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Klinische Krebsregister: wichtige Quelle zuverlässiger Informationen über die Qualität der onkologischen Versorgung

Zusammenfassung: Seit vielen Jahren wird in Deutschland gefordert, klinische Krebsregister einzurichten. Nur durch sie können Prozess- und Ergebnisqualität der onkologischen Versorgung flächendeckend und sektorenübergreifend abgebildet und verbessert werden. Trotz zahlreicher Widerstände wurde im Juni 2008 der Nationale Krebsplan ins Leben gerufen. Erst im Jahr 2012 wurden endlich die ersten konkreten Schritte gemacht, ihn umzusetzen. Zunächst wurde eine „Gemeinsame Erklärung“ zur Verbesserung der Krebsversorgung in Deutschland und ein Entwurf zum Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz verabschiedet (1). Die überfällige gesetzliche Verankerung und die Empfehlungen zum Ausbau flächendeckender klinischer Krebsregister sind eine wesentliche Voraussetzung für Versorgungsforschung und Transparenz der Qualität in der alltäglichen Versorgung. Im Nationalen Krebsplan werden Maßnahmen zur Finanzierung, Qualitätsoptimierung und Vereinfachung sowie Vereinheitlichung der onkologischen Dokumentationsanforderungen unter Beachtung datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen vorgeschlagen. Sie lassen erwarten, dass in den nächsten 2-3 Jahren flächendeckend klinische Krebsregister in allen Bundesländern etabliert werden. Dann werden hoffentlich auch Defizite in der Umsetzung evidenzbasierter Leitlinien aufgezeigt. Außerdem können Fragen zur Sicherheit und zum therapeutischen Nutzen neuer Arzneimittel unter Alltagsbedingungen beantwortet werden, die bei ihrer Zulassung üblicherweise offen sind.

Die für das Jahr 2008 geschätzte Zahl der Krebsneuerkrankungen in Deutschland – basierend auf Daten epidemiologischer Krebsregister – liegt für Frauen bei 223.100 und für Männer bei 246.700, die Zahl der Krebssterbefälle für Frauen bei 99.572 und für Männer bei 115.870. Die jährlich neu erkannten Krebserkrankungen haben in Deutschland von 1980-2006 bei Frauen um 35% und bei Männern um > 80% zugenommen, die altersstandardisierten Erkrankungsraten um 15% bzw. 23%. Erklärung für diesen deutlichen Anstieg der Erkrankungs- und Sterbefälle, insbesondere bei Männern, ist vor allem der demografische Wandel in der Bevölkerung (2), wahrscheinlich auch in ihrem Nutzen nicht validierte Krebsfrüherkennungsmaßnahmen (PSA-Screening). Diese Zahlen beruhen auf den Daten der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland. Sie erlauben jedoch keine Aussage zur aktuellen Versorgung und Behandlungsqualität onkologischer Patienten.

Ärzte und ihre Selbstverwaltung, Kostenträger, Datenschutz sowie Landes- und Bundespolitik haben lange einer flächendeckenden klinischen Registrierung von Krebserkrankungen in Deutschland widerstanden. Dabei hätte es doch im Rahmen der Wiedervereinigung zu einem Wissenstransfer in historischer Dimension von Ost nach West kommen können. Institutionen wie die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT), die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), einige Tumorzentren (siehe z.B. 3) sowie einzelne Personen haben allen Widerständen getrotzt und einen jahrelangen Prozess begleitet, für dessen erfolgreichen Abschluss im Jahr 2012 Silberstreifen am Horizont erkennbar sind.

Die vor 12 Jahren veröffentlichten 8 Thesen zur Krebsmedizin waren in den Vorständen der DKG und der Deutschen Krebshilfe (DKH) weitgehend unumstritten (4). Die damalige Situation war kritisch bilanziert, ein Diskurs über Fehlentwicklungen in der onkologischen Versorgung eröffnet und die inzwischen eingetretene Entwicklung angestoßen. Mit einer 9. These sollte von der Politik gefordert werden, endlich flächendeckende, sektorenübergreifende klinische Krebsregister (KKR) einzuführen. Diese Forderung führte zu vielfältigen Reaktionen und wurde unter anderem von Vertretern verschiedener Tumorzentren und onkologischen Fachgesellschaften als zu weitgehend eingeschätzt, auch weil Fragen des Datenschutzes, der Finanzierung und der Länderhoheit unbeantwortet waren.

