Zusammenfassung: Nach der Swefot-Studie (5) ist in der Zweitlinientherapie der frühen Rheumatoiden Arthritis die Kombination MTX plus Infliximab gegenüber der Kombination MTX plus konventionelle DMARDs (sog. Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs = Sulfasalazin plus Hydroxychloroquin) zumindest im ersten Jahr überlegen. Nach zwei Jahren Therapie gleicht sich der klinische Erfolg an. Dies hat möglicherweise statistische Gründe (kleiner werdende Gruppen, Patienten-Crossover), kann jedoch auch an einer langsam zunehmenden Wirksamkeit konventioneller DMARDs liegen. Insgesamt bleiben auch nach über zehn Jahren Therapie mit Biologika in der Rheumatologie die alten Fragen unbeantwortet: Sind diese teuren Medikamente in der Langzeitanwendung sicher und sind sie kosteneffektiv? Um diese Fragen zu beantworten, benötigen wir langdauernde Phase-IV-Studien. Es ist unverständlich, warum diese bei so teuren und in ihrer Langzeitwirkung wenig bekannten Arzneimitteln nicht angeordnet wurden.
Mit Methotrexat (MTX) lässt sich nur bei etwa einem Drittel der Patienten mit früher Rheumatoider Arthritis (ERA) das Fortschreiten der Krankheit aufhalten. Bei den übrigen Patienten muss diese Basistherapie erweitert werden. Für diese auch als Zweitlinientherapie bezeichnete Kombinationsbehandlung mit zwei oder mehreren Basistherapeutika kommen konventionelle erkrankungsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs) in Frage (z.B. Hydroxychloroquin, Sulfasalazin, Leflunomid oder Ciclosporin A) oder eines der teuren Biologika (TNF-alpha-Blocker, z.B. Etanercept, Adalimumab, Infliximab u.a.; vgl. 1).
Es gibt leider keinen Standard, wann welcher Wirkstoff eingesetzt werden sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) empfiehlt bei guter Verträglichkeit als ersten Kombinationspartner von MTX ein Biologikum, „da diese deutlich besser wirksam sind als klassische DMARDs” (2). Allerdings bestehen doch erhebliche Zweifel hinsichtlich von Kosteneffektivität und auch der Therapiesicherheit bei Langzeitanwendung (Infektionen, demyelinisierende Erkrankungen, Tumoren, Herzinsuffizienz, Induktion von Autoimmunität; 3). Mit Spannung ist der Health Technology Assessment (HTA) des IQWiG zu den Biologika in der Indikation RA zu erwarten. An diesem wird seit 2010 gearbeitet, und er soll im vierten Quartal 2012 dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgestellt werden (4).
Für diesen HTA dürfte nun auch eine Publikation aus Schweden interessant sein (5). Die Swedish Farmacotherapy Studie (Swefot) schloss zwischen 2002 und 2006 an 15 schwedischen Rheumakliniken insgesamt 487 erwachsene Patienten mit ERA (Symptomdauer maximal 1 Jahr) ein. Diese erhielten zunächst drei Monate lang MTX (20 mg einmal wöchentlich) und bei unzureichendem Erfolg in einem randomisierten, nicht-verblindeten Studiendesign eine Kombinationstherapie, entweder MTX plus zwei konventionelle DMARDs (Sulfasalazin 2 x 1 g/d plus Hydroxychloroquin einmal 400 mg/d) oder MTX plus Infliximab (3 mg/kg KG, i.v. zum Zeitpunkt 0, 2, 6 Wochen und danach alle acht Wochen). Wurde mit diesen Kombinationen keine ausreichende Wirkung erzielt, durfte die Sulfasalazin- bzw. Infliximab-Dosis gesteigert werden. Traten unter dieser Behandlung UAW auf, durfte im konventionellen Arm auf Ciclosporin A und im Infliximab-Arm auf Etanercept gewechselt werden.
