Artikel herunterladen

Azithromycin und kardiovaskuläre Letalität

Antibiotika gehören zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln in den USA und in Europa. Man schätzt, dass bei 16% aller Vorstellungen beim Hausarzt Antibiotika verschrieben werden (1). In den USA gibt die Pharmaindustrie mehr als eine Mrd. US$ pro Jahr für die Antibiotika-Werbung aus (2). Über die mit Antibiotika verbundenen Probleme, wie Resistenzentwicklung und Zunahme der Clostridium difficile-assoziierten Diarrhö, haben wir berichtet (vgl. 3). Es gibt allerdings noch eine Reihe anderer schwerwiegender UAW, die allgemein weniger bekannt sind. So ist z.B. für Erythromycin und Clarithromycin nachgewiesen, dass sie ventrikuläre Rhythmusstörungen auslösen und die kardiovaskuläre Letalität erhöhen können (4-7). Bisher galt Azithromycin in dieser Hinsicht als weniger bedenklich. In letzter Zeit mehren sich aber Fallberichte über ventrikuläre Herzrhythmusstörungen (7). So wurden der FDA 20 Fälle von Torsade de pointes gemeldet, einige davon tödlich (8). Jetzt wurde eine retrospektive Kohortenstudie mit der Frage nach der kardiovaskulären Letalität im Zusammenhang mit der Einnahme von Azithromycin publiziert (9).

Diese sorgfältige Studie wertete Patienten aus dem Tennessee Medicaid Programm aus. Es wurden alle Patienten erfasst, die im Zeitraum zwischen 1992 und 2006 eine fünftägige Azithromycin-Therapie erhalten hatten. Patienten mit hohem Sterberisiko wurden ausgeschlossen. Die hierfür erhobenen Ausschlusskriterien sind detailliert in einem Supplement zu dieser Arbeit enthalten. Die eingeschlossenen Patienten waren zwischen 30 und 74 Jahre alt, hatten keine lebensbedrohliche nicht-kardiale Erkrankung, waren nicht drogenabhängig und in den 30 Tagen zuvor nicht im Krankenhaus behandelt worden. Außerdem wurden Patienten nicht in die Analyse einbezogen, die kurz nach der Therapie gestorben waren. Um weitere Einflüsse zu minimieren, wurden zu den Patienten mit Azithromycin-Therapie auch Kontroll-Perioden ohne Antibiotika „gematched”. Weiterhin wurden Kontroll-Gruppen gebildet, die aus gleicher Indikation wie die untersuchte Azithromycin-Gruppe Antibiotika bekommen hatten, aber aus einer anderen Substanzklasse, z.B. Amoxicillin oder Ciprofloxacin.

In die Analyse gingen insgesamt 347.795 Verschreibungen von Azithromycin ein, 1.348.672 von Amoxicillin, 264.626 von Ciprofloxacin und eine Kontroll-Gruppe mit 1.391.180 fünftägigen Perioden ohne Antibiotika.

Bei Patienten, die fünf Tage lang Azithromycin eingenommen hatten, war das Risiko für kardiovaskulären Tod erhöht, verglichen mit Patienten ohne Antibiotika (Hazard Ratio = HR: 2,88; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,79-4,63; p < 0,001). Während der Behandlung mit Amoxicillin war die kardiovaskuläre Letalität nicht erhöht. Auch im direkten Vergleich mit Amoxicillin war die kardiovaskuläre Letalität unter Azithromycin höher (HR: 2,49; CI: 1,38-4,5; p = 0,002). Daraus errechneten sich 47 zusätzliche kardiovaskuläre Todesfälle bei einer Million Behandlungen mit Azithromycin. Bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen erhöhten sich die zusätzlichen kardiovaskulären Todesfälle auf 245 bei einer Million Behandlungen mit Azithromycin.

Fazit: Eine fünftägige Therapie mit Azithromycin ist offenbar mit einer geringen absoluten Erhöhung kardiovaskulärer Todesfälle assoziiert. Bei Patienten mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen ist das Risiko deutlich höher.

Literatur

  1. Raofi, S., undSchappert, S.M.: Vital Health Stat. 13. 2006, 163, 1. Link zur Quelle
  2. Ma, J., et al.: Clin. Ther. 2003, 25, 1503. Link zur Quelle
  3. AMB 2006, 40,68a Link zur Quelle . AMB 2007, 41, 63a. Link zur Quelle
  4. Ray, W.A., et al.: N.Engl. J. Med. 2004, 351, 1089. Link zur Quelle
  5. Zambon, A., et al.: DrugSaf. 2009, 32, 159. Link zur Quelle
  6. Russo, V., et. al.: ActaBiomed. 2006, 77, 30. Link zur Quelle
  7. AMB 2004, 38, 49. Link zur Quelle
  8. Poluzzi, E., et al.:Pharmacoepidemiol. Drug Saf. 2009, 18, 512. Link zur Quelle
  9. Ray, W.A., et al.: N.Engl. J. Med. 2012, 366, 1881. Link zur Quelle