Mit dem 2008 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemeinsam mit DKG, DKH und ADT initiierten Nationalen Krebsplan hat die Politik das Heft des Handelns zugunsten der Krebsbekämpfung in die Hand genommen (1). Entsprechende Empfehlungen der Europäischen Union (EU) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren vorausgegangen. Der Nationale Krebsplan umfasst insgesamt vier Handlungsfelder mit 13 übergreifenden Zielen und etwa 40 entsprechenden Teilzielen. Im Handlungsfeld 2 steht die qualitativ hochwertige Versorgung von Krebskranken im Vordergrund. Dem flächendeckenden Ausbau von KKR wird dabei eine zentrale Bedeutung beigemessen, denn sie sind eine wesentliche Voraussetzung für eine vollständige und sektorenübergreifende Qualitätsberichterstattung in der onkologischen Versorgung. Ziel 8 im Handlungsfeld 2 – Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung – lautet: „es existiert eine aussagekräftige onkologische Qualitätsberichterstattung für Leistungserbringer, Entscheidungsträger und Patienten“. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen in erster Linie folgende Punkte umgesetzt werden:

  • ein flächendeckender Ausbau der KKR zur Erfassung der Qualität der Versorgung aller Krebskranken,
  • eine stärkere Vernetzung regionaler, klinischer sowie epidemiologischer Krebsregister,
  • eine transparente Darstellung der Versorgungsergebnisse für Kliniken, Ärztinnen und Ärzte, Betroffene und Öffentlichkeit,
  • einheitliche Datensätze für die Tumordokumentation.

Im Jahr 2012 ist nun endlich der Startschuss zur Umsetzung des Nationalen Krebsplans gefallen! In einer Pressemitteilung des BMG sowie der zuständigen Spitzenorganisationen – unter anderem DKG, DKH, ADT, Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) – haben sich alle Beteiligten darauf verständigt, die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich fallenden Empfehlungen des Nationalen Krebsplans eigenverantwortlich umzusetzen (1, 5, 6). Der Schwerpunkt der Maßnahmen wird dabei zunächst gelegt auf die Weiterentwicklung der Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs durch den G-BA (Handlungsfeld 1) und auf die Weiterentwicklung der onkologischen Versorgungsstrukturen sowie der Qualitätssicherung durch flächendeckenden Ausbau von KKR. Im August 2012 hat das Bundeskabinett den Entwurf zum Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) verabschiedet. Im Dezember 2012 wurden anlässlich einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags neben den Möglichkeiten des geplanten Aufbaus flächendeckender KKR aber auch kritische Punkte in diesem Entwurf angesprochen. Diese betreffen vor allem die noch ungeklärten Fragen wie z.B. die Belastung der Ärzte durch zusätzlichen Dokumentationsaufwand und die Finanzierung neu aufzubauender bzw. laufender Kosten für die KKR (6).

Epidemiologische Krebsregister (EKR): Dies sind Einrichtungen zur Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Analyse und Interpretation von Daten über das Auftreten und die Häufigkeit von Krebserkrankungen in definierten Erfassungsgebieten (z.B. einem Bundesland) (2). In den meisten Bundesländern wurden auf gesetzlicher Basis EKR aufgebaut, deren anonymisierte Daten nach Inkrafttreten des Bundeskrebsregisterdatengesetzes von 2009 an das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Robert Koch-Institut (RKI) weitergeleitet und dort ausgewertet werden. Wesentliche Erkenntnisse aus EKR sind in der aktuellen Veröffentlichung des RKI und der Gesellschaft der Epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (GEKID) zum „Krebs in Deutschland 2007/2008“ dargestellt (2). Hierzu zählen beispielsweise:

  • Prostata, Darm und Lunge sind die häufigsten Krebslokalisationen bei Männern;
  • seit einigen Jahren treten bei Frauen unter 40 Jahren in Deutschland so viele Erkrankungen an Lungenkrebs auf wie unter gleichaltrigen Männern;
  • die Überlebensaussichten für Männer mit Hodenkrebs haben sich in den letzten 25 Jahren entscheidend verbessert;
  • beim malignen Melanom der Haut sind innerhalb Europas und Deutschland regionale Unterschiede zu beobachten.