Die Effektivität der Therapie wurde mittels des Disease Activity Scores (DAS28) der EULAR (European League Against Rheumatism) gemessen. Dabei werden standardisiert 28 Gelenke hinsichtlich Schwellung und Druckschmerz beurteilt. Die Skala reicht von 2-10, wobei höhere Werte eine höhere Krankheitsaktivität widerspiegeln. Der mittlere DAS28-Wert betrug zum Zeitpunkt der Randomisierung 4,9. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, die sich nach 12 Monaten in Remission befanden. Die Remission war als Reduktion des DAS28-Werts um mindestens 1,2 Punkte und ein Gesamtscore von < 3,3 Punkten definiert. Sekundäre Endpunkte waren u.a. die Remissionsrate nach zwei Jahren sowie die Progression radiologisch festgestellter Destruktionen an Hand- und Fußgelenken.
Ergebnisse: Von den eingeschlossenen 487 Patienten befanden sich nach drei Monaten MTX-Monotherapie 145 in Remission (29,7%). Weitere 84 Patienten (17,2%) schieden aus anderen Gründen aus (MTX-Intoleranz, unvorhergesehene andere medizinische Interventionen, persönliche Gründe). Am Ende wurden 258 Patienten randomisiert, 130 zur konventionellen Kombinationstherapie und 128 zu einer Kombination mit Infliximab. 78% dieser Patienten waren Frauen, das mittlere Alter betrug 52 Jahre. Die Charakteristika der beiden Gruppen waren weitgehend gleich.
Die Ein-Jahres-Ergebnisse wurden 2009 publiziert (6). Hierbei zeigte sich, dass sich unter MTX plus Infliximab signifikant mehr Patienten in Remission befanden (39% vs. 25%; RR: 1,59; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,10-2,30; p = 0,0160). Hieraus errechnet sich eine Number Needed to Treat (NNT) von 7. UAW traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf. Aus diesen Ergebnissen leiteten die EULAR und andere Fachgesellschaften ab, dass die Kombination von MTX mit einem Biologikum bei ERA sehr wahrscheinlich effektiver ist als die Kombination mit konventionellen DMARDs und dass Biologika daher bevorzugt werden sollten (7).
Diese Schlussfolgerungen werden jedoch durch die neuen Zwei-Jahres-Daten von Swefot etwas relativiert (5). Die Therapie sollte laut Protokoll ein weiteres Jahr weitergeführt werden, um längerfristige Therapieeffekte beurteilen zu können (sekundärer Endpunkt). Nach zwei Jahren nahmen allerdings nur noch knapp zwei Drittel (63,5%) der Patienten ihre zugeloste Therapie ein. Im konventionellen Therapiearm hatten 43% (56/130) die Studienmedikation abgesetzt, überwiegend wegen mangelnder Effektivität oder UAW, und im Infliximab-Arm 29,7%, ganz überwiegend wegen UAW und nur selten wegen mangelnder Effektivität. „Mehr als die Hälfte” der Studienabbrecher im konventionellen Arm wechselten im zweiten Studienjahr auf ein Biologikum. Leider werden in der Publikation keine genaueren Angaben gemacht.
Die vorgestellte Zwei-Jahres-Analyse basiert auf allen ursprünglich randomisierten 258 Patienten (Intention to treat). Das Ergebnis wird insbesondere durch das „Crossover” von mindestens 28 Patienten aus dem konventionellen Arm zu einem Biologikum relativiert. Nach diesen zwei Jahren war nämlich überraschenderweise der klinische Unterschied zwischen den beiden Gruppen nicht mehr signifikant: Es befanden sich nun 31% der Patienten in der konventionellen Gruppe in Remission und 38% in der Biologikum-Gruppe (p = 0,2). Demnach wäre es also kein Versäumnis, wenn man als Zweitlinientherapie einer ERA MTX erst einmal mit konventionellen DMARDs kombiniert und erst bei fehlender Remission, quasi in dritter Linie, mit einem Biologikum beginnt. Allerdings zeigte eine Per-protocol-Analyse der Röntgenaufnahmen von Händen und Füßen, dass die Patienten im konventionellen Arm signifikant mehr Gelenkerosionen hatten, während mit Infliximab im zweiten Jahr kaum noch neue Gelenkdestruktionen gefunden wurden: im sog. Sharp-van-der-Heijde-Score (0-280 Punkte) betrug der Unterschied zwischen den Gruppen 3,23 Punkte (p = 0,009; CI: 0,14-6,32).
