Frage von Dr. R.S. aus Dusslingen: >> Gibt es neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Aromataseinhibitoren bei postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom? Macht es bei Frauen > 75 Jahre noch Sinn, diese einzusetzen? Im konkreten Fall geht es um eine Frau, die mit 76 Jahren ein Hormonrezeptor-positives Mammakarzinom bekommen hat, welches in die Lymphknoten metastasierte. Ihr wurde aufgrund eines erhöhten Thromboserisikos die Einnahme eines Aromataseinhibitors für fünf Jahre empfohlen. <<
Antwort: >> Die adjuvante Hormontherapie vermindert bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom das Risiko, ein Rezidiv zu erleiden und an ihrer Tumorkrankheit zu sterben (1-3). Für postmenopausale Patientinnen war Jahrzehnte lang Tamoxifen die Therapie der Wahl. In neueren Leitlinien, wie der Leitlinie der American Society of Clinical Oncology (ASCO), wird auf Grund einer Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (Disease free survival = DFS) der Einsatz von Aromatasehemmern (Aromataseinhibitoren = AI) empfohlen, obwohl eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (Overall survival = OS) nicht belegt ist (4). Auch in der deutschen S3-Leitlinie für Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms werden als endokrine Therapie bei postmenopausalen Frauen AI empfohlen. Dabei werden drei Optionen unterschieden: 1. der Einsatz der AI upfront (d.h. mit Beginn der adjuvanten Hormontherapie anstelle von Tamoxifen), 2. als bereits initial geplante sequenzielle Therapie (Tamoxifen gefolgt von AI nach 2-3 Jahren) und 3. die erweiterte adjuvante Therapie mit einem AI nach fünfjähriger Gabe von Tamoxifen. Begründet wird die Empfehlung mit Daten verschiedener Studiengruppen, die bei den sicher postmenopausalen Frauen eine Überlegenheit (z.B. Reduktion der Rückfälle, Verlängerung des DFS) der AI der 3. Generation (Letrozol, Anastrozol, Exemestan) gegenüber Tamoxifen gezeigt hätten. Die Leitlinie wird zurzeit überarbeitet (5).
AI sind nicht weniger toxisch als Tamoxifen und werden auch nicht besser vertragen (4). Unter AI treten zwar weniger Hitzewallungen, thromboembolische Ereignisse und Endometriumkarzinome auf als unter Tamoxifen, jedoch kommt es häufiger zu kardiovaskulären Erkrankungen, Arthralgien und Myalgien. Auch nimmt die Knochendichte stärker ab, und osteoporotische Frakturen sind häufiger (4). AI sind zudem wesentlich teurer als Tamoxifen. Aus unserer Sicht ist der primäre Einsatz von AI in der adjuvanten Therapie des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms nur dann gerechtfertigt, wenn Gründe gegen eine Therapie mit Tamoxifen sprechen, z.B. eine Thromboembolie in der Vorgeschichte.
Für Patientinnen > 75 Jahre liegen nur wenige Daten aus klinischen Studien vor. In einer großen Untersuchung mit insgesamt 4.922 postmenopausalen Patientinnen, in der als AI Letrozol mit Tamoxifen verglichen wurde, waren nur 295 (6%) im Alter von ≥ 75 Jahren (6). Fast 40% dieser älteren Patientinnen brachen die Behandlung ab, und zwar in beiden Therapiearmen. Hinsichtlich der Wirksamkeit beider Wirkstoffe ergaben sich keine Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Patientinnen. Bei den älteren Patientinnen waren jedoch unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter Letrozol statistisch signifikant häufiger (nicht jedoch Frakturen) als unter Tamoxifen (p = 0,002).
Das Alter ist per se für die Wahl der endokrinen Therapie eines Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms nicht entscheidend. Begleiterkrankungen und Lebenserwartung sollten berücksichtigt werden. Eine praktische Hilfe für die Therapieentscheidung mit Abschätzung des zu erzielenden Therapievorteils bietet die webbasierte Anwendung Adjuvant! online (7). <<
Literatur
- AMB 2009, 43,76. Link zur Quelle
- AMB 2005, 39,81. Link zur Quelle
- AMB 2004, 38,14. Link zur Quelle
- ASCO 2010: Link zur Quelle (Zuletzt aufgerufen 10.4.2012).
- Deutsche Krebsgesellschaft e.V.und Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2008: Link zur Quelle (Zuletzt aufgerufen 10.4.2012).
- Crivellari, D., et al.(BIG 1-98 = Breast International Group 1-98): J. Clin. Oncol.2008, 26, 1972. Link zur Quelle
- https://www.adjuvantonline.com/index.jsp Link zur Quelle (Zuletzt aufgerufen10.4.2012).