Darüber hinaus werden die Daten der EKR auch für wissenschaftliche Krebsursachen- und zur Versorgungsforschung genutzt. So kann man z.B. anhand dieser Daten feststellen, ob in einer Region bestimmte Krebserkrankungen zunehmen und nach deren Ursachen forschen.

Klinische Krebsregister (KKR): Für KKR fehlte bis vor kurzem noch eine einheitliche gesetzliche Grundlage. Sie dokumentieren den Verlauf einzelner Erkrankungen von der Diagnose über jeden einzelnen Therapieabschnitt bis hin zu Nachsorge, Rezidiven, Überlebensdauer und Tod (7-10). Hierzu werden alle wichtigen Informationen zu Diagnostik, Therapie und Krankheitsverlauf gemeldet. Personenbezogene Daten zum jeweiligen Behandlungsabschnitt – Operation, Chemo- bzw. Strahlentherapie –, zum Rezidiv mit detaillierten Angaben zur Rezidivtherapie und zu Überlebensdaten aus den zuständigen Einwohnermeldeämtern werden im KKR zusammengeführt und analysiert (10). Deutschlandweit existieren bisher etwa 50 klinische Krebsregister, die jedoch in den einzelnen Bundesländern sehr heterogen strukturiert und organisiert sind. Der seit 2012 vorliegende Gesetzesentwurf sieht vor, dass in jedem Bundesland KKR errichtet werden, in denen die Daten nach einheitlichen Standards erhoben und ausgewertet werden (5). Alle Bundesländer sollen flächendeckend KKR mit einem festgelegten Aufgabenprofil einrichten, haben jedoch Gestaltungsfreiheit, wie sie die klinische Krebsregistrierung organisieren wollen. Sie können hierzu vorhandene Strukturen nutzen und ggf. weiterentwickeln. Eine Verpflichtung der Patienten zur Teilnahme sieht das Gesetz nicht vor. Als Faustregel – wie auch für EKR gefordert – gilt, dass mehr als 90% der jeweiligen Krebserkrankungsfälle in der Region bzw. im Bundesland registriert werden müssen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

Krebsregister werden getrennt definiert, arbeiten aber synergistisch. Aus inhaltlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen ist eine Verzahnung der Krebsregister (EKR, KKR) notwendig und möglich. Bereits heute gibt es einen bevorzugten Meldeweg: von den niedergelassenen Ärzten und von Krankenhäusern zunächst an die KKR. Dort wird der epidemiologische Datensatz zusätzlich extrahiert und in elektronischer Form an das zuständige EKR weitergeleitet, das seinen Part wiederum weiter an das ZfKD am RKI meldet. Wesentlich für den Fortschritt der KKR wird es sein, diese bisher nur in einigen Bundesländern existierende synergistische Struktur der Datenwege bundesweit zu etablieren und dadurch eine Doppelerhebung zu vermeiden. Hierfür ist ein wichtiger Schritt der bereits konsentierte gemeinsame Basisdatensatz zwischen der Dachorganisation der epidemiologischen Register (GEKID) und der an den KKR beteiligten Organisationen (z.B. ADT). Einmal im Jahr sollen entsprechend Krebsregistergesetz alle Daten aus der klinischen Krebsregistrierung für jedes Bundesland ausgewertet werden.

