransferase (SGPT) waren bei beiden mäßig erhöht. Es wurden mehrere Medikamente eingesetzt, um den quälenden Juckreiz zu mildern (Chlorphenamin, Colestyramin, Ursodesoxycholsäure, bei einem Patienten zusätzlich Rifampicin und Naltrexon). Nach Absetzen der Noxe dauerte es bei beiden ca. vier Monate bis sich alle Leberwerte normalisiert hatten. Der jüngere Patient wurde nach der Entlassung zunächst zunehmend depressiv und weigerte sich wegen des noch deutlichen Ikterus zur Schule zu gehen.
Methandrostenolon ist ein am Kohlenstoffatom 17 alkyliertes schwaches Androgen, das, wie auch 17-Methyltestosteron, am häufigsten für Leber- und Gallenwegserkrankungen bei Androgen-Missbrauch verantwortlich ist. Die Alkylgruppe in Position 17 verzögert massiv den hepatischen Abbau der Substanz, so dass die Leber- und Gallengangszellen dem Steroid lange Zeit ausgesetzt sind. In injizierbaren illegalen Androgenmischungen sind seltener 17-alkylierte Substanzen enthalten.
Die anabolen Substanzen gelangen auf vielen obskuren Wegen, oft über das Internet, an die meist jugendlichen männlichen Verbraucher. Unerwünschte Effekte sind zahlreich und vielen Verbrauchern auch bekannt, so dass die Substanzen in der Regel zyklisch 8-12 Wochen lang mit ähnlich langen Pausen eingenommen werden. Viele Internet-Foren empfehlen ihren Käufern, die angebotenen Substanzen zunächst nicht länger als vier Wochen lang einzunehmen, um ein „Gelbwerden” zu vermeiden.
In Großbritannien ergaben Ermittlungen, dass im Jahr 2006 etwa 0,5% junger Männer anabole Substanzen genommen hatten (2). In den USA hatten angeblich unter 3.403 Zwölftklässlern in Oberschulen bereits 6,6% Erfahrungen mit anabolen Steroiden gemacht (3). Selbst harmlos erscheinende Nahrungsergänzungsmittel seien zum Teil mit erheblichen Mengen anaboler Steroide gepanscht (4). Nicht immer sind die Folgen des Steroidabusus auf reversible Leberschäden beschränkt. In mehreren Kasuistiken, u.a. aus Kanada (5), wird von ausgeprägter Cholestase mit Niereninsuffizienz und Pankreatitis nach Einnahme von Methandrostenolon berichtet. Auch kardiovaskuläre Schäden sind bekannt. Genaue Zahlen zum Gebrauch von Anabolika in Deutschland sind uns nicht bekannt. Dass aber bei uns ein großer und lukrativer Schwarzmarkt besteht, zeigen Presseberichte zu Fahndungserfolgen der Zollbehörden (6, 7).
Fazit: Ein erheblicher Prozentsatz junger Männer verwendet anabole Substanzen zur Unterstützung des Muskelaufbaus, meist wegen ihres vermeintlich zu wenig „männlichen” Erscheinungsbilds. Das wirksamste Mittel gegen diesen gesundheitsgefährdenden Lifestyle-Unfug ist eine präventive Aufklärung in Elternhaus, Schulen und Sportvereinen. Die Quellen der in Deutschland illegalen Vermarktung von Anabolika, besonders aber der Bezug über das Internet, können wohl nicht verstopft werden. In der hier besprochenen Mitteilung aus Großbritannien wird über ausgeprägten cholestatischen Ikterus bei zwei jungen Männern nach erstmaliger und kurzer Einnahme des 17-alkylierten Steroids Methandrostenolon berichtet. Der Gebrauch solcher Mittel wird oft nur zögerlich zugegeben.
Literatur
- Elsharkawy, A.M., etal.: BMJ 2012, 344, e468. Link zur Quelle
- Evans-Brown, M., et al.:Lancet 2008, 372, 1544. Link zur Quelle
- Buckley, W.E., et al.:JAMA 1988, 260, 3441. Link zur Quelle
- Parr, M.K., et al.:Biomed. Chromatogr. 2007, 21, 164. Link zur Quelle
- Rosenfeld, G.A., etal.: J. Med. Case Reports 2011, 5, 138. Link zur Quelle
- http://www.welt.de/…/Groesster-Schlag-gegen-Dopingszene-in-Deutschland Link zur Quelle (Zuletzt aufgerufen 21.2.2012).
- http://www.spiegel.de/sport/… Link zur Quelle (Zuletztaufgerufen 21.2.2012).