Die Verträglichkeit der getesteten Wirkstoffe war während der zwei Jahre etwa gleich, wobei die Patientenzahlen viel zu klein und die Beobachtungszeit viel zu kurz sind, um darüber seriöse Aussagen machen zu können. Insgesamt gab es 107 UAW (s. Tab. 1), etwas häufiger unter konventioneller Therapie. Darunter befanden sich drei schwerwiegende UAW. Je ein Patient pro Gruppe litt unter schweren generalisierten Krankheitssymptomen mit der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung und ein Patient bekam unter Infliximab eine anhaltende Fieberepisode, die zum Studienabbruch führte. Bei diesem Patienten wurde schließlich eine akute myeloische Leukämie diagnostiziert, an der er auch starb. Dies nährt weiter die Skepsis bezüglich einer möglichen Kanzerogenität bestimmter Biologika, insbesondere TNF-alpha-Blockern. Eine Metaanalyse von 74 klinischen Studien mit TNF-alpha-Blockern aus dem Jahre 2010 kam hinsichtlich der Kanzerogenität zu dem Schluss, dass man mit den publizierten Daten weder bestätigen noch ausschließen kann, dass TNF-alpha-Blocker Krebserkrankungen induzieren (8). Dies ist in erster Linie darin begründet, dass die Beobachtungszeiträume der Studien für die Beantwortung dieser Frage viel zu kurz sind. Eine aktuelle randomisierte kontrollierte Studie zur oralen Dreifachtherapie im Vergleich zu Methotrexat plus Etanercept (9) kann ebenfalls nicht die Frage der Kanzerogenität beantworten. Die therapeutische Wirksamkeit ist aber auch in dieser Studie in beiden Gruppen gleich. Zur Klärung der gravierenden Sicherheitsbedenken gegenüber den Biologika sind unbedingt große Phase-IV-Studien erforderlich. Die neuen Empfehlungen des American College of Rheumatology halten ebenfalls die Dreifachkombination und die Kombination mit Biologika grundsätzlich für gleichwertig (10). Die Dreifachkombination ist aber viel weniger kostenintensiv und wird deshalb in Finnland generell vor der Kombination mit Biologika als Zweitlinientherapie eingesetzt (11).
Literatur
- AMB 2001, 35,04. Link zur Quelle
- http://dgrh.de/leitliniefruehera.html Link zur Quelle
- AMB 2004, 38,51. Link zur Quelle
- www.iqwig.de/… Berichtsplan_Biologika_Zweitlinientherapie_bei_rheumatoider_Arthritis.pdf Link zur Quelle
- van Vollenhoven, R.F.,et al. (Swefot = Swedish Farmacotherapy trial): Lancet2012, 379, 1712. Link zur Quelle
- van Vollenhoven, R.F., et al. (Swefot = Swedish Farmacotherapytrial): Lancet 2009, 374, 459. Link zur Quelle
- Smolen, J.S., et al.: Ann. Rheum.Dis. 2010, 69, 964. Link zur Quelle Erratum: Ann. Rheum. Dis. 2011, 70, 1519.
- Askling, J., et al.:Pharmacoepidemiol. Drug Saf. 2011, 20, 119. Link zur Quelle
- Moreland, L.W., et al.(TEAR = Treatment of EarlyAggressive Rheumatoid arthritis):Arthritis Rheum. 2012 Apr 16. doi: 10.1002/art.34498. [Epub ahead of print]. Link zur Quelle
- Singh, J.A., et al.:Arthritis Care Res. (Hoboken) 2012, 64,625. Link zur Quelle
- Zeidler, H., Hannover, Mitglieddes Beirats des AMB, persönliche Mitteilung.