Klinische Krebsregister – wofür benötigen wir sie? Die Entwicklung multimodaler Therapiekonzepte sowie „individualisierte“ Therapiestrategien haben dazu geführt, dass die Gesamtverantwortung für onkologische Patienten nicht mehr wie früher eine Disziplin (z.B. Chirurgie, Strahlentherapie, Internistische Onkologie) übernimmt, sondern in der Regel ein wechselndes Team (10). Dies erfordert eine den Patienten begleitende, qualitätsorientierte Dokumentation, die alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfassen und mit dem Ziel auswerten muss, ärztliches Handeln zu verbessern. Der Austausch von Daten zwischen klinischen Therapeuten und nachsorgenden niedergelassenen Ärzten sowie zwischen Kliniken untereinander ist jedoch vielfach ungenügend. Der Datentransfer in Form eines Entlassungsbriefs klappt häufig von der Station zur Praxis, aber nicht zurück. Hindernisse sind fehlende Interdisziplinarität, personeller und finanzieller Aufwand, unterschiedliche Kommunikationsebenen sowie der Datenschutz. Nicht nur für die Onkologie gilt die Feststellung „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Damit sind die Ärzte gemeint, die ihre Kranken stationär behandeln, entlassen und das Ergebnis ihrer Behandlung selten erfahren. Schuld daran ist vor allem die sektorale Gliederung unseres Gesundheitssystems, die neben Vorteilen auch Nachteile hat – vor allem beim Informationstransfer. Daher fehlen vergleichende Daten zur Qualität der Behandlung. Diese wünschen sich aber nicht nur viele Ärzte, sondern auch die Patienten. Solche Informationen können zukünftig den KKR entnommen werden.

Zusammengefasst sind KKR notwendig (10), um:

  • objektive Auskünfte über Krankheitsverlauf und Therapiestrategien – auch an Patienten – geben zu können,
  • Qualitätsdefizite in Diagnostik, Therapie und Nachsorge, z.B. anhand von Qualitätsindikatoren, zu erkennen und beheben zu können,
  • Einflüsse auf die Krebsentstehung und mögliche Gegenmaßnahmen zu identifizieren.

Die Daten der KKR müssen allen an der Versorgung Beteiligten zur Verfügung stehen. Dokumentationssysteme wie z.B. das vom Interessenverband zur Qualitätssicherung der Arbeit niedergelassener Uro-Onkologen in Deutschland e.V. (IQUO; 11), sind nicht mehr nötig, wenn niedergelassene, onkologisch tätige Ärzte ihren Dokumentationsbeitrag im KKR leisten oder die sektorenübergreifende Qualitätssicherung für die Onkologie von KKR abgedeckt wird. Beispielhaft brillieren die Kardiologen mit unterschiedlichen regionalen und überregionalen Registern der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (12). Unterzieht man sich heute einer kardiologischen Intervention, dann unterschreibt man oft nicht nur das Einverständnis zum Eingriff, sondern gleich mehrfach die Bereitschaft, dass die Daten anonymisiert erhoben, weitergeleitet und ausgewertet werden dürfen. In der Kardiologie konnten viele Forderungen (auch bei der Vergütung) mit Daten plausibel gemacht und durchgesetzt werden. Nirgends ist aber die Dokumentation der Ergebnisse so wichtig wie in der Onkologie – wegen des oft schweren Krankheitsverlaufs, der vielen, mitunter rasch wechselnden Therapieoptionen und wegen individueller Faktoren mit Einfluss auf Therapieentscheidungen und -verlauf.

Die Einrichtung flächendeckender KKR wird die Transparenz in den Versorgungsstrukturen und -prozessen deutlich verbessern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass klinikinterne Einzelerfassungen verlassen werden, der ambulante Sektor adäquat eingebunden wird und die bereits in einigen Bundesländern existierenden KKR (z.B. Bayern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt), die eine Region vollständig erfassen und abbilden, bundesweit etabliert werden.

Erforderliche Rahmenbedingungen und Nutzen von KKR: In einem vom BMG in Auftrag gegebenen Gutachten (13) „Aufwand-Nutzen-Abschätzung zum Ausbau und Betrieb bundesweit flächendeckender klinischer Krebsregister“ wurden von der Prognos AG im Jahr 2010 folgende Punkte herausgestellt: die leitlinienkonforme Therapie hat zugenommen (z.B. brusterhaltende Operationen, adjuvante Chemotherapie); Behandlungsergebnisse haben sich verbessert bei Melanomen und Hodenkarzinomen; die interdisziplinäre Kooperation und Befunddokumentation hat zugenommen; KKR erfordern zusätzlichen Personalbedarf.

Diese Aussagen werden bestätigt durch die auf dem Deutschen Krebskongress 2012 vorgestellten Ergebnisse für die häufigsten Krebserkrankungen (malignes Melanom, Karzinome von Kolon, Lunge, Mamma, Prostata). Die Daten stammen von 41 Tumorzentren/KKR aus 14 Bundesländern und werden seit 2006 alle zwei Jahre auf dem Deutschen Krebskongress in einer bundesweiten onkologischen Qualitätskonferenz präsentiert (14). Im Jahr 2006 waren auf einer solchen Qualitätskonferenz Register nur aus acht Bundesländern vertreten (Tumorzentren aus Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Sachsen und Bayern). Jetzt sind Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg hinzugekommen. Zwischen 2000 und 2009 hatte das Erkrankungsalter für Karzinome von Lunge und Kolon sowie Melanom zugenommen, ebenso die frühen Stadien des Mammakarzinoms. Die Zahl unbekannter Stadien hatte generell abgenommen (verbesserte Dokumentationsqualität) und die multimodale Therapieumsetzung war gestiegen. Die Daten zum kolorektalen Karzinom zeigen, dass die S3-Leitlinie zur adjuvanten Chemotherapie im Stadium III, die früher nur etwa 61% der Patienten erhielten (10), zunehmend umgesetzt wird. Das Überleben der Patienten mit Tumoren der M1-Kategorie (Fernmetastasen) ist in den letzten Jahren konstant geblieben, was den Ergebnissen des amerikanischen Krebsregisters SEER entspricht (14). Welche Erkenntnisse Register über die Verbesserung der alltäglichen Versorgungsqualität erbringen können, zeigen beispielsweise aktuelle Ergebnisse regionaler Tumorregister. Anhand der Daten des Tumorregisters München (3) wurde gezeigt, dass das Überleben von Patienten mit metastasiertem Darmkrebs abhängt vom Zeitraum (und damit von der Verfügbarkeit neuer medikamentöser Therapien), vom Alter bei Metastasierung und vom Auftreten der Metastase (primär oder im Verlauf; 9). Eine wichtige Bedeutung haben KKR auch im Rahmen der Versorgungsforschung. Sie können flächendeckende, bevölkerungsbezogene Aussagen machen hinsichtlich Anwendbarkeit und Wirksamkeit von Ergebnissen randomisierter kontrollierter Studien (RCT) der Phase III zu neuen onkologischen Arzneimitteln im Versorgungsalltag. Sie sind auch hilfreich, um bei „zielgerichteten“ Therapien Subgruppen von Patienten mit unterschiedlichem Wirksamkeits- bzw. Sicherheitsprofil zu identifizieren. In Ergänzung zu RCT können hochwertige Registerstudien die oft zu reinen Marketingzwecken durchgeführten Anwendungsbeobachtungen oder Postmarketingstudien ablösen. Außerdem können sie Evidenzlücken in der Forschung nach der Zulassung eines Arzneimittels schließen (10, 15, 16). Bei Registerstudien werden vorhandene Daten aus der Routinebehandlung zusammengetragen und retrospektiv ausgewertet. Andere sind prospektiv angelegt. Alle ergeben Aussagen über erwünschte und unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln bei ausgewählten Patientengruppen. Zum quantitativen Nachweis der grundsätzlichen Wirksamkeit bzw. des Zusatznutzens eines Wirkstoffs sind Registerstudien jedoch nicht geeignet, weil sie keine randomisierten Gruppen vergleichen.

Der weitere Weg der KKR: Der Referentenentwurf des BMG (1, 6) als „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Nationalen Krebsplans (Krebsplan-Umsetzungsgesetz)“ definiert die Pflichten der Länder und der GKV. Die Krankenkassen sollen für jede Krebsneuerkrankung eine fallbezogene Registerpauschale in Höhe von 94 € an das jeweils zuständige KKR entrichten. Hinzu kommen die Kosten für die jährlichen Folgemeldungen. Der G-BA wird mit wichtigen Aufgaben bei dem Programm zur Krebsfrüherkennung betraut. Außerdem erhält er den Auftrag, bundesweit die klinischen Registerdaten auszuwerten. Die Kosten für den Strukturaufbau der KKR, der Ländersache ist, werden auf 67 Mio. € geschätzt. Die notwendige Infrastruktur für KKR besteht bereits teilweise. Eine Anschubfinanzierung für Bundesländer ohne Register ist jedoch unbedingt erforderlich. Langfristig wird bei einheitlicher Erhebung weniger Bürokratie nötig sein.

Als wesentliche Voraussetzungen für den weiteren Weg zu einem bundesweit flächendeckenden, einheitlichen und vor allem funktionsfähigen System der KKR wurden im Gutachten der Prognos AG folgende Punkte genannt (13): Kooperation mit Organkrebszentren, Harmonisierung der Meldevergütungen, Abbau von Doppeldokumentationsstrukturen, vereinfachter Meldeaufwand und Aufzeigen des Mehrwerts der Dokumentation gegenüber den einzelnen Meldern. Insbesondere die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Tumordokumentation wird als sehr relevantes Querschnittsthema für alle Ziele des Nationalen Krebsplans angesehen und deshalb auch in einer „Absichtserklärung zur Tumordokumentation“ des BMG und der beteiligten Fachgesellschaften sowie Institutionen besonders betont.

Ein wichtiger Schritt auf dem langen Weg zu einer einheitlichen Krebsregistrierung ist gemacht. Jetzt müssen weitere folgen, vor allem von den Ärzten, die mit der Krebsbehandlung befasst sind. Sie müssen sich motiviert und engagiert daran beteiligen, Daten zu registrieren, auszutauschen sowie wissenschaftlich auszuwerten, um die optimale Versorgungsqualität zu sichern und den Nutzen der Auswertungen für Patienten, Leistungserbringer und Kostenträger transparent darzustellen (8).

Literatur

  1. Bundesministerium fürGesundheit: Nationaler Krebsplan: Link zur Quelle
  2. Robert-Koch-Institut(Hrsg.) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschlande.V. (Hrsg.): Krebs in Deutschland 2007/2008. 8. Ausgabe. Berlin 2012.
  3. Tumorregister München: Link zur Quelle
  4. Weißbach, L.: Dtsch.Arztebl. 2012, 109, A316. Link zur Quelle
  5. GesundheitspolitischeInformationen: Krebs besser bekämpfen. Nr. 4/2012. Link zur Quelle
  6. Meißner,M.: Dtsch. Arztebl. 2012, 109, B2107. Link zur Quelle
  7. Hofstädter, F., undHölzel, D.: Der Onkologe 2008, 14, 1220 Link zur Quelle
  8. Hölzel, D.: Der Onkologe2011, 17, 143. Link zur Quelle
  9. Hölzel, D., und Engel,J.: Dtsch. Arztebl. 2012, 109, A424. Link zur Quelle
  10. Klinkhammer-Schalke,M., et al.: Der Onkologe 2012, 18, 142. Link zur Quelle
  11. Interessenverband zurQualitätssicherung der Arbeit niedergelassener Uro-Onklogen in Deutschland e.V.(IQUO): Link zur Quelle
  12. BerlinerHerzinfarktregister: Link zur Quelle
  13. http://www.bmg.bund.de/ Gutachten-Aufwand-Nutzen-Abschaetzung-Krebsregister.pdfLink zur Quelle
  14. Vierte Bundesweite OnkologieQualitätskonferenz 2012: Link zur Quelle
  15. Dreyer, N.A., und Garner, S.: JAMA 2009, 302,790. Link zur Quelle
  16. Wegscheider, K.: Z. Evid. Fortbild. Qual.Gesundhwes. 2009, 103, 381. Link zur